AT&T, BT und Infonet rüsten zum Kampf um Marktanteile

Frame Relay wird Trendsetter im globalen Value-Added-Markt

17.07.1992

WASHINGTON/BASKING RIDGE (gh/IDG) - Der Bereich internationaler Mehrwertdienste entwickelt sich mehr und mehr zu einem der umkämpftesten Märkte im Networking. Nach British Telecom (BT) hat nun auch AT&T als erster der großen US-Carriers Pläne für weltweite Frame-Relay-Services veröffentlicht. Der nach inoffiziellen Schätzungen momentane Branchenprimus Infonet hält sich hingegen beim Wettlauf um neue Dienste noch zurück, will aber durch Investitionen seine Position behaupten.

Erst vor wenigen Wochen hatten die Briten im Zuge eines weltweiten Ausbaus ihrer Global Network Services auch entsprechende Frame-Relay-Kapazitäten angekündigt (vgl. "BT kündigt weltweiten Ausbau . .", CW Nr. 19, 8. Mai 1992, Seite 19).

Branchen-Insider mutmaßten darin ein Vorpreschen der um Marktanteile buhlenden, seit einigen Jahren weitgehend privatisierten Telefon-Company vor allem, weil aufgrund der sehr schnell vorangetriebenen und eben erst abgeschlossenen Standardisierung von Frame Relay eine großflächige Einführung derzeit noch mit Risiken behaftet sei.

Ungeachtet dieser Diskussion hat AT&T mit seiner Ankündigung nun nachgezogen und will bis zum Jahresende ebenfalls auf seinen transatlantischen Verbindungen Frame Relay anbieten. Auf Basis der "Interspan"-Netzstruktur des 1988 aufgekauften britischen Value-Added-Anbieters Istel installieren die Amerikaner derzeit Frame-Relay-Knoten in Belgien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden mit entsprechenden Verbindungsmöglichkeiten für bisherige Frame-Relay-Anwender in den USA, die dann, wie es bei AT&T heißt, "ihre Netze auf Gebiete außerhalb der USA ausdehnen können".

Nach bisher bekanntgewordenen Plänen soll in jedem der genannten Länder ein IPX-Knoten des US-Herstellers Stratacom installiert werden; das Management des Netzes obliegt einem speziellen Management Center in Großbritannien. Europäische Anwender werden die Wahl zwischen 64 Kbit/s-, E-1- (2 Mbit/s), 128 Kbit/s- beziehungsweise 256 Kbit/s-Leitungen sowie teilweise auch T1-Übertragungsstrecken als Anschlußmöglichkeit haben.

Aus ihrer Überzeugung, daß die Gewinnung multinational operierenden Unternehmen als Kundschaft letztlich über Erfolg und Mißerfolg im Value-Added-Business entscheidet, machen die AT&T-Verantwortlichen wie ihre Konkurrenten bei BT und Infonet - kein Hehl. "Wir müssen schon aufgrund der Bedürfnisse unserer international tätigen Großkunden Frame-Relay-Services auch außerhalb der Vereinigten Staaten anbieten" bemerkte etwa Joann Patrick-Ezzell, Marketing Vice-President von AT&Ts Data Communications

Service Group, zu den aktuellen Plänen seiner Company.

Derzeit noch gelassen sieht man die Marktentwicklung bei den Verantwortlichen der Infonet Services Corp. Jose A. Collazo, Chairman und President des im Besitz von elf nationalen PTTs - darunter MCI, die deutsche Telekom sowie Transpac beziehungsweise France Telecom - befindlichen Konsortiums gab sich anläßlich des diesjährigen Infonet-Board-Meetings in Washington zuversichtlich.

"Infonet ist", so Collazo in seinem Rechenschaftsbericht, "von Beginn an ein profitables Unternehmen gewesen - daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern".

Die Netzwerk-Outsourcing-Company hatte erst kürzlich den Ausbau ihrer Infolan-Länderknoten bis 1995 auf dann insgesamt 75 angekündigt sowie mit den Enterprise Communications Services (ECS) ein - im Hinblick auf BTs Syncordia-Angebot - speziell für international agierende Großkunden zugeschnittenes Dienstleistungspaket vorgestellt. Darüber hinaus lasse es die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, wie Collazo betonte, zu "die in den nächsten Jahren erforderlichen Investionen in Angriff zu nehmen". Letztendlich werde die Qualität der Dienstleistung im Wettbewerb die Spreu vom Weizen trennen oder, wie Collazo es formulierte, "über haben oder nicht haben entscheiden".

Boom kommt vor dem Fall

Der Boom in der Telekommunikation hält ungebrochen an. Dieser Eindruck muß sich dem Beobachter zunächst aufdrängen angesichts fast täglicher Meldungen über neue Allianzen und ambitionierte Player im internationalen Netz-Business. Value Added, Enterprise Communications und Facilities Management sind dabei die Zauberformeln der Marketiers - Features wie Frame Relay, ATM, SMDS, CAD/CAM-File-Transfer und Multimedia deren Parameter für Wettbewerbsfähigkeit.

Mehr als zwei Milliarden Dollar gab es jüngsten Schätzungen, zufolge allein 1991 im Global Networking zu verdienen Tendenz steigend. Immer mehr potentielle Kunden mit internationalen Kommunikationsbedürfnissen auf der einen; starker Wettbewerb, der die Value-Added-Provider dazu zwingt, mit lukrativen Angeboten um die Gunst der Anwender zu buhlen, auf der anderen Seite, ist der Status quo.

Da bedarf es keiner volkswirtschaftlichen Spezialkenntnisse, um vorherzusehen, daß am Ende eines - vermutlich sehr schnellen - Verdrängungswettbewerbs nur einige wenige, international operierende Netzbetreiber übrig bleiben werden. Dafür sorgt schon die Tatsache, daß sich die großen, traditionellen PTTs derzeit in diesem Markt gegenseitig auf den Füßen stehen.

Ist dies nun die Stunde der Anwender seine (tatsächlichen) TK-Bedürfnisse auslotet und geschickt verhandelt, kann vielleicht ein "Schnäppchen" machen, weiß aber dennoch in aller Regel nicht, worauf er sich einläßt. Viele Schlagworte (siehe oben)

ersetzen noch kein fertiges Dienstleistungsangebot, und für den Wettlauf mit neuen Services gilt: Darüber zu reden ist eine Sache, sie funktionstüchtig anbieten zu können, eine andere. gh