Forum strebt weitgehende ATM-Funktionalität an

Frame Relay mausert sich zur Nummer zwei im WAN

15.05.1998

Während um andere LAN- und WAN-Technologien viel Wirbel veranstaltet wird, hat sich Frame Relay heimlich, still und leise zum Übertragungsverfahren Nummer zwei gemausert. Einer Untersuchung der Vertical Systems Group zufolge gaben 1997 weltweit rund 25000 Unternehmen 3,9 Milliarden Dollar für Frame-Relay-Services aus. Damit hat diese Technologie erstmals die altehrwürdige X.25-Technik (2,7 Milliarden Dollar) überflügelt und rangiert nach Mietleitungen, die vergangenes Jahr ein Marktvolumen von 22,6 Milliarden Dollar verbuchten, auf Platz zwei (siehe Grafik).

Entsprechend selbstbewußt präsentierten sich die Vertreter des Frame Relay Forums (FRF) auf der Networld+Interop (N+I) in Las Vegas. Die Mitglieder der Organisation sehen Frame Relay längst nicht mehr nur als Zwischenstation für Unternehmen bei der Migration zu ATM-Netzen, sondern wollen die Technik fest als WAN-Bestandteil in Enter- prise Networks etablieren.

Ziel der Anbieter ist, Anwendern eine Dienstequalität zu liefern, die sich dem Niveau von ATM weitgehend nähert. "Wir wollen 80 Prozent der ATM-Funktionalität erzielen, aber nur 20 Prozent von dessen Komplexität", brachte Larry Greenstein, Vice-President Technology des FRF, die ehrgeizigen Pläne auf den Punkt. Dieses Vorhaben könne schon Ende 1998 verwirklicht werden, da die International Telecommunication Union (ITU) die Spezifikationen des Forums zur Quality of Service bereits im ersten Durchgang gebilligt habe. Gegenwärtig seien die Anbieter daran, die technischen Änderungsvorschläge der ITU umzusetzen.

In der hohen Komplexität von ATM und der problemanfälligen Realisierung von entsprechenden Projekten wittern die Hersteller von Frame-Relay-Komponenten sowie Provider von Diensten ihre große Chance. Sie hoffen, mit Applikationen wie Performance Monitoring, Service Level Administration, SNA-Transfer und LAN-LAN-Interconnection Unternehmen vom Wechsel zu ATM abzuhalten. Geht es nach dem FRF, sind auch Sprach- und Videotransfer, die als Domäne von ATM galten, für Frame Relay keine unüberwindlichen Hürden mehr.

"Voice over Frame Relay ist eine Technologie, die an Akzeptanz gewinnt, aber noch entwicklungsfähig ist", erklärte Lori Dreher, Präsidentin des FRF, den Status quo des Verfahrens. Die Qualität, die besser sei als bei analogen Funktelefonen, hänge jedoch von mehreren Faktoren ab: Zum Beispiel, welches Kompressionsverfahren verwendet werde und wie stark der Carrier die Verbindung mit Datenverkehr belaste.

Viele Service-Provider, so Dreher, würden aus Gründen der Rentabilität die Leitungen mit Datenverkehr überfrachten, worunter zwangsläufig die Sprachkommunikation aufgrund der paketbasierten Struktur von Frame Relay leide. Die Entwickler sind laut Greenstein jedoch dabei, auch dieses Problem in den Griff zu bekommen. Bei Permanent Virtual Circuits (PVC) könnten lange Datenpakete fragmentiert werden, damit die kürzeren, zeitkritischen Sprach- und Video-Frames bei der Übertragung nicht blockiert werden.

Neben der Sprachkommunikation stehen Frame-Relay-Service-Provider und Hersteller von Equipment den Marktforschern der Vertical Systems Group zufolge vor weiteren Herausforderungen. Dazu zählen vor allem der Internet-Zugang, Managed Services sowie Virtual Private Networks (VPN). Wenn das Problem der Verschlüsselung sowie Authentifizierung bei VPNs zufriedenstellend gelöst sei, ist es nach Ansicht der Analysten auch denkbar, daß Internet-Service-Provider ihre VPN-Dienste via Frame Relay anbieten.

Insgesamt schätzen die Marktforscher die Aussichten für Frame Relay als sehr gut ein. Das Marktvolumen für Frame-Relay-Services werde 1998 weltweit 6,2 Milliarden Dollar und im Jahr 2000 knapp elf Milliarden Dollar betragen.