CUU-Projekt Prokop:

Forschungsgruppe fordert Informatik-Ausbildung der Lehrer

19.10.1977

DARMSTADT - Beim computer-unterstützten Unterricht (CUU) ist es wichtig, daß die entsprechenden Lehrer über ausreichende Informatik-Kenntnisse verfügen. Die Forschungsgruppe CUU in Darmstadt hat bei ihrem "Projekt zur Erprobung problemorientierter Rechnerbenutzung in Kooperation mit Lehrern" (Prokop) die "These" aufgestellt: "Eine fundierte Lehrerbildung ist die unabdingbare Voraussetzung für eine allgemeine Einführung des Computers im Unterricht. Diese ist langfristig nur im Rahmen einer Lehrerausbildung zu erreichen." Die CUU-Experten untersuchten, wie Computer in Schulen als Hilfsmittel des Schülers eingesetzt werden können. Das Pilotprojekt wurde vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) gefördert. Es wurden dabei Unterrichtsversuche in verschiedenen Fächern und Altersstufen organisiert und durchgeführt sowie Programmierkurse mit Lehrern abgehalten. Ziel war der Dialog zwischen Schüler und Rechner, von der Forschungsgruppe als interaktives Programmieren (IP) bezeichnet. Gleichzeitig sollten Formen der Lehrerkooperation, Aspekte der Unterrichtsorganisation und Fragen nach geeigneten Computersystemen für Schüler berücksichtigt werden. Die am Projekt beteiligten Lehrer sollten schnell in die Programmiersprache LOGO eingeführt werden, damit sie glichst bald interaktives Programmieren im eigenen Unterricht erproben könnten.

Schulung tut not

Die Schüler sollten in kurzer Zeit - parallel zum Lernstoff des jeweiligen Fachs - die Programmiersprache lernen. Es zeigte sich jedoch - so Projektleiter Dr.-Ing. Ulrich Kling - , daß eine leistungsfähige, vielseitige Programmiersprache wie LOGO nur dann in ihren Möglichkeiten ausgeschöpft und didaktisch gewinnbringend verwendet werden kann, wenn eine gründliche Einführung vorausgeht. Deswegen mußten die Mitarbeiter der Gruppe (Informatiker, Mathematiker, Physiker und Psychologen) die Unterrichtsversuche weitgehend selbst durchführen: Die Lehrer übernahmen die Rolle der "interessierten Beobachter". Es sei auch - hauptsächlich wegen der neuen Programmiersprache LOGO - fast unmöglich gewesen, die Pädagogen in die gleichberechtigte Mitarbeit an inhaltlichen Fragestellungen mit einzubeziehen. Denn sie hatten entweder überhaupt keine EDV-Kenntnisse oder das vorhandene Wissen war veraltet. Das Problem wurde noch größer, als es nicht mehr nur darum ging, den Rechner im Fachunterricht einzusetzen: "Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die Kommunikation mit den beteiligten Lehrern, bei denen es sich meistens um Mathematiker handelte und denen es vorrangig um den Einsatz des Computers im von ihnen vertretenen Fach ging abermals erschwert", klagt der Projektleiter in seinem Forschungsbericht.

Unterschied zwischen Taschenrechner und Computer unklar

Eine andere Problematik hätte darin bestanden, daß den Lehrern der Unterschied zwischen Taschenrechnern und der von dem Forschungsteam verwendeten Technologien nicht ausreichend klar war. Formale Schwierigkeiten hätten sich vor allem daraus ergeben, daß die beteiligten Lehrer nicht vom Unterricht freigestellt wurden und sehr schnell aufgegeben hätten, weil sie zuviel Zeit investieren mußten. Da keine Rechner in der Schule waren, hätten sie überdies bezweifelt, ob sie je ihre Kenntnisse praktisch anwenden könnten. Die Forschungsgruppe war enttäuscht: Der Plan, daß in der zweiten Hälfte der Projektzeit schon mehrere Lehrer - inzwischen genügend eingearbeitet - den Unterricht weitgehend selbständig durchführen und damit das Team entlasten könnten, fiel ins Wasser.

Qualifizierte Ausbild erforderlich

Die CUU-Experten fordern daher eine ausreichende Anzahl von Lehrern mit EDV-Kenntnissen durch eine einheitliche und qualifizierte Lehrer-Aus-, -Weiter- und -Fortbildung. Wenn der Lehrer einen erfolgreichen Informatik-Unterricht halten will, braucht er auch einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung gegenüber seinen Schülern, es reicht nicht aus, wenn er nur programmieren kann: Er muß auch "computer-geeignete" Lehrpläne erstellen können. Darüber hinaus sollten die Informatik-Lehrer neben ihren Fachkenntnissen die Einsatzmöglichkeiten des Computers in anderen Fächern kennen.

Um diesen Forderungen gerecht zu werden, sei es nötig, schon bei der Lehrerausbildung das Fach Informatik einzuführen. Der Schwerpunkt solle dabei auf der praktischen Anwendung liegen. In der "Grundausbildung Informatik" sollen die angehenden Lehrer Probleme algorithmisch lösen und allgemeine Programmiermethoden oder grundlegende Begriffe der Programmierung beherrschen. Darüber hinaus sollte den Studenten ermöglicht werden, daß sie wahlweise auch Kenntnisse über Informationssysteme Programmiersprachen und Übersetzer, Rechnerorganisation, Betriebssysteme und Prozeßrechner erwerben können.

Lehrerfortbildung als kurzfristige Lösung

Dieser Weg über das pädagogische Studium erfordere jedoch einen Innovationszyklus von zehn Jahren (drei Jahre Lehrplanentwicklung für Studenten, fünf Jahre Studium, zwei Jahre Referendarzeit). Die traurige Bilanz: Auch in den nächsten fünf Jahren wird es keine ausgebildeten Informatik-Lehrer geben. Für kurzfristige Lösungen bliebe dann nur noch die Lehrerfortbildung. Allerdings ist sie im Moment noch mit Schwierigkeiten verbunden, weil sie fast ausschließlich auf freiwilliger Basis stattfindet, Freistellungen der Lehrer konnten bisher nicht erreicht werden. Oft haben die Pädagogen auch keine Möglichkeit, an Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen, sie müssen sich das Wissen selbst aneignen und sind dabei hauptsächlich auf die Bedieneranleitungen der Hersteller angewiesen. Damit - so die Forschungsgruppe - können keine befriedigenden Projektergebnisse erzielt werden.

Ausbilder nicht genügend vorbereitet

Ein weiteres Problem bilden die Lehrer, die Weiterbildungsveranstaltungen leiten: Sie hätten in vielen Fällen keine Gelegenheit, sich sorgfältig, systematisch und (hersteller-) unabhängig auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Die Hauptlast dieser Art der Lehrerbildung entfalle dabei auf die Lehrerfortbildungsstätten, die mit geeigneten Rechnern ausgestattet sein müssen. Dabei sollten aber die Lehrer aller Fachrichtungen - also nicht nur die der naturwissenschaftlichen Fächer - angesprochen werden sowie diejenigen, die bereits Informatik lehren oder den Computer in ihrem Unterricht einsetzen. Für eine zweckmäßige Ausbildung empfiehlt das Forschungsteam nach den eigenen Erfahrungen folgende Alternativen als Minimallösung: Kompaktkurse, die etwa zwei Wochen dauern, sowie eine anschließende Betreuung und Beratung der Teilnehmer in ihren Schulen oder gestreckte Kurse über ein halbes Jahr, mit einem wöchentlichen Zeitaufwand von etwa fünf Stunden. Ein Fortbildungsangebot an Lehrer sei auch nur dann attraktiv und sinnvoll, wenn der dadurch entstehende Zeitaufwand durch entsprechende Freistellungen ausgeglichen würde und der Kursteilnehmer erkennen könne, daß er seine neu erworbenen Kenntnisse in absehbarer Zeit in seinem eigenen Unterricht umsetzen kann.