Neues Mikroelektronikzentrum in Erlangen eingeweiht:

Forschung für die mittelständische Wirtschaft

31.08.1984

ERLANGEN (CW) - Für einen stärkeren Technologietransfer zwischen der Universität Erlangen-Nürnberg und der im Raum Nordbayern ansässigen Industrie soll das jetzt offiziell eingeweihte Zentrum für Mikroelektronik und Informationstechnik (ZMI) im Weichbild der Hochschule sorgen. Zu den Hauptaufgaben des Instituts zählen die Forschung, Entwicklung und Ausbildung auf den Gebieten "integrierte Schaltungen", "Mikroprozessoren", "rechnergestützter Entwurf integrierter Schaltungen", und "Systeme" sowie die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis der mittelständischen Wirtschaft.

"Die Leistung des ZMI besteht neben der individuellen Problemlösung vor allen Dingen in der Beratung und Schulung der Mitarbeiter eines Unternehmens", erläutert der zweite Geschäftsführer des Mikroelektronikzentrums, Diplom-Ingenieur Heinz Gerhäuser. Als besonders effektiv habe sich im Rahmen des Technologietransfers eine Einzelbetreuung erwiesen, bei der das jeweilige Projekt von der Konzeption bis zum Erstellen des Prototyps gemeinsam von einem Institutsangestellten und einem Mitarbeiter der Firma durchgeführt würde. Gerhäuser weiter: "Die Teamarbeit führt dazu, daß all solche Dinge übertragen werden, die man normalerweise nicht zu Papier bringen kann."

Keine Serienproduktion

Falls der erstellte Prototyp - es handelt sich hier sowohl um Hardware- als auch um Softwarelösungen - im Endeffekt von einem Unternehmen nicht akzeptiert wird, versucht das ZMI, sein Produkt anderweitig "an den Mann" zu bringen.

Serienproduktion jedoch soll es im ZMI keinesfalls geben. Es bleibt aber - so Gerhäuser - der einzelnen Firma überlassen, die installierten Prototyplösungen selbst einem Hersteller anzubieten. Der Geschäftsführer betont darüber hinaus, daß man kein Interesse an einer reinen Auftragsentwicklung habe: "Wir wollen keine Arbeit leisten, die auch ein Ingenieurbüro übernehmen könnte. Es kommt vielmehr darauf an, sich dort zu profilieren, wo es um Problemlösungen geht, die heute noch nicht Stand der Technik sind und ein hohes Entwicklungsrisiko enthalten."

Obwohl das ZMI erst Anfang August offiziell eingeweiht wurde, hat man dort die Arbeit schon im März aufgenommen und bereits zehn Projekte hinter sich gebracht. Zur Finanzierungsfrage sagt Gerhäuser: "Unsere Kalkulation geht von den Selbstkosten aus und berechnet außerdem einen von der Größe des Projekts abhängigen Zuschlag." Bei einem "Ein-Mann-Projekt" von beispielsweise 100 000 Mark (dabei Materialkostenanteil zirka 30 000 bis 40 000 Mark) würden 20 bis 30 Prozent aufgeschlagen.

Als einen Schwerpunkt der eigenen Arbeit nennt Gerhäuser das Design von Gate-Arrays beziehungsweise den Entwurf von Leiterplatten mit Hilfe von CAD: "Hier bieten wir nicht nur die Entwicklung an, sondern zeigen den Firmen auch, wie man eine derartige Aufgabe selbst

lösen kann. Im Bereich der elektronischen Systeme konzentriere sich das ZMI auf die Bildverarbeitung und die digitale Datenaufzeichnung, wobei kleinere Geräte als bisher zur Speicherung von 20 MB pro Standard-C90-Kassette, entwickelt werden sollen.

Ferner habe man besonders die Lösung von Schnittstellenproblemen zwischen solchen Mikrorechnern und Systemperipherien (zum Beispiel speziellen Sensoren) im Auge, die als Entwicklungssysteme für Geräteprototypen dienen.

Mittelständische Firmen "quantite negligeable"

Konkrete Angaben kann das außeruniversitäre, aber eng mit der Hochschule zusammenarbeitende Mikroelektronikzentrum schließlich auch darüber machen, warum man sich als Zielgruppe die mittelständische Wirtschaft aussuchte. Dazu heißt es in der ZMI-Satzung: "Mittelständische Firmen können aus eigener Kraft weder die Kenntnisse über die mikroelektronischen Komponenten aufrechterhalten noch das Kapital für die rechnergestützten Hilfsmittel zur Programmierung von Mikroprozessoren beziehungsweise dem Entwurf kundenspezifischer Schaltungen aufbringen. Die Halbleiterindustrie ist aus wirtschaftlichen und anderen Gründen nicht in der Lage, den Kleinanwendern Zugang zu ihren Entwurfshilfen und Produktionslinien zu verschaffen." Oder aber die Unternehmen müßten aufgrund der steigenden Nachfrage lange Wartezeiten in Kauf nehmen, so zum Beispiel bei der Personalisierung von Gate-Arrays, also der individuellen Verbindung der Bauelemente untereinander.

Im Hinblick auf konkrete Branchenlösungen hüllt man sich allerdings derzeit beim ZMI noch in Schweigen. Heinz Gerhäuser: "Im Moment dürfen wir weder Roß noch Reiter nennen." Man habe sich verpflichtet, die Identität der Auftraggeber nicht zu verraten. Wie der stellvertretende Geschäftsführer in diesem Zusammenhang weiter ausführte, sei es erstaunlich, wie wenig Information der Konkurrenz Aufschluß über einzelne Entwicklungslinien geben könne. Erst wenn einzelne Produkte bei Messen offiziell vorgestellt oder aber von Herstellern vermarktet würden, sei eine Bekanntgabe von Anwenderadressen möglich.

Den Stein bei der Gründung des Mikroelektronikzentrums ins Rollen gebracht hatte ein im vergangenen Jahr von der Industrie- und Handelskammer Nürnberg ins Leben gerufener Förderkreis, dem inzwischen 60 Mitglieder angehören. Bei den Geldgebern, die insgesamt Spenden in Höhe von 4,5 Millionen Mark bereitstellten, handelt es sich neben mittelständischen Unternehmen um Banken, Städte und den Bezirk Mittelfranken.

Der Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer Nürnberg, Volkmar Schart: "Die starken Eigenleistungen der Wirtschaft trugen sehr wesentlich dazu bei, daß die Sache überhaupt zustande kam."

Nach der Genehmigung des ZMI durch die Bayerische Staatsregierung gewährte auch das Wirtschaftsministerium des Freistaats finanzielle Unterstützung. Zunächst einmal stellte es für die Aufbauphase des Instituts zwei Millionen Mark zur Verfügung. Den Angaben der Nürnberger Industrie- und Handelskammer zufolge sind aber von dieser Seite weitere 20 Millionen Mark an Zuschüssen in Aussicht gestellt worden. Langfristig gesehen ist ein Anschluß des ZMI an die Fraunhofer Gesellschaft geplant. Parallel zum Aufbau des Mikroelektronikzentrums wurden an der Universität Nürnberg-Erlangen übrigens auch ein Stiftungslehrstuhl " Integrierte Bauelemente " und ein Lehrstuhl "Integrierte Schaltungen" geschaffen.