Forrester: Wenig Innovation

21.12.2004
Von Andrew Parker
Auch 2005 ist nicht mit bahnbrechenden Neuerungen zu rechnen. Dennoch gibt es Highlights: Open-Source-Software im Business, unternehmensweite Architekturen und das digitale Heim.

Aus Anwenderseite ist eine weitere Konsolidierung zu erwarten. Die immer engere Verzahnung zwischen Informations- und Kommunikationstechnik sowie das Streben nach effizienteren Geschäftsprozessen werden sich als einer der wichtigsten Faktoren erweisen, die 2005 die Investitionen in Technologie beeinflussen werden.

Für die nächste Generation der IT-Architektur sind die Grundsteine bereits gelegt. Wie die Web-Architektur auf dem Client-Server-Modell aufgesetzt und es abgelöst hat, werden neue Modelle Synergien zwischen vielen technischen Entwicklungen nutzen, die bereits implementiert oder in Arbeit sind. Das Ziel lautet, serviceorientierte IT-Strukturen zu schaffen. Dadurch werden Unternehmen ihre eigenen Ressourcen viel besser nutzen, auf neue Entwicklungen schneller reagieren und dem Kundenbedürfnissen effektiver und nachhaltiger Rechnung tragen können.

Auf das Web folgt das X-Internet. Es besteht aus einer Reihe von Technologien, die unter-nehmensweite und externe Informationssysteme mit Geräten, Produkten und Personen verbinden. Dazu gehören RFID-Tags, biometrische Identitätserkennung, WiFi und telemetri-sche Sensoren. Sie werden dafür sorgen, dass das Internet wie auch Intranets weit über die zurzeit noch üblichen PC-basierenden Netzwerke hinaus zu Instrumenten der Veränderung von Geschäftsprozessen und -modellen werden. Allerdings drohen mangelnde Datensicherheit, fehlende Standards, hohe Kosten sowie die Probleme des Netz- und Daten-Managements die Nutzung dieser Möglichkeiten zu verzögern oder - in manchen Fällen - sogar zu verhindern.

Open-Source-Integrationslösungen in geschäftskritischen Umgebungen werden weiter an Bedeutung gewinnen. Der Erfolg von Open-Source-Applikationsplattformen wie Jboss, der Apache Software Foundation und Jonas dürfte sich hier als hilfreich erweisen. Vieles hängt aber davon ab, ob aus der fragmentierten Szene, die sich der Integration von Open-Source-Software verschrieben hat, Firmen hervorgehen, die mit den Anbietern kommerzieller Applikationsplattformen konkurrieren können.

Offshore und Outsourcing gewinnen an Fahrt

Outsourcing und Offshoring werden 2005 in Europa an Fahrt gewinnen, aber nur in bestimmten Branchen und Regionen. Häufig stehen noch Sicherheitsaspekte und der Widerstand des lokalen Managements großen, globalen Vereinbarungen entgegen. Beispiele umfangreicher, internationaler Outsourcing-Verträge wie sie AXA Tech, Michelin, Schneider Electric, Thyssen Krupp und Philips abgeschlossen haben, erregen zwar viel Aufmerksamkeit in den Medien, stellen aber Ausnahmen dar. Die meisten anderen Unternehmen warten zunächst ab, wie sich diese Deals entwickeln, bevor sie selbst Entscheidungen treffen. Forrester erwartet, dass viele von ihnen zunächst selektive, kleinere Outsourcing-Verträge ins Auge fassen, um Erfahrungen zu sammeln und sich nicht in unerwünschte Abhängigkeiten zu begeben. Auch in diesem Sektor kommt es zu einer weiteren Marktkonsolidierung durch Übernahmen und Zusammenschlüsse .

"Digital Home" entwickelt sich vom Nischen- zum Massenmarkt. Netzwerke werden das Zuhause versorgen. Die ganze Familie kann für Unterhaltung, Kommunikation und anderen Anwendungen darauf zugreifen. Das Voranschreiten von MP3, digitaler Fotografie und Mobil-telefonie werden als Treiber wirken. Als "Killerapplikation" kommen unter anderem Video auf Abruf, flexible Datenspeicherlösungen und eine verbesserte Sprachkommunikation in Frage - vorausgesetzt, es wird entsprechend attraktiver Content zu vertretbaren Kosten geliefert.

Wie viele und welche Geräte sich schließlich als Renner erweisen oder als Ladenhüter mit einem großen Preisabschlag zur Versteigerung bei Ebay landen werden, hängt nach Ansicht der Forrester-Experten von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehört unter anderem, wie viele Haushalte sich für einen Breitband-Internet-Zugang entscheiden. Bei Forrester schätzt man, dass im Jahr 2008 rund 64 Millionen Haushalte in den Vereinigten Staaten und rund 50 Millionen in Westeuropa über Breitbandan-schlüsse verfügen werden. Die Breitbandnutzer schieben das Geschäft an. Sie tummeln sich länger online und benutzen mehr Geräte wie MP3-Player, Smartphones, Digitalkameras und digitale Videorekorder als der Normalbür-ger. Neue Online-Digital-Content-Services wie zum Beispiel Apples iTunes erhöhen die Attraktion.

Mobiltelefone und PDAs werden smarter, aber das Smartphone wird in einer Marktnische bleiben. Obwohl die Verkäufe des Treo 600 von Palm boomen, Blackberries von Research in Motion überall zu finden sind und neue Modelle von manchen Zeitgenossen sehnsüchtig erwartet werden, sind solche Geräte in erster Linie für Geschäftszwecke gedacht und üben auf Privatanwender nur begrenzte Anziehungskraft aus. Gleichzeitig dürften die Verkäufe von Mobiltelefonen mit Kamerafunktion den Absatz von Digitalkameras übertreffen, nicht zuletzt, weil sie von den Service-Providern stark subventioniert werden. Weiteren Zulauf werden Geräte finden, die mehr auf Daten- als auf Sprachkommunikation ausgelegt sind. Beträchtlichen Zulauf dürften auch die neuen Spielkonsolen finden, deren Markteinführung Microsoft, Sony und Nintendo für 2005 angekündigt haben, selbst wenn sie voraussichtlich frühestens im Schlssquartal dieses Jahres erhältlich sein werden.

Konsolidierung lautet dagegen das Stichwort für den Sektor Enterprise-Infrastructure- Management. Man rechnet damit, dass eine Reihe kleinerer Anbieter, die innovative Produkte entwickelt haben, von Konzernen übernommen wird - so wie das bereits 2004 der Fall war. 2004 haben Unternehmen wie BMC, Compuware, Hewlett-Packard, IBM, Mercury Interactive und Quest zahlreiche solcher Firmen aufgekauft. Dieser Trend dürfte 2005 anhalten. Gleichzeitig wird Microsoft in diesem Marktsegment weiter an Boden gewinnen.

Für E-Procurement und E-Sourcing-Applikationen werden gegenläufige Trends erwartet. In einigen Bereichen kann mit wachsender Nachfrage, in anderen mit gedämpfter oder gar rückläufiger gerechnet werden. Einige Unternehmen und Behörden sehen sich noch immer dem Problem gegenüber, die Kosten weiter senken zu müssen - und werden daher die Beschaffung von Waren und Dienstleis-tungen über das Internet forcieren.

Voice over IP verändert TK-Märkte

Auf der anderen Seite sind aber in etlichen Fällen die Einsparungen deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auch hier dürfte sich die bereits 2004 zu beobachtende Tendenz zu Fusionen und Übernahmen fortsetzen. Mögliche Übernahmeziele bilden Firmen mit besonderem Know-how wie Zycus oder Combine-Net sowie kleinere Anbieter, die attraktive Kunden haben. Auch "Zusammenschlüsse unter Gleichen" wie zum Beispiel Perfect und Ketera liegen in der Luft.

Der Markt für Telekommunikation wird im Jahr 2005 stark durch die Umstellung der Kommunikationssysteme vieler Firmen auf Voice over IP geprägt werden. IP-Telefonie dürfte vor allem in großen Unternehmen immer häufiger als Plattform für Sprachkommunikation eingesetzt werden. Zahlreiche Firmen verfolgen entsprechende Pläne oder implementieren die Technologie bereits. Sie ersetzen damit sukzessive ihre bestehenden Nebenstellenanlagen. Allerdings besteht für die meisten von ihnen im Moment kein besonderer Grund, diesen Austausch zu forcieren. Man folgt den normalen Update-Zyklen. Für die Telekommunikationsanbieter bedeutet das, dass sie ihre Produkte und Services immer stärker gegen den Wettbewerb abgrenzen müssen, auch hinsichtlich ihrer Preisvorstellungen. Ihr Erfolg hängt stark von neuen Funktionen ab, die sie in ihre Systeme einbauen. (cwi)