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Formate veralten: Alle Jahre wieder droht das Datenchaos

20.01.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - So ganz neu ist die Warnung zwar nicht. Aber mit dem zunehmenden Übergang auf die neue Medien- beziehungsweise Archivierungsgeneration der CDs und DVDs spielt sich das Problem der mangelnden Kompatibilität von unterschiedlichen Datenträgern wieder in den Vordergrund. Vor Jahren schon schlugen sich IT-Verantwortliche mit dem Problem herum, wie sie Unternehmensdaten von ihren technisch veralteten Bandsystemen auf aktuelle Speichermedien übertragen können. Was schon vor einem Jahrzehnt und früher große Kopfschmerzen bereitete, ist heute nicht minder schwierig. Neu ist, dass heutzutage Anwender häufig glauben, durch die Fixierung von Daten auf CD- respektive DVD-Scheiben könnte man diese für alle Ewigkeit konservieren. Diese Meinung ist zwar prinzipiell nicht falsch, denn löschen lassen sich Daten von den Silberscheiben nur dann, wenn man sich wirklich sehr ungeschickt verhält.

Das eigentliche Hindernis sind Datenformate, die sich mehr oder weniger ständig ändern. Jeder, der einmal versucht hat, beispielsweise Word-Dateien von einer alten in eine aktuelle Word-Version zu übertragen, kennt die Hemmnisse. Microsoft ist dabei notorisch, Datenformate seiner Office-Suiten ständig zu ändern. Aber auch ein weltweit eingeführter, weil offener Standard wie das JPEG-Format wird spätestens mit Version JPEG2000 Anwender in Verlegenheit stürzen. Denn diese Version des Bilddatei-Standards komprimiert Daten anders als Vorgängerversionen. Aber auch wenn die Migration von einem Formatstandard auf einen anderen vordergründig ohne Probleme bewerkstelligt werden kann, gehen unmerklich doch oft Informationen verloren. Formatierungen können sich ändern, Colorierungen fallen anders aus etc. So vergleicht denn auch Jeff Rothenberg, Spezialist für Daten-Konservierungen bei der Rand Corp., in einem Gespräch mit dem "Wall Street

Journal" die Migration von Daten von einem JPEG-Standard auf den nächsten mit dem Versuch, Picasso-Gemälde zu konservieren, indem man sie alle paar Jahre neu malt.

Forscher wollen dem Dilemma der mangelnden Datenkonvertierungsoptionen begegnen, indem sie an dem Konzept eines universellen virtuellen Computers arbeiten. So möchte etwa IBMs Forschungsingenieur Raymond Lorie einen Befehlssatz entwickeln, den heutige wie auch künftige PCs "verstehen". Die Idee dahinter: Wenn nun Unternehmen wie Adobe oder Microsoft etc. neue Versionen ihrer Anwendungen auf den Markt bringen, liefern sie gleich Tools mit, die kompatibel sind zu diesem universellen Befehlssatz. Sagt sich allerdings leichter, als getan, wenn man bedenkt, dass beispielsweise allein Adobes "pdf"-Format auf nicht weniger als knapp tausend Seiten dokumentiert wird.

Da viele Firmen ihre unternehmensrelevanten und personenbezogenen Daten mittlerweile auf CDs archivieren, Gerichte juristische Entscheidungen auf die gleiche Weise konservieren, Krankenhäuser ihre Krankeninformationen auch auf digitale Weise verarbeiten und abspeichern, ist die Problematik der Datenmigration aber auf jeden Fall von zunehmender Bedeutung, eine Lösung aber noch nicht in greifbarer Nähe. Wohl aus diesem Grund hatte die "New York Times" sich zur Jahrtausendwende entschieden, in eine "Jahrtausend-Zeitkapsel" Dokumente zu verschließen, die nicht digital abgespeichert, sondern auf archivfestem Papier und langlebigen Nickelplatten verewigt sind. Ursprünglich habe die Redaktion digitale Speichermedien bevorzugen wollen. Man habe den Redakteuren aber geraten, konventionellen Speichermedien zu vertrauen. Denn wenn man etwas für das Jahr 3000 speichern wolle, sollte man tunlichst die Finger von elektronischen Medien lassen. (jm)