Informationsanalyse statt Organisations-Strukturuntersuchung

Folge 22

03.04.1981

Welche Struktur das Element in seinem lnneren aufweist und auf Grund welcher Gesetzmäßigkeiten eine Reaktion zustande kommt, braucht nicht bekannt zu sein. Die Übergangsfunktion kann auch empirisch durch Variationen des Inputs ermittelt werden. Das nach beliebigen Kriterien definierte Element kann als Schwarzer Kasten angesehen werden. Diese ursprünglich aus dem Bereich der Elektrotechnik stammende Bezeichnung bezieht sich auf ein System, an dem nur die Reaktionen auf Inputs verschiedener Art beobachtet werden können, dessen innere Struktur jedoch unbekannt ist. Die Betrachtungsweise ermöglicht es, große Systeme in eine überschaubare Zahl von Elementen zu untergliedern. Diese können wiederum Untersysteme darstellen, deren Struktur dem Betrachter des Gesamtsystems jedoch nicht zugänglich ist. So besteht ein Unternehmen aus einer Anzahl von Abteilungen, diese wiederum aus Unterabteilungen oder Stellen, welche ihrerseits aus Menschen konstituiert sind. Der Unternehmensleitung brauchen die Einzelheiten der Struktur bestimmter Unterabteilungen nicht bekannt zu sein. Es wird allerdings beobachtet, ob die Übergangsfunktionen der Elemente das gewünschte Ergebnis liefern. Beruht das Ergebnis der Kommunikation wiederum aus lnformationen, so ist jede Kommunikationsbeziehung mit einem Wirkungsgrad ungleich Null durch Informationen abbildbar. Die Wahrnehmung oder der entschlüsselbare Wissensgehalt anderer Beziehungen als die zur Weitergabe geeigneten Informationen, also einfache bis komplexe Sinneswahrnehmungen, gesellschaftliche Tatbestände und so weiter, lassen sich schließlich ebenfalls in Informationen (zuordenbaren Kommunikationssignalen) ausdrücken. Insofern besteht in der neueren Soziologie gegenüber der Kybernetik nur ein Verfahrensunterschied, das ist die

Feststellung der Beziehungskategorie, die bei den Technikern weniger abstrakt ausfällt. Letztere abstrahieren jedoch stärker nach der physikalischen Struktur, das heißt, in der Kausalität der syntaktischen Ebene. Kybernetiker kennen dazu noch die semantische Beziehung und die pragmatische Stufe in der Zeichentheorie (Semiotik) .

Eine weitere Definitionsschwierigkeit ergibt sich aus dem unterschiedlichen Verhalten der Elemente eines Systems im Zeitablauf. Ein System kann auf statistische Gleichgewichtsbeziehungen in seinen Variablen ausgelegt werden. Wo der Stabilitätsgedanke, insbesondere für die Struktur einer Institution im Vordergrund steht, dürfte es keine Zeitunterschiede zwischen Erkennung von Störungen und Maßnahmen im System geben. Das Reagieren wird zur Routine. Bei einem dynamischen System dagegen durchlaufen die variablen Elemente Zustandsänderungen in unterschiedlicher Reaktionszeit. Partielle Gleichgewichtszustände herrschen in einem "Prozeß" nicht mehr vor.

Sowohl die klassische Wirtschaftstheorie als auch die klassische Organisationstheorie kannten die Prozeßdynamik nicht. Das Gleichgewichts- oder synonym das Stabilitätsdenken übte seinen Einfluß auch in der Verwaltungslehre aus. Kompliziertere Strukturen, die obendrein nur noch dynamisch zu verstehen sind, kommen mit der grandiosen Vereinfachung auf zeitgleiche Zweck/Mittel-Beziehungen nicht mehr aus. Es hieße einem Kommunikationssystem eine völlig einseitige Zweckbindung zu unterstellen, wenn erstens alle Reaktionen bereits vorprogrammiert wären und zweitens die durch Informationen auszulösende Kommunikation zur verwaltungstechnischen Routine erstarrt. Konstanz und Varietät sind Gegensätze. In der Verwaltung sollten die Zweckmodelle zugunsten von frei programmierbaren kommunikativen Systemmodellen aufgegeben werden.

Wir sind noch bei der Betrachtung eines kybernetischen Modells. In der Systemtheorie wird noch das homöostatische Modell genannt. Sowohl Homöostatik als Kybernetik fanden ihre Befürworter. Die einen kamen von den biologischen Prozessen her, die anderen von der Informationstheorie und dem Maschinenbau. Die einen werten die Eingangsinformationen für einen Organismus, die anderen die Ausgangsinformationen im Sinne einer Systemleistung. Es ist bei technischen Reglern nicht zu verkennen, daß sie mit der Leistung stets ein Optimum anstreben. Wir haben vorhin bekannt, daß die Stabilisierung eines Systems auf einem höheren Niveau nicht zwangsläufig die Teiloptima alle durchlaufen muß, und daß dieses kaum zeitlich synchron erfolgt. Einem System werden aus seiner Umwelt und der Varietät eigener Handlungen oft nur beschränkte Reaktionszeiten zugebilligt. Diese führen zu unteroptimalen Entscheidungen. Alternative Handlungen bleiben auf der (Regel-)Strecke, sofern diese nur für schnelle Routinen ausgele??? worden ist, (vgl. Niklas Luhmann zu "Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten" in Politische Planung, Opladen 1971). Die Zeit an sich dürfte durch die Vorwegnahme bestimmter Erwartungshandlungen nicht künstlich eingeengt werden. In der Organisationstheorie wird sauber zwischen Wichtigkeit und Dringlichkeit unterschieden. Das heißt, es gibt keine konstante Beziehung zwischen der Relevanz einer Sache und den Fristen zu ihrer Entscheidung.

Eine gute Dokumentation überbrückt die Zeiträume von der Quellen- bis zur Benutzerzeit. Falls sie ein allgemein umfassendes Wiederauffinden erlaubt, kann der Dokumentar auch Quellenmaterial aufspüren, dessen Relevanz bei der Erstaufnahme unbestimmt blieb. Für die Informationsanalyse werden daher Wichtigkeit von Informationen und Kommunikationen wie in einem Relationen modell von Begriffen gehalten, wobei die relative Aktualität entsprechend den Anforderungen der Benutzer verschieblich gestaltet werden kann. Es erscheint falsch, die sachlichen Präferenzen und einen zwangsläufigen Termindruck von vornherein als an die Organisationsstruktur gebunden - das heißt als strukturtypisch- zu betrachten.

Wird fortgesetzt