Ratgeber - Troubleshooting im Netz (Teil 2)

Flüssiges Videoconferencing im IP-Netz

28.02.2011
Von Benjamin Kolbe

Planung eines Konferenznetzes

Ein gefiltertes TAP im Netz misst die Videoperformance.
Ein gefiltertes TAP im Netz misst die Videoperformance.
Foto: Nextragen

Alle bislang genannten Parameter müssen bei der Planung eines Videokonferenzsystems im Netz berücksichtigt werden, denn sie wirken sich direkt auf das Netz und die darin genutzten Koppelkomponenten aus. So geht man heute davon aus, dass ein einzelner HDTV-Datenstrom eine konstante Übermittlungsrate von 3 Mbit/s benötigt. Da es sich bei Videoconferencing um eine bidirektionale Kommunikationsform handelt, müssen diese Bandbreiten in beiden Richtungen zur Verfügung stehen. Vor dem Betrieb von Videoanwendungen muss man das Netz darauf untersuchen, wie viel Bandbreite bereits durch andere Applikationen belegt ist. So ist zu ermitteln, wie viele gleichzeitige Videokonferenzen durch das Netz geleitet werden können. Als Faustformel für die Berechnung des benötigten Bandbreitenbedarfs gilt: Bandbreitenanforderung des verwendeten Codec multipliziert mit der gewünschten Zahl von parallelen Videokonferenzen.

Ein alter Bekannter aus VoIP-Zeiten ist das Thema Priorisierung. Nur eine Priorisierung auf einer Ende-zu-Ende-Ebene garantiert die Echtzeiteigenschaften im Netz, wie sie etwa für Videoconferencing erforderlich sind. Sie muss im gesamten Datenpfad ordnungsgemäß nach den Regeln von Diffserv (RFC2474, RFC 2475) konfiguriert und mit den Queuing-Mechanismen in den Switches und Routern abgestimmt werden. Die Echtzeiteigenschaften des Videos lassen sich somit durch eine durchgängige Priorisierung der Datenströme garantieren. Das setzt jedoch die einwandfreie Funktion der Übertragungsstrecken und der darin enthaltenen Netzkomponenten voraus. Kleinste Abweichungen und Probleme können bei Echtzeitanwendungen bereits die Bild- oder Tonqualität verschlechtern. Bei Sprache und anderen Tönen kommt es zu Knack- und Hintergrundgeräuschen. Bei Videokonferenzen entstehen Bildfehler und Aussetzer. Folgende Netzwerkfehler haben entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Übertragung:

  • Jitter: dient der Angabe von Laufzeitschwankungen (gemessen in Millisekunden) zwischen aufeinanderfolgenden Paketen im Videostrom. Im Idealfall kommen die übermittelten Pakete in den gleichen zeitlichen Abständen beim Empfänger an. Dies entspricht einem Jitter-Wert vom null Millisekunden. Durch Kabel und Übertragungsgeräte (Netzadapter, Switches, Router) tritt aber immer eine gewisse Verzögerung zwischen Sender und Empfänger auf. Mit Hilfe eines Jitterpuffers wird dieser Effekt in gewissen Bereichen ausgeglichen. Ein größerer Jitterpuffer verlängert allerdings die Verzögerung. Kann der Jitterpuffer ein Paket aufgrund eines zu großen Jitters nicht mehr ausgleichen, verwirft er es. So geht das Paket verloren.

  • Verzögerung: Als Delay ist die Zeit festgelegt, die ein Paket benötigt, um vom Sender zum Empfänger zu gelangen. Diese Zeit wird unter anderem durch die Anzahl der Netzkomponenten bestimmt. Eine zu hohe Verzögerung kann dazu führen, dass sich die Gesprächspartner gegenseitig ins Wort fallen oder die Lippensynchronität beim Video verloren geht. Die Ende-zu-Ende-Verzögerung (in einer Richtung) sollte laut ITU-Spezifikation G.114 den Wert von 150 Millisekunden nicht überschreiten.

  • Paketverluste: Bei der Übertragung über ein IP-Netz kann es zu Paketverlusten kommen. Da UDP und RTP keinen Sendewiederholungsmechanismus kennen, werden auftretende Paketverluste durch RTP lediglich registriert. Bei Paketverlusten gehen daher wertvolle Informationen aus dem Übertragungsstrom unwiederbringlich verloren. Gespräche können noch bei Paketverlustraten von bis zu fünf Prozent geführt werden. Bei Video treten bereits bei 0,001 Prozent sichtbare Fehler auf.