IT in Versicherungen/IT-Unterstützung für Produktgenerierung und Kommunikationsvorlieben

"Flexible Sourcing" für die Versicherungs-IT

16.02.2001
Veränderung ist angesagt, gerade für Versicherungsunternehmen, die oft auf ihre stabile Datenhaltung stolz sind. Es geht darum, IT-Innovationen differenziert nach Markt- und Kommunikationstrends einzusetzen. Von Michael Sarbacher*

Nach der Liberalisierung des Versicherungsmarktes in den vergangenen Jahren steht der Assekuranz nun - als direkte Folge - das stark veränderte Verhalten ihrer Kunden als neue Herausforderung ins Haus. Gleichzeitig muss die Branche auf den hohen Wettbewerbsdruck reagieren. Hinzu kommt die Nachfrage nach ganzheitlichen, Lebensphasen-orientierten Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzepten: Neben dem Angebot preisgünstiger standardisierter Produkte sollen künftig auch die Kommunikationsvorlieben sowohl der Kunden als auch der Mitarbeiter und Partner einen vorrangigen Platz in den Überlegungen der Versicherungsstrategen bekommen.

Dabei haben Versicherungen mit den Banken vor allem eines gemeinsam: Sie müssen sich von reinen Produktfabriken zu Lösungsanbietern entwickeln, was eine auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittene Geschäfts-, Prozess- und damit auch IT-Architektur voraussetzt. Dekomposition, Modularisierung und Vernetzung müssen die zukunftsorientierte, offene Finanzarchitektur kennzeichnen, die als gemeinsames Zielbild sowohl für die Ausgestaltung der Geschäfts- als auch der IT-Architektur dienen kann.

Insofern erscheint es logisch, dass die Neuausrichtung des IT-Bereiches - schließlich sollen neue, vernetzte Geschäftsmodelle möglich gemacht werden - neben Marktkonzentration und E-Commerce ganz oben auf der Liste der Zukunftsthemen steht. Hier ist ein Change-Management für den IT-Bereich gefragt.

Die Ziele der Veränderung müssen klar herausgearbeitet werden. Hierbei stellen sich folgende Fragen:

-Geht es um die Zusammenführung mehrerer IT-Einheiten, um kritische Massen und Synergien zu realisieren?

-Soll die IT als eigenes marktfähiges Geschäftsfeld etabliert werden, oder sind unternehmerische Freiräume im Hinblick auf Innovationen und damit eine höhere Attraktivität auf dem engen Markt für IT-Personal das Ziel?

Für eine IT-Neuorganisation gibt es dabei grundsätzlich zwei Wege: zum einen die interne Optimierung und zum anderen die Ausgründung in ein eigenständiges Unternehmen. Sowohl für die Optimierung als auch für die Ausgründung können weitere Gestaltungsoptionen wie der Aufbau eines Companion-Netzwerkes oder die Bildung von Kooperationen angedacht werden.

Generell ist für die IT-Organisation eine Zielstruktur gefragt, die einerseits konsequent kundenorientiert ist und andererseits unterschiedliche Antworten auf die "Make-or-Buy-Frage" zulässt. Insofern folgt sie der Geschäftsorganisation nach dem Open-Finance-Modell. Outsourcing wird nicht zum Selbstzweck, "Sourcing-Fitness" ist gefragt und wird so zum zentralen Ansatz.

Die Zielstruktur stellt das "gemeinsame Bild" dar, auf das es sich auszurichten gilt. Kunden und Leistungsprozesse, nicht "Kästchen" müssen im Vordergrund stehen.

Die Grundstruktur bildet gleichzeitig den "Container" und die "Checkliste" für alle zu lösenden Fragen . Die eigentlich Lösungsgestaltung konzentriert sich dabei auf

- das Marktmodell (Aufbau einer professionellen Kunden-/Lieferantenbeziehung zwischen Informations-Management und IT-Dienstleister)

- die Organisation (Organisation des IT-Dienstleisters zum Beispiel in Form eines marktorientierten Systemhauses )

- die Prozesse (zum Beispiel Optimierung des RZs in Richtung Serviceorganisation)

- die Strategie (der Business-Plan basiert auf dem Grundauftrag des IT-Dienstleisters und konkretisiert die Umsetzung)

- die IT-Steuerung und das Berichtswesen (Entwicklung eines Lebenszyklus-orientierten IT-Controllings: IT-Strategie, IT-Planung, Umsetzungs- und Systemcontrolling)

- die Standortfrage (zum Beispiel der Aufbau von Kompetenz-Centern als wesentliches inhaltliches Gestaltungselement).

Eine Veränderung des IT-Bereiches erfolgt sinnvollerweise in den drei Phasen, Planung und Grundkonzept (zwei bis drei Monate), Umsetzung (sieben bis neun Monate) und Optimierung. Weil es sich um eine sehr komplexe Aufgabenstellung handelt, müssen alle Ergebnis- und Projektstrukturen transparent und verständlich sein.

Da es sich hierbei nicht um eine mechanistische und damit deterministische Veranstaltung handelt, muss Change-Management nicht nur integraler, sondern zentraler Bestandteil des gesamten Vorhabens sein.

Insgesamt sind während des Prozesses folgende Faktoren konsequent zu beachten:

- Führung: Die erste und zweite Führungsebene sollte so früh wie möglich benannt sein, um eine aktive Rolle in dem Umgestaltungsprozess übernehmen zu können.

- Betriebswirtschaft: Die sehr frühzeitige Benennung und Einbindung des kaufmännischen Leiters und der Aufbau eines soliden kaufmännischen Know-hows im Führungskreis sind unabdingbar.

- Mitarbeiter: Die IT-Führungskräfte und IT-Mitarbeiter müssen von der Lösung überzeugt sein und sie mit ausgestalten.

- Technologie: Die Entscheidung über die zum Beispiel nach einer Fusion einzusetzenden IT-Technologien sollte schnell getroffen und anschließend unmittelbar umgesetzt werden.

- Konzept: Ein klares Konzept und ein straffes Projekt-Management sind unabdingbar; die Interessenlagen der beteiligten Bereiche/Gesellschaften müssen vorab geklärt sein, zum Beispiel das Timing. Der Prozess muss zügig ohne Verzögerungen durchgeführt werden.

Fazit: Die beschriebene Vorgehensweise und die Open-Finance-Zielstruktur versetzen Versicherungsunternehmen in die Lage, ihre IT-Organisation sowohl kundenorientierter, effektiver und effizienter zu gestalten als auch sie strukturell so auszurichten, dass sie im Sinne zukunftsorientierter Finanzdienstleistungsnetzwerke buchstäblich vernetzbar sind. Das eröffnet die überaus wichtige Option, Geschäfts- und IT-Einheiten nicht nur "im Großen", sondern auch "im Kleinen" zu fusionieren und so flexible, leistungs- und damit marktfähige Strukturen zu schaffen.

* Michael Sarbacher ist Management-Berater und Partner bei der Plenum AG in Wiesbaden.

Abb.1: IT-Organisation

IT-Architektur und -Organisation sollten auf heutige und künftige Kundenbedürfnisse zugeschnitten sein. Quelle: Plenum

Abb.2: Wege der Weiterentwicklung

Vernetzte Geschäftsprozesse erfordern eine IT-Organisation, die auf unterschiedliche Ressourcen und Gestaltungsoptionen zurückgreifen kann. Quelle: Plenum