FLAG verlegt laengstes Seekabel der Welt Die Telekom bucht Leitungen im Reich der Haie und Schiffsanker

29.09.1995

LONDON (pg) - "Volle Kraft voraus" lautet jetzt das Kommando fuer eines der international groessten TK-Projekte. In Erfuellung der Mission "FLAG" (Fibreoptic Link around the Globe) werden in Kuerze mehrere Schiffe die Anker lichten, um das laengste Seekabel der Welt zu verlegen. Mit einer Gesamtlaenge von rund 27000 Kilometern soll es ab September 1997 Europa mit dem Fernen Osten und Asien verbinden und Netzbetreibern Leitungskapazitaeten nach Bedarf liefern.

Wenn im November dieses Jahres die Kabelleger in See stechen, wird es sich um ein Novum handeln. Erstmals sind nicht oeffentliche Carrier die Auftraggeber, sondern ein Konsortium privater Investoren. Deren Ziel ist, Uebertragungsleistungen des Seekabels an nationale sowie internationale TK-Anbieter zu vermieten. Insgesamt muessen die sechs in FLAG Limited, London, organisierten Geldgeber rund 1,6 Milliarden Dollar fuer das gesamte Vorhaben vorschiessen (siehe Lexikothek, Seite 24). Rund 1,2 Milliarden Dollar davon entfallen auf das eigentliche Kabelsystem sowie die Landungspunkte in zwoelf Staaten auf der Seeroute. Im einzelnen sind dies Grossbritannien, Spanien, Italien, Aegypten, die Vereinten Arabischen Emirate, Indien, Thailand, Malaysia, Hongkong, Korea, China und Japan.

99 Prozent aller installierten Unterwasserkabel sind Eigentum von Carriern weltweit, die Projekte dieser Art bisher immer in eigener Regie vorfinanzierten.

"Mit zunehmendem Wettbewerb unter den Netzbetreibern wird es fuer diese immer schwieriger werden, selbst in kostspielige Verkabelungen zu investieren", glaubt Joseph Timpanaro, Chairman der FLAG Limited. Er ist deshalb vom Erfolg des Unternehmens ueberzeugt und rechnet bereits fuenf Jahre nach Inbetriebnahme der Verbindung mit dem Return on Investment.

Klappt alles wie geplant, dann sollen am 6. September 1997 offiziell die ersten Daten vom Stapel laufen. Nach Ansicht der FLAG-Strategen auf einem Seekabel, das technisch State of the art ist und eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren hat. Mit der Anwendung der Technologie Synchronous Digital Hierarchy (SDH) duerfte FLAG, was den internationalen TK-Standard der Zukunft betrifft, auf dem richtigen Kurs liegen. Das Verfahren erlaubt Daten-, Sprach- sowie Bildkommunikation.

Zur weiteren Technik: Die gesamte FLAG-Kapazitaet wird ueber vier Glasfaserstraenge realisiert. Jedes der beiden Lichtwellenpaare arbeitet mit einer digitalen Transferrate von fuenf Milliarden Bits in der Sekunde - sprich 5 Gbit/s. Optische Verstaerker im Abstand von 40 bis 70 Kilometern sorgen fuer die Aufbereitung der Signale. Ueber die 120000 Sprachkanaele koennen gleichzeitig 600000 Telefonate uebertragen werden.

Die Segmente des FLAG-Kabels sollen laut Timpanaro in erster Linie als Alternative zu Satellitenverbindungen vermarktet werden. Als Vorteile fuehrt der FLAG-Boss mehr Sicherheit bei Uebertragungen, geringere Fehlerraten beim Point-to-point-Transfer, keine Anfaelligkeit gegen elektromagnetische Stoerungen sowie eine bessere Tonqualitaet ins Feld. 97 Prozent der Kommunikation in den arabischen Staaten wird dem Manager zufolge derzeit ueber Satelliten abgewickelt. Hier koennte das Seekabel, so seine Vision, fuer PTTs eine sinnvolle Option verkoerpern.

Ein weiteres Plus sehen die Investoren in der Anbindung der Handelszentren Hongkong, Tokio, Suedkorea und vor allem des Zukunftsmarktes China. Das Reich der Mitte wird nach einer Vereinbarung zwischen FLAG und dem Chinese Directorate General of Telecommunications ueber den Landepunkt Shanghai an die Route angeschlossen. Zur Zeit verfuegt China mit einer Bevoelkerung von rund 1,2 Milliarden Menschen nur ueber 20 Millionen Telefonleitungen. Bis zum Jahr 2000 soll das Netz auf 70 Millionen Verbindungen ausgebaut werden.

Damit das Projekt keinen Schiffbruch erleidet, haben die Verantwortlichen fuenf Jahre Vorarbeit geleistet, ehe jetzt der Befehl "Leinen los" fuer die Schiffe von Cable & Wireless, AT&T SSI und Kokusai Denshin Denwa erfolgte. Im Vorfeld wurden laut FLAG die Investoren ausgewaehlt und Studien zur Finanzierung sowie ueber den optimalen Routenverlauf zu Wasser und zu Land erstellt. Darueber hinaus wurden Vertraege mit Herstellern geschlossen, die bereits das noetige Equipment fuer das Kabelprojekt produzieren.

Entscheidende Gruende, gruenes Licht fuer den letzten Abschnitt des Vorhabens zu geben, sind laut Timpanaro aber auch die Vereinbarungen mit mehr als 40 Netzbetreibern zum Kauf von FLAG- Kapazitaeten gewesen.

Darunter befinden sich auch die zwoelf fuer Landungspunkte verantwortlichen TK-Gesellschaften. John Parry, President der fuer die FLAG-Vermarktung zustaendigen Nynex Network Systems, nannte auch die Deutsche Telekom AG als einen der Unterzeichner.

"Die Telekom AG ist einer der groessten Auftragnehmer", sagte Parry, raeumte aber ein, dass der Telekom-Partner France Telecom noch nicht an Bord sei. Auf Anfrage der CW in Bonn bezifferte ein Sprecher des deutschen Carriers das georderte Volumen mit rund 1000 permanenten Verbindungen fuer die gesamte Lebenszeit des Kabels. Ziellaender, welche die Telekom via FLAG adressieren moechte, sind Suedafrika, die Vereinten Arabischen Emirate, Malaysia, Thailand, Hongkong und Indien. Die Deutschen werden das Seekabel dabei ueber die Landepunkte der Staaten Grossbritannien und Italien entern.

Laut Parry sind die Vereinbarungen mit den PTTs nicht alle exklusiv. Den Kunden ist es laut Vertrag verboten, selbst Kapazitaeten aus den gemieteten FLAG-Leitungen zu vermarkten. FLAG verpflichtet sich dafuer im Gegenzug, weder als Carrier aufzutreten noch direkt mit Endkunden Geschaefte zu machen.

Ein Fragezeichen steht bisher hinter dem Management sowie der Redundanz der Seeverbindung im Fall eines Kabeldefektes. Timpanaro gab zu, dass beide Punkte noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen FLAG und den zwoelf beteiligten TK-Gesellschaften sind. Redundant verlegt wuerden jedenfalls die Strecken in Aegypten und Thailand, wo die Glasfaser nicht zu Wasser, sondern 850 Kilometer auf dem Landweg verlaeuft. Obwohl die FLAG-Route nur die halbe Welt umspannt, entsteht durch den Anschluss anderer Glasfaserstrecken fuer Kunden ein weltweiter Ring. Sollte das Projekt erfolgreich sein, schliesst der FLAG-Vorstand ausserdem weitere Vorhaben nicht aus.

Fangnetze bergen das groesste Gefahrenpotential

Der FLAG-Chef versicherte, dass hinsichtlich der Routenwahl alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden seien. Besondere Gefahr fuer Seekabel geht von Fangnetzen der Fischtrawler, Erdbeben, Haiverbiss sowie Schiffsankern aus. An Umschlagplaetzen mit hohem Schiffsaufkommen wie zum Beispiel Singapur werden die Kabel zum Schutz vor Schiffsankern deshalb bis zu zehn Meter tief vergraben. Gegen Beschaedigungen durch Haie ist das Kabel mit einem Stahlmantel geschuetzt. Eine Havarie mit Fischfangnetzen wird durch einen ausreichenden Tiefgang vermieden. Den Erdbebenzonen weicht die Glasfaserstrecke durch einen von Seismologen vorgegebenen sicheren Routenverlauf aus. Im Durchschnitt liegt der Lichtwellenleiter laut FLAG in einer Tiefe von mehr als 2000 Metern auf dem Meeresgrund auf, ohne vergraben zu werden.