Flaechendeckende Rasterdarstellungen von Daten Geo-Informationssysteme geben Auskunft ueber die Umweltschaeden Von Wolfgang Steinborn*

08.10.1993

Erdrueckendes Bevoelkerungswachstum und verschwenderischer Umgang mit Rohstoffen sind dabei, den Lebensraum zur knappsten und kostbarsten Ressource werden zu lassen. Eine Verhinderung ihrer weiteren unkontrollierten Ausbeutung und ein vernuenftiges Abwaegen zwischen den divergierenden Nutzungsinteressen verlangen neue Techniken. Die moderne Informationstechnologie bietet ein solches Instrument in Form der Geo-Informationssysteme.

Unuebersehbar ist der Trend, dass Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft nicht mehr nur die reine statistische Information, sondern den raumbezogenen Erhebungswert nachfragen und vorhalten. Statt auf eine Aussage wie "25 Prozent des deutschen Waldes weisen mittlere bis starke Schaeden auf" richtet sich das Interesse auf Antworten wie "Waldschaeden der Klasse vier herrschen dort vor, wo Bodenbeschaffenheit, Exposition, Hoehe, Hangneigung etc. die und die Werte annehmen". So laesst sich die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung erkennen.

Bevor die Umweltschaeden die Bedeutung von flaechendeckenden thematischen Informationen staerker hervortreten liessen, richtete sich das Interesse von Politik, Militaer und Industrie vor allem auf die topografische sowie die von Menschen vorgenommene Strukturierung der Landschaft (Verkehrswege, politische und Besitzgrenzen etc.), also meist linienhafte oder punktfoermige Elemente.

Mit dem Aufkommen der CAD-Technologie in den 70er Jahren wurde diese auch zur Digitalisierung der Kartografie eingesetzt, wobei die Daten in Vektorform dargestellt wurden. Daraus entwickelten sich vektorisierte geografische Informationssysteme (GIS), die als zusaetzliche Leistung gegenueber CAD vor allem die Verwaltung grosser Datenmengen und die sandwichartige Ueberlagerung von Informationsschichten sowie die Durchfuehrung von Analysen zwischen diesen ermoeglichten. Ausgangsfragen solcher Analysen sind:

- In welchem Umfang werden Flaechen aufgrund von Topografie, Niederschlagsverteilung, Oberflaechenrauheit, Abflussbedingungen und Grundwasserstand ueberschwemmt?

- Welcher Zusammenhang besteht zwischen Pseudokrupp-Faellen, Schwefeldioxyd-Emissionen, meteorologischen Bedingungen und Topografie?

- Wie veraendert sich die Landnutzung im Einzugsbereich von Ballungszentren als Funktion der Bodenguete, der Grundstueckspreise, der Beschaeftigungslage und der Agrarbeschluesse der EG?

- Wie gross ist der wahrscheinliche Umfang eines Schadens fuer die Bevoelkerung im Landkreis X bei einem Atomunfall am Ort Y unter der Voraussetzung bestimmter Wetterlagen und in Abhaengigkeit von der Bodendeckung?

Aus heutiger Sicht, wo auch die Wirtschaft immer staerker mit GIS arbeitet, koennte man noch Beispiele aus der Netz- und Pipeline- Verwaltung oder der Vertriebsoptimierung von Produkten hinzunehmen - das Anwendungsspektrum wird laufend groesser und reicht bis zu Feldern wie Archaeologie und Tourismus. Die allmaehliche Durchdringung vieler Lebens- und Forschungsbereiche spiegelt sich auch in einer wachsenden Zahl von Publikationen und Konferenzen zu geografischen Informationssystemen wider. Laengst hat der Preisverfall von Hard- und Software - eine Einsteiger-GIS-Software ist heute schon fuer wenige hundert Mark fuer den PC erhaeltlich - auch der flaechendeckenden Rasterdarstellung von Daten zum Durchbruch verholfen.

Sie wurde durch die Scannertechnik der Fernerkundungssensoren vorangetrieben und eignet sich vor allem zur Verfolgung qualitativer und zeitlich veraenderlicher Phaenomene wie des Zustandes von Waeldern, des Reifestadiums von Feldfruechten oder der Schwebstoffe in Gewaessern. Sie geht Hand in Hand mit der zunehmenden Notwendigkeit zur grossraeumigen Umweltueberwachung.

Frueher einmal galt die Faustregel, nach der die Aufwendungen fuer Hardware, Software und Datengewinnung eines GIS im Verhaeltnis 1 : 10 : 100 stehen, dass also Datenkosten um Groessenordnungen dominieren. Der Ersatz von teuren Felderhebungen durch automatisierte Informationsgewinnung aus der Fotogrammetrie entkraeftet zusehends diese Formel.

Da sich in der Raumfahrt eine Konversion militaerischer Aufklaerungssysteme in zivil nutzbare Satelliten andeutet, ist bald mit einem kostenguenstigen Ueberangebot an hochaufloesenden, im Meterbereich liegenden Flaechendaten zu rechnen. Damit rueckt die Online-Aktualisierung raumbezogener Datenbestaende und Kartenwerke, die bisher wegen des hohen Messaufwandes nur gelegentlich oder gar nicht e jour gehalten wurden, in die Naehe.

Die kommenden Aufgaben in dieser ueberdurchschnittlich dynamischen Branche, deren Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent bei einem geschaetzten Umfang von weltweit zwischen zwei und fuenf Milliarden Dollar von der Rezession fast unbeeinflusst blieben, betreffen unter anderem die Umwandlung von Raster- in Vektordaten.

Obwohl heute fast jedes GIS hybride, das heisst mit beiden Techniken, arbeiten kann, besteht bei dieser Art der Datenkonvertierung noch Forschungsbedarf, da hierbei Linienverfolgung und Mustererkennung involviert sind. Ferner sind Geschwindigkeit und Bedingungen des Datenzugangs sowie die Vernetzung von Datenbestaenden zu verbessern, wobei an der Benutzer-Schnittstelle auch Quicklook- beziehungsweise Visualisierungstechniken verstaerkt einzusetzen sind.

Es werden auch in juengster Zeit haeufiger nichtnumerische Informationsformen wie Videos, Bilder oder Tonproben Datensammlungen integriert.

* Dr. rer. nat. Wolfgang Steinborn ist Koordinator fuer Erderkundung bei der Deutschen Agentur fuer Raumfahrtangelegen- heiten (Dara), Bonn.