Bildröhren ohne Röhre werden immer attraktiver:

Flache Displays zeigen vielerlei Gesichter

28.09.1984

Von CW-Mitarbeiter Egon Schmidt

MÜNCHEN- Hat man in der EDV auch nolens volens gelernt, mit den unhandlichen Kästen zu leben, in denen Bildschirme mühsam ihren Platz finden, so ist doch unverkennbar, daß neue Technologien der guten alten Braunschen Röhre bald heftig Konkurrenz machen werden. Doch von heute auf morgen werden herkömmliche Bildschirme gewiß nicht von der Bildfläche verschwinden.

Wo niedrige Kosten, klar leuchtende Farben und eine hohe Auflösung gefordert sind, werden heutige Terminals das Feld wohl noch lange beherrschen. Aber die flachbrüstige Konkurrenz holt mit Riesenschritten auf und wird sich vor allem da einnisten, wo die Leute primär auf niedrigen Stromverbrauch, Kompaktheit und Mobilität Wert legen. Flach-Bildschirme werden vor allem für neue, Aufgabestellungen herangezogen werden, weniger hingegen als einfacher Ersatz der herkömmlichen Röhren dienen.

Fachleute unterscheiden bei den inzwischen schon in äußerst vielfältiger Gestalt daherkommenden Flach-Displays zwei Grundlinien: einmal die lichterzeugenden "aktiven" Anzeigen, von denen es die Varianten Elektrolumineszenz, Vakuum-Fluoreszenz- und Gasplasma-Displays gibt, und zum anderen die vorhandenes Licht modulierenden "passiven" Varianten, von denen weitaus die bekannteste das LCD-Display mit seinen verschiedenen Untergruppen ist und zu denen daneben noch sogenannte elektrochrome und elektrophoretische Anzeigen gehören, die vorerst aber mehr in Labors als in der Produktion zu finden sind.

Beginnen wir mit den LCDs, jedermann von Uhren-, Taschenrechnern- und Kleincomputer-Anzeigen her bestens vertraut. Diese sich rasch entwickelnden Typen, die nach Einschätzung von Fachleuten in absehbarer Zeit unter Umständen allen aktiven Flachdisplays anderer Art den Garaus machen könnten, bestechen durch ihren niedrigen Preis und ihren geringen Strombedarf. Man unterscheidet bei ihnen zwischen "twisted-nematischen", "Guest-host"-und "bistabilen" Zellen mit jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen; sie nutzen alle im Grunde den Effekt, daß sogenannte Flüssigkeitskristalle sich in Richtung eines angelegten elektrischen Feldes ausrichten und somit andere optische Eigenschaften bekommen.

Betrachtungswinkel verengt sich

Hat vor allem die twisted-nematische Zelle ihren festen Platz bei kleinen Anzeigen erobert, so befriedigt ihr Verhalten bei Groß-Displays mit ihrer höheren Multiplex-(Vielfachansteuerung-)Rate weniger, denn da verengen sich dann die Betrachtungswinkel, und es lassen auch die Reaktionszeit, der Kontrast und die Helligkeit nach. Deshalb wendet die Aufmerksamkeit sich neuerdings verstärkt den "bistabilen" FD-Zellen zu, bei denen die FK-Moleküle jeweils einen von zwei Zuständen einnehmen können und dann ein optischer Kontrast zwischen den beiden Zuständen beobachtet wird.

Da immer nur ein einziger Impuls benötigt wird, und hin- und herzuschalten, verschwinden die Probleme mit der Multiplex-Ansteuerung zum kontinuierlichen Auffrischen des LCD-Zellenzustands. Das wiederum spart auch Aufwand bei der elektrischen Beschaltung.

Viel Forschung wird auch auf dem Felde der Guest-host-Zellen betrieben, denn die bieten mehr Helligkeit und einen größeren Ablesewinkel; außerdem brauchen sie, im Gegensatz zu den twisted-nematischen Zellen, keine Polarisatoren. Und: Mit ihnen kann man Farb-Displays bauen, indem in die Zellen sogenannte dichrioitische Farbstoffe eingebaut werden.

Elektrochrom im Labor

Eine neue Entwicklung bei LCDs sind schließlich Einheiten, bei denen jeder Bildpunkt auf einem durchsichtigen Substart seinen individuellen Dünnfilm-Transistor (oder eine Diode) erhält; Elemente, die zur Ansteuerung benötigt werden und hier nun die ganze leidige Multiplexerei überflüssig machen. Diese LCD-Module werden als Anzeige mit "aktiver Matrix" bezeichnet und auch schon in Serie gefertigt.

Am Rande sei hier noch eine Sache erwähnt, die wohl nur wenig bekannt ist: LCD-Anzeigen werden nicht allein elektrisch angesteuert,

sondern teilweise auch mit einem Laser, der sie lokal erwärmt und so das Bild sichtbar gemacht.

Elektrochrome passive Anzeigen arbeiten in der Form, daß elektrischer Strom (oder Spannung) in einer Reihe von Materialien eine Farbänderung hervorruft. Sie gelten heute noch als typische Labor-Studienobjekte, obwohl es auch schon Uhren mit derartigen Displays geben soll. Noch sind aber vielfältige Schwierigkeiten zu überwinden, ehe diese, im Stromkonsum bescheidenen Anzeigen auch als großflächigere Module einsetzbar sein werden.

Aktive Displays

Elektrophoretische Module basieren auf der Tatsache, daß eine organische Flüssigkeit, die Farbstoffe und ionisiertes Pigment enthält, in einer elektrisches Feld kommt, wobei das Pigment dann zur Anode oder zu Kathode wandert - je nach Polung. Dabei ändert sich die Farbe der Suspension. Das kann man dann durch die eine, transparente Elektrode hindurch beobachten. Aber wegen vieler praktischer Schwierigkeiten sind auch derartige Zellen noch kaum weiter als im Laborexperiment.

Unter den aktiven Anzeigen räumen Experten den sogenannten "Plasma-Panels" für die nächsten Jahre die wohl besten Entwicklungschancen ein. (Einen Plasma-Bildschirm hat bekanntlich IBM vor einigen Monaten vorgestellt und auch Siemens präsentierte eine Plasma-Panel-Studie). Plasma-Panels können mit Gleich- oder Wechselstrom (dann wird keine Auffrischung benötigt und es gibt kein Flimmern) betrieben werden, aber auch mit einer vorteilhaften Kombination beider Stromarten. Bei ihnen, um das kurz zu rekapitulieren, leuchtet (beispielsweise) ein Neon-Argon-Gasgemisch auf, sobald der entsprechende Punkt elektrisch aktiviert wird.

Während IBM mit seinem Panel derzeit auf Messen beeindruckt (es hat immerhin mehr als 737 000 Bildpunkte) gibt es in den USA Unternehmen, die für`s Militär, Groß-Displays bauen, welche ungefähr die vierfache Punktdichte erreichen, nämlich pro Quadratzentimeter 2000. Und in der Entwicklung befinden sich Anzeigen, die bis zu drei Metern messen und mehr als 16 Millionen Bildpunkte haben.

Nicht nur monochrome, sondern auch Farb-Plasma-Displays sind darstellbar; eines der letzteren wurde in Japan entwickelt und arbeitet mit dreifarbig emittierendem Phosphor. Aber bis so ein Display im Laden zu kaufen sein wird, dürfte doch noch geraume Zeit verstreichen.

Festkörper senden Lichtstrahlen aus

Haben Plasma-Anzeigen in den letzten Jahren auch erkennbar an Popularität gewonnen, so heißt das noch lange nicht, die anderen Typen aktiver Anzeigen wären deshalb gleich ganz aus dem Rennen. Denn beispielsweise die Elektrolumineszenz-Displays, die jahrelang wegen hoher Anforderungen an die treibenden Spannungen (Gleich- oder Wechselspannung) sowie wegen geringer Helligkeit verrufen waren, holen sichtlich auf. Zur Erinnerung: Diese Art Anzeigen arbeitet nicht mit Gas, sondern mit Festkörpern, die Licht aussenden, legt man an sie eine Spannung an.

Für den Stand der Entwicklung sind Anzeige-Einheiten charakteristisch, bei denen die aktive Schicht in Dünnfilmtechnik aufgebracht wird und die beispielsweise mehr als 166000 einzelne Bildpunkte umfassen. Es gibt in Laborversionen auch schon Mehrschicht-Dünnfilmelemente, die eine Reihe unterschiedlicher Farben aussenden; dabei sind die aktiven Schichten einmal Zinksulfid, dotiert mit Terbiumfluorid (für Grün) und einmal ebenfalls Zinksulfid, aber dotiert mit Samariumfluorid (rot).

Grenze erreicht

Bleibt schließlich noch die Vakuumfluoreszenz-Technik. Hier prallen Elektronen aus einer Kathode auf eine phosphorbeschichtete Anode und bringen sie zum Erglühen. Dieser Effekt ist schon lange bekannt und im praktischen Einsatz, doch er blieb gleichzeitig auf Klein-Displays beschränkt. Zwar gibt es Anzeigen dieser Art, die immerhin 240 Zeichen darstellen können, aber hier scheint auch schon die Grenze dessen zu liegen, was sinnvoll darstellbar ist. Und obwohl in Japan auch an diesem Anzeige-Prinzip energisch gearbeitet wird, ist vorerst nicht abzusehen, ob angesichts aller konkurrierenden Technologien, die Vakuumfluoreszenz-Anzeigen bei Großformaten je Zukunft haben werden.