Netzinfrastruktur

Fit für das 10-Gigabit-Zeitalter?

27.03.2007
Von Uli Geub
Detailliertes Wissen über Netze stellt sicher, dass ein Verkabelungssystem von heute auch den Anforderungen von morgen genügt.

Oft werden Netzwerke und Verkabelungssysteme falsch spezifiziert. Bei einem notwendigen Austausch der Verkabelungsinfrastruktur entstehen den Unternehmen hohe Belastungen, einhergehend mit kostspieligen Unterbrechungen des Geschäftsbetriebs. Bei der Spezifizierung eines Netzwerks sollten daher unter anderem die erwartete Steigerung der Bandbreite, die (voraussichtliche) Entwicklung der Nutzerzahl und die Entfernung der Arbeitsplätze vom Netzwerk-Switch berücksichtigt werden. Darüber hinaus spielt es sicher eine Rolle, ob das Unternehmen drahtlose Netze sowie Voice-over-IP- (VoIP- ) und Power-over-Ethernet (PoE-)Anwendungen einsetzen will. Auch voraussichtliche Veränderungen im passiven Netzwerk (Umzüge, neue Patches und Veränderungen, so genannte MACs - move adds and changes) sind einzukalkulieren. Ferner sollte die Verbindung mit aktuellen und künftigen Komponenten und mit Software bedacht werden.

Backbone-Verkabelung

Bei der Designüberlegung für das optische Netzwerk (Backbone) spielt eine wichtige Rolle, welche Glasfaser für welche Anwendung zum Einsatz kommen soll. Als realistische Faustregel für das Verhältnis der Bandbreite gilt dabei der Faktor zehn. Das heißt, bei 1 GB/s am Arbeitsplatz sollte als Backbone-Verbindung 10 GB/s zur Verfügung stehen.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob der Backbone mit Singlemode- oder Multimode-Faser ausgeführt werden soll. Dies hängt in erster Linie von der verwendeten Applikation, der benötigten Kapazität (notwendiges Bandbreitenlängenprodukt Megahertz mal Kilometer), erforderlichen Distanzen und der Anzahl der Steckverbindungen ab. Zudem gilt es einzubeziehen, ob die Netzwerkkomponenten mit Laser, LED oder VSCEL arbeiten sollen.

Management der Anschlusskabel: Die "Spaghetti-Challenge (Foto: Systimax)
Management der Anschlusskabel: Die "Spaghetti-Challenge (Foto: Systimax)

Laseroptimierte Multimode-Fasern (OM3+ 50 Micrometer) eignen sich für Datenübertragungsraten mit maximal 10Gigabit-Ethernet bis zu einer Distanz von 550 Metern. Gleichzeitig lassen sich damit aber auch 1-GB/s-Verbindungen von über einem Kilometer realisieren. Vorteilhaft sind hierbei die sehr geringen Kosten für die aktiven Schnittstellen (Transceiver).

Singlemode-Fasern sind für Distanzen über 550 Meter zu empfehlen. Hierbei sollte der Netzwerkplaner allerdings darauf achten, dass Zero-Water-Peak-Fasern eingesetzt werden. Die Fasern nach dem ITU-G.652.D-Standard haben einen um 60 Prozent höheren nutzbaren Wellenlängenbereich als herkömmliche Singlemode-Fasern und sind damit bei einem geringen Aufpreis wesentlich zukunftssicherer. Außerdem unterstützen sie die CWDM-Technik (Coarse Wavelength Division Multiplexing).

Last, but not least stellt sich die Frage nach der Wellenlänge und den Steckverbindern. Es empfiehlt sich, LC-Steckverbinder einzusetzen, da diese als SFF-Stecker (Small Form Factor) über geringere Baumaße und bessere Performance als die bisherigen SC-Steckverbinder verfügen.

Horizontale Infrastruktur

Das große Thema, um das sich zur Zeit in der Etagenverkabelung alles dreht, heißt 10-Gigabit-Ethernet (10GBE) über Twisted Pair. Zahlreiche Hersteller behaupten, dass sie 10 GB/s auf Kupferverkabelung gewährleisten können, ohne sich dabei auf garantiert funktionierende Installationsparameter (Länge der Übertragungsstrecke, Anzahl der Steckverbinder, Erdungsbedingungen in den Gebäuden) festzulegen. Welche 10-Gigabit-Ethernet-fähige Verkabelungslösung sollte demnach eingesetzt werden? Immer häufiger finden sich hochfrequente Ströme auf den Erdungssystemen und damit auch zwangsläufig auf den Kabelschirmen der Datennetze. Die Folge sind unsymmetrische Signale, eine Behinderung des Datentransports und dadurch mögliche gravierende Betriebsstörungen. Ein abgeschirmtes Verkabelungssystem allein ist jedoch keine Garantie für 10-Gigabit-Ethernet. Welche Bandbreite tatsächlich am Arbeitsplatz realisiert werden kann, hängt nicht zuletzt von den verwendeten Kabeln ab. Betroffen sind davon auch Unternehmen, die sich im Sinne eines bestmöglichen Investitionsschutzes für Kategorie-7-Lösungen entschieden haben. Der Grund: Nachdem sich Cat.7-Kabel - immerhin seit 2001 als standardisierte Lösungen verfügbar - nicht am Markt durchsetzen konnten (Weltmarktanteil 0,4 Prozent), werden sie im deutschsprachigen Raum in der Regel mit Kategorie-6-Steckverbindern installiert. Wie im vergangenen Jahr 2006 auch vom ISO/IEC Standardgremium festgestellt wurde, bietet diese Kombination aber keine Rückwärtskompatibilität zur bisherigen Cat.6, geschweige denn zur Cat.6A.

Da Cat.7-Lösungen auf einem nicht RJ45-kompatiblen Vierkammerstecker basieren, ist diese Lösung zum einen teuer und zum anderen nur über Hybridkabel in Standardnetzen einsetzbar. Der Kunde sieht sich heute falsch beraten, weil der bei einer Cat.7-Lösung ursprünglich im Fokus stehende Kabel-Sharing-Gedanke seit der Einführung von 1GB/s-Ethernet (nutzt alle acht Adern eines Datenkabels) nicht mehr realisierbar ist.

Die fünf W's

Um in der Entscheidungsphase den Überblick in punkto Systemauswahl zu behalten, gilt es, sich nicht nur einseitig zu informieren und die nachfolgenden fünf W's zu berücksichtigen:

  • Welche Technologie ist aktuell?

  • Welche Technologie wird in Zukunft global eine Rolle spielen?

  • Welche Technologie bietet die erwartete Sicherheit?

  • Welche Verkabelungslösung ist wo und wann sinnvoll?

  • Was kostet die jeweilige Lösung über die gesamte Nutzungszeit?

Um eine sichere 10-GBE-Übertragung auf Twisted-Pair zu gewährleisten, sollte eine Verkabelungslösung entsprechend der (im Frühjahr 2007 zur Verabschiedung anstehenden Standards) Kategorie 6A / Klasse EA verwendet werden.

Infrastruktur für Wireless-Anwendungen

Zunächst einmal bedeutet Wireless nicht kabelloses Netzwerk, sondern die sinnvolle Ergänzung einer verkabelten Infrastruktur für mobile Nutzer. Auch die Access Points benötigen einen verkabelten Anschluss an das Netz. In Kürze auch als europäischer Standard (Cenelec) verfügbar, hat bereits ISO/IEC TR 24704 aufgezeigt, wie eine sinnvolle Verkabelung zum Anschluss von Wireless Access Points in Bürogebäuden aufgebaut sein sollte: Basierend auf einem wabenförmigen Netz mit einer maximalen Abdeckung von zwölf Metern Radius mit Datenanschlüssen für beispielsweise Wireless-Access-Points oder IP-Kameras. Um eine separate Stromversorgung (230 Volt) zu verzichten, werden diese zudem mit Power over Ethernet (PoE) ausgestattet. Damit ergibt sich eine schnellere Armortisierung durch kürzere Installationszeiten und geringere Portkosten. Es empfiehlt sich der Einsatz von "mid-span" PoE-Komponenten. Diese können die Endgeräte (Access-Points, IP-Kameras, VoIP-Telefone) bis maximal je 15,3 Watt mit Strom versorgen. Für die nahe Zukunft plant die Industrie eine Lösung, um auch Notebooks bis maximal 30 Watt an dieser Schnittstelle betreiben zu können.

Intelligente Infrastrukturverwaltung

Stärker als je zuvor ist heutzutage das Netzwerk das Herzstück eines Unternehmens und die Verkabelungsinfrastruktur das zentrale Nervensystem. Im Schnitt werden jährlich über 20 Prozent der Netzwerkverbindungen umgestellt, ergänzt, geändert oder getrennt. Die physikalische Verkabelungsebene wird gewöhnlich durch manuelle Umstellung der Kabelverbindungen verwaltet (patchen). Sie ist daher anfällig für menschliche Fehler, die hohe Kosten verursachen können. In der heutigen Zeit, in der Datennetze vollständig in den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens integriert sind, gibt es daher eine höhere Nachfrage nach einer effizienteren, sichereren und zuverlässigeren Verwaltung von Firmennetzen.

Eine intelligente Infrastrukturverwaltung kann helfen. Sie besteht in der Regel aus intelligenten Kupfer- oder Glasfaser-Patch-Panels, die vorzugsweise so konzipiert sind, dass sie erkennen, wenn standardkonforme Patch-Kabel (ohne zusätzliche Signaladern und Kontakte) verwendet werden. Weiterer Bestandteil ist eine Controller-Einheit, die über das LAN mit der Infrastrukturverwaltungssoftware kommuniziert.

Empfehlungen für die Netzwerkplanung

Auswahl der Glasfaserlösung für den Backbone:

  • Multimode-Faser 50 Mikrometer OM3+ für Strecken bis 550 Meter;

  • Singlemode-Faser 9 Mikrometer ("Zero Water Peak"-Faser) für Strecken über 550 Meter

Auswahl der Horizontalverkabelung:

  • Planung/Kontrolle der Gebäudeinfrastruktur (Elektrotechnik),

  • Kupferverkabelung Twisted Pair Klasse EA (Cat.6A),

  • Planung der Infrastruktur für die Wireless Access Points nach ISO/IEC TR 24704 (mit PoE).

Senkung der Betriebskosten und Online-Dokumentation durch Einsatz von intelligenter Infrastrukturverwaltung

Mit einem intelligenten Infrastrukturverwaltungssystem können Änderungen in der physischen Verkabelung des Netzwerks überwacht und den Netzadministratoren mitgeteilt werden. Sie erhalten auf diese Weise Daten, die für eine effektive Verwaltung des Netzwerks nötig sind und bisher nicht zur Verfügung standen.

Die intelligenten Systeme verbessern auch die Administration der Kabelverbindungen, um die Auswirkungen menschlicher Fehler zu verringern. Jedes intelligente Patch-Panel kann mit LED-Anzeigen und Verfolgungstasten an jedem Port versehen werden, um eine schnelle und einfache Identifizierung der Enden jeder Verbindung zu ermöglichen. Dadurch ergeben sich erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen bei der Problembehandlung und/oder bei Umstellungen und Änderungen. Intelligente Controller können außerdem mit interaktiven LCD-Bildschirmen ausgestattet werden, die die Implementierung elektronischer Arbeitsaufträge mit schrittweisen Anleitungen erleichtern, wodurch die korrekte Bereitstellung von Diensten erheblich beschleunigt wird. (mb)

Glossar

VCSEL = Vertical Cavity Surface Emitting Laser (moderne Laserübertragungstechnik)

CWDM = Coarse Wavelength Division Multiplex (Grobes Wellenlängenmultiplex)