Wenig Jobs, wenig Weiterbildung

Firmen vernachlässigen Generation 50 plus

11.12.2008
Von Anja Dilk und Heike Littger

Stress darf kein Tabu-Thema sein

Zusammen mit Andreas Boes vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München und Ulrike Hellert vom Büro Moderne Arbeitszeiten, Dortmund, hat Gerlmaier vor zwei Jahren das Projekt "Demografischer Wandel und Prävention in der IT" (DIWA-IT) aufgesetzt, um zu sensibilisieren. Zielsetzung: Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit der Wissensarbeiter müssen über den gesamten Erwerbsverlauf hinweg gefördert und erhalten werden.

Auch Hans-Jürgen Bossow hält nichts davon, den Blick auf die IT-Experten über 50 zu verengen. Der Betriebsratsvorsitzende bei Beiersdorf Shared Services, Konzerndienstleister der Beiersdorf AG in Hamburg, warnt sogar davor: "Damit spaltet man die Belegschaft. Zumal die Jüngeren unter Stress genauso leiden wie die Älteren." Besser: Altersübergreifend über Stress sprechen. Und die Voraussetzungen schaffen, um auch in der IT bis 67 durchzuhalten.

Bossow weiß, wovon er spricht: 2001 begann bei Beiersdorf das bis dahin größte IT-Projekt seines Arbeitgebers, und es wurde, wie er erzählt, "ohne Grenzen gearbeitet. Alle Beteiligten hatten ihre persönlichen Belange dem Erfolg des Projekts untergeordnet." Die Folge: Arbeitszeitkonten mit bis zu 400 Überstunden und etliche Kreislaufzusammenbrüche. Mehrmals stand der Krankenwagen auf dem Firmengelände. "Wir haben damals die Notbremse gezogen. Alle Führungskräfte und 100 Mitarbeiter wurden geschult: Was ist Stress, wie entsteht er, wie kann ich ihm begegnen?" Ergebnis: Die Mitarbeiter arbeiten nur noch in Ausnahmefällen in mehr als einem Großprojekt. Außerdem hat sich das Pausenverhalten verändert. "Mitarbeiter treffen sich zum Tee", so Bossow, "gehen nach der Mittagspause im Park spazieren oder machen Kurzpausen am Fußballkicker." Mit der New Economy habe das alles nichts zu tun. "Damals hat man den Mitarbeitern einen Kicker hingestellt, weil Arbeit rund um die Uhr cool war. Heute lernen sie: Ich muss nachhaltig mit meinen Ressourcen umgehen. Stress ist nicht normal, und auch Arbeiten bis 22 Uhr oder am Wochenende sind es nicht."

Für Thomas Mosch, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung, ist das ein guter Anfang. Doch er sieht neben den allgemeinen Programmen zur Gesunderhaltung durchaus noch Raum für spezifischere Angebote. Vor wenigen Wochen hat er zusammen mit der IG Metall das Projekt "IT 50plus" ins Leben gerufen. "Wir müssen gezielt die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer verbessern, weil wir damit bessere und schnellere Ergebnisse erzielen." Denn ohne die Älteren wird es mittelfristig nicht gehen. Sein Kritikpunkt: Jeder kenne die Fakten zum demografischen Wandel, doch es fehle an innovativen Konzepten. "Die klassische Karriere kennt nur einen Weg - von unten nach oben -, selbst dann, wenn der Leistungsgipfel von 35, 40 längst überschritten ist."

IGS-Berater Schmitz bietet Unternehmen Schulungen an, wie sie die Fähigkeiten ihrer älteren Mitarbeiter besser nutzen können. Bislang ist die Resonanz verhalten. Freilich sei es auch an den älteren Mitarbeitern selbst, das überholte Karriereraster zu verändern, meint Schmitz. "Das letzte Karrieredrittel muss ich genauso planen wie jeden anderen Karriereschritt: Wo will ich hin, was sind meine Kompetenzen, wo finde ich ein Umfeld, um das zu leben? Wer das systematisch anpackt, wird erkennen, es gibt mehr Möglichkeiten als angenommen."