Preistraeger beim Offene-Systeme-Wettbewerb

Firmen aus den USA und England ersetzen Grossrechner-Topologien

15.10.1993

NEW YORK (CW) - Seit drei Jahren werden auf der Unix Expo Preise fuer Unternehmen vergeben, die es in herausragender Weise geschafft haben, ihre Unternehmens- DV im Sinne einer offenen Systemloesung zu organisieren. Bei der diesjaehrigen Preisverleihung gab es ein totes Rennen zweier Unternehmen, die gleich viele Stimmen auf sich vereinen konnten. Den ersten Platz teilten sich die US-Firma Burlington Coat Factory Warehouse aus Burlington, New Jersey, sowie die John Brown PLC aus London. Der Preis wird verliehen in Anerkennung der "innovativen Implementation einer Open-Systems-Computingplatform in einem unternehmensweiten IT-System". Obwohl noch eine Reihe interessanter Bewerbungen vorlagen, konnten diese beiden Kandidaten nach Meinung der Juroren in besonders eindrucksvoller Weise belegen, dass sie in der Lage waren, gerade auch zeitkritische Anwendungen unternehmensweit auf offenen Rechnerverbuenden zu betreiben. Ein Kriterium der Bewertung war ferner, dass diese Interoperabilitaet auch ueber grosse Entfernungen, also nicht nur in lokalen Netzen, bewerkstelligt wurde. So nutzte die John Brown PLC, Teil der Trafalgar House Engineering Division, ehedem neun Mainframes fuer ihr MIS-Tagesgeschaeft. Heute hat keiner der konventionellen Hosts mehr ueberlebt. Die Baufirma mit 25 000 Angestellten und Niederlassungen in 35 Laendern, hatte 1989 begonnen, ihr MIS-Konzept umzukrempeln. Heute umspannt das unternehmensweite WAN zwoelf Laender und 32 Tochterfirmen. Als Rueckgrat des Netzes fungieren 150 Unix-Server, 500 CAD- Workstations und 5000 PCs. Die Trafalgar-House-Softwerker entwarfen zudem eine weltweit verfuegbare Datenbank fuer technische Belange nach dem Client-Server-Prinzip. Das setzt deren Ingenieure in die Lage, gemeinsam an groesseren Projekten zu arbeiten, obwohl sie geographisch verstreut lokalisiert sind. Auf elektronischem Weg koennen sie auch die Kommunikation mit Kunden pflegen und so einen wesentlich verbesserten Support sicherstellen. An Standards unterstuetzt das Rechnersystem TCP/ IP, X. 400 und APIs (Application Programming Interface) wie Mapi und VIM. Auch die Burlington Coat Factory ist auf Unix gekommen, weswegen die Mainframe-zentrierte DV ausgemustert wurde. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Burlington unterhaelt eine Verkaufskette von 195 Geschaeften in 40 US- Bundesstaaten. Fuer das Design der heute benutzten Anwendungen bediente sich Burlington sowohl der Hochsprache C als auch 4GL- Entwicklungs- sowie CASE-Tools. Deutsche Unternehmen bewerben sich nicht Ueber Satellitenverbindungen, IP-Router-Links sowie per Remote Procedure Call (RPC) erledigt das Handelshaus, welches im Februar 1993 den Umstieg auf Unix vollendete, sowohl die Kreditkarten- und Scheckverifikationen als auch saemtliche Verkaufstransaktionen sowie die firmeninterne E-Mail- Kommunikation. Fruehere Gewinner dieses Wettbewerbs waren die American Airlines mit ihrem EIS-System, die US-Wiederverkaufskette Kmart und die australische Regierungsbehoerde Victoria Department of Public Housing. American Airlines etwa konnte mit ihrer Entscheidungsfindungs-Software die Antwortzeiten fuer die Crew- und Flugzeugeinteilungen, Kmart das Rechnungs- und Inventurwesen verbessern. Bei den Australiern wiederum war die Oeffentlichkeit Nutzniesser des umgemodelten DV-Systems, weil die Qualitaet der Dienstleistungen fuer die Buerger stieg. Fuer den jaehrlich abgehaltenen Wettbewerb koennen sich nur Unternehmen anmelden, die bereits ueber eine funktionierende offene MIS-Struktur verfuegen. Firmen, die sich erst in der Planungsphase befinden, koennen nicht kandidieren. Die Juroren kommen aus unterschiedlichen Laendern und Betaetigungsfeldern: Hierzu gehoeren Medienvertreter, Systemintegratoren und Berater. Sie rekrutieren sich aber auch aus Standardisierungsgremien. Die vergangenen Gewinner vermochten, so Gary Donnelly, President von Donnelly & Associates, bei der Preisvergabe, jeweils ueberzeugend belegen, dass durch den Einsatz offener Systemplattformen Geld zu sparen war und sowohl die Produktivitaet des Unternehmens als auch die Arbeitsqualitaet gesteigert werden konnte. Die ausgezeichneten Unternehmen konnten durch ihr Beispiel auch Zeugnis ablegen dafuer, dass gegen Unix oder offene Systeme oftmals vorgebrachte Vorurteile keine oder zumindest nur eine eingeschraenkte Gueltigkeit entfalten: Dass Unix etwa als Produktions-Betriebssystem fuer den Geschaeftsalltag nicht geeignet sei, dass offene Systeme fuer zeitkritische Anwendungen ungeeignet waeren oder dass Fortune-500-Unternehmen mit Unix nichts zu tun haben wollen. Interessant ist uebrigens, dass in der Vergangenheit Bewerbungen unter anderem aus Italien, Frankreich, England, Australien und den USA eingereicht wurden. Deutsche Kandidaten fuer erfolgreiche Installationen einer nach dem Prinzip Offenheit funktionierenden MIS-Topologie haben sich hingegen bislang nicht vorgewagt. Moeglicherweise belegt solche Abstinenz die Theorie eines Brancheninsiders - "Deutsche DV-Manager sind Mainframe-hoerig" -, wonach deutsche MIS-Manager klare Hierarchien lieben.