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Fiorina: "Eine nicht profitable Einheit würde ich über Bord werfen"

30.11.2004
Die HP-Chefin Carly Fiorina hat im Gespräch mit dem "Wall Street Journal" Fragen zur Lage und Zukunft ihrer Firma und ihrer Person beantwortet.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Chefin von Hewlett-Packard (HP), Carleton Fiorina, äußerte sich in einem Interview mit dem "Wall Street Journal" zu den Gründen, warum sich der Kurswert von HP seit Fiorinas Eintritt in das Unternehmen mehr als halbiert hat, welches die Kernprobleme des Konzerns sind, ob sie weitere Entlassungen plane - und ob sie in die Politik geht oder zum Unterhaltungskonzern Disney.

Auf die Frage, wie sie sich den Kursabsturz erkläre, antwortete die HP-Chefin, insbesondere die Fusion mit Compaq habe am Markt für Verunsicherungen gesorgt. Die meisten Branchenexperten hätten nicht einmal für möglich gehalten, dass der Deal tatsächlich vollzogen werden würde. Viele hätten zudem geglaubt, dass der Merger nicht gelingen würde. All das habe für Unruhe gesorgt und den Kurs nach unten getrieben. Mittlerweile sei Compaq komplett integriert und innerhalb von zweieinhalb Jahren hätte das neue Unternehmen zwei Milliarden Dollar mehr Umsatz erwirtschaftet, als Finanzanalysten erwartet hatten.

Fiorina konzedierte, dass die Geschäftszahlen in den vergangenen Quartalen nicht immer konsistent gewesen seien. Insbesondere im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2003/04 hatte HP schlechte Ergebnisse insbesondere in der Enterprise-Sektion hinnehmen müssen, weswegen auch drei Top-Manager gehen mussten. Fiorina führte diese Ergebnisse zurück auf vielfach kolportierte Probleme bei der Einführung eines SAP-Systems in den USA. Auch habe es Probleme gegeben, die das indirekte Geschäft in Europa mit Wiederverkäufern betrafen. Schließlich seien interne und seit langem schwelende Schwierigkeiten aufgetreten über die Frage, wie viele Verkaufsspezialisten HP für bestimmte Produkte benötige. All dies habe zu den Problemen im dritten Quartal geführt.

Die Frage, ob HP einen Chief Operating Officer (COO), also einen Manager für die Leitung des Tagesgeschäfts brauche, verneinte Fiorina rundweg. Nur die wenigstens Unternehmen hätten solch eine Position. Es sei auch nicht sonderlich sinnvoll, wenn man Strategieentwicklungen und deren Ausführung von einander trennen würde. Da müsse ein Chief Executive Officer, also ein Vorstandsvorsitzender wie eben Fiorina, schon selbst die Hand am Steuer haben.

Eine brisante Frage beantwortete Fiorina ebenfalls unumwunden: Ob sie eine Geschäftsdivision abstoßen würde, wenn diese keinen Profit erwirtschafte, fragte das "Wall Street Journal". Sie würde nicht zögern, einen Geschäftsbereich zu schließen beziehungsweise abzustoßen, wenn dieser nicht gesund und profitabel sei, sagte Fiorina. Allerdings sei sie auch der Meinung, dass alle HP-Geschäftsdivisionen von sich aus profitabel sein können. Zumindest sei man auf einem guten Weg, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Frage entbehrte insofern nicht einer gewissen Pikanterie, als gerade erst die Marktforscher von Gartner in einer Studie über den PC-Markt feststellten, dass auf alle PC-Anbieter harte Zeiten zukommen. Bis 2007 würden drei der momentan zehn weltweit größten Hersteller in diesem Segment von der Bildfläche verschwinden. Explizit gefährdet seien die PC-Geschäftseinheiten von HP und IBM, äußerte Gartner.

Natürlich musste sich Fiorina auch zu dem verunglückten Übernahmeversuch von PricewaterhouseCoopers (PwC) äußern. Die HP-Chefin wendete den missglückten Verlauf der Merger-Überlegungen dahin, dass sie PwC jederzeit hätte übernehmen können, wobei alle Preisoptionen zwischen drei und 18 Milliarden Dollar möglich gewesen wären. Zwei Wochen, bevor IBM die Beratungsmannschaft übernahm, hätte sie PwC für drei Milliarden Dollar übernehmen können: "Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich glaube, dass die Beratungsbranche in einer Konsolidierungsphase steckt und es hierbei vor allem um ein personalintensives Geschäft geht." Wahrheit sei doch, dass in der Beratungsbranche zu viele zu teure Leute an den falschen Plätzen arbeiteten. Zudem würden Kunden keine langen Projekte wollen, bei denen auch noch teures Personal involviert sei.

Fiorina sagte ferner, die Zeiten der großen Entlassungswellen seien bei HP definitiv vorbei. Zwar werde es weiterhin Überlegungen geben, ob die richtigen Leute die richtigen Tätigkeiten ausführten. Aber es werde keine großen Entlassungen mehr geben.

Nachdem es insbesondere in der jüngsten Vergangenheit auch immer wieder Spekulationen gab, Fiorina selbst könne ihren Job verlieren, antwortete sie auf eine entsprechende Frage, sie könne nicht sagen, wann die Zeit gekommen sei, da sie HP verlassen werde. Jeder Top-Manager habe eine Ära, in der er beziehungsweise sie gefragt sei. Und diese gehe irgendwann immer vorbei. Für sie sei der letzte Vorhang noch nicht gefallen. Es gebe noch viel zu tun bei HP und sie wolle daran Teil haben.

Ähnliche Fragestellungen, die auf mögliche politischen Ambitionen von Fiorina zielten, wies die HP-Chefin ebenfalls zurück: "Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Es gibt hier genug zu tun. Ich gehe nirgendwo hin." Sie wies auch das Gerücht, sie habe Pläne, zu Disney zu wechseln, weit von sich. Mit diesem Gerücht habe man sie beim Fernsehsender Fox konfrontiert. Immerhin sei das mal "etwas Neues gewesen aus der Gerüchteküche." Aber sie werde weder in die Politik gehen - man sagt Fiorina eine Nähe zu den Republikanern nach - noch zu Disney. (jm)