Hohe Wachstumsraten prognostiziert

Finanzunternehmen nutzen Desktop-Outsourcing kaum

15.05.1998

Im vergangenen Jahr gaben Europas Banken und Versicherungen 330 Millionen Dollar dafür aus, daß externe Dienstleister das Management ihrer PCs übernahmen, berichtet das britische Marktforschungsunternehmen Datamonitor. Im Zuge der zunehmenden Deregulierung und Konsolidierung des europäischen Finanzmarktes werde sich dieser Wert bis zum Jahr 2002 vervierfachen.

Die Vergabe von PC-Services an externe Dienstleister stellt damit die akzeptierteste Form des Outsourcings im Finanzbereich dar, so die Analysten. Die derzeitigen Verträge gruppieren sich insbesondere um die Helpdesk-Unterstützung von außen. Zudem machte Datamonitor eine darüber hinaus reichende Entwicklung aus, die das Fremd-Management der Desktops über deren ganzen Lebenszyklus hinweg zum Ziel hat. Als Grund für die neuen Formen des PC-Outsourcings nannten in der Studie die IT-Entscheider von Filialbanken und Versicherungen vor allen Dingen den schnellen technischen Wandel.

Im Ländervergleich allein des europäischen Bankensektors, der im vergangenen Jahr 212 Millionen Dollar für das Desktop-Outsourcing ausgab, hinkt Deutschland weit hinter Frankreich und Großbritannien her (siehe Grafik). Vergaben die Franzosen 1997 entsprechende Orders in Höhe von 65 Millionen Dollar, so erreichte der Wert in Deutschland mit 32 Millionen nur knapp die Hälfte davon. Beispielsweise hat Deutschlands Großbank Nummer eins, die Deutsche Bank AG in Eschborn, zur Zeit keine Pläne für das Outsourcing der Desktop-Verwaltung.

Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei den europäischen Versicherungen, die im abgelaufenen Jahr Outsourcing-Verträge für PCs in Höhe von knapp 120 Millionen Dollar vergaben. Hier liegt Großbritannien mit einem Anteil von 46 Prozent (55 Millionen Dollar) einsam an der Spitze. Auf den Plätzen folgen die deutschen (13 Milllionen) und französischen (elf Millionen) Versicherer. Datamonitor gibt als Grund für den Outsour- cing-Boom in Großbritannien die rasche Entwicklung von neuen Distributionskanälen für das Versicherungswesen auf der Insel an.

Die Unternehmen des Finanzsektors in Deutschland nutzen PC-Dienstleister überwiegend für die "klassischen" Aufgaben Wartung, Reparatur oder Installation der Geräte.

Das ergaben stichprobenartige Telefonanfragen der COMPUTERWOCHE. Danach werden externe Helpdesk-Anbieter kaum in Anspruch genommen, die Unternehmen unterhalten meist eigene Benutzerservices im Haus.

Die AOK Berlin organisierte kürzlich ihren Benutzerservice neu und zog dabei auch ein Outsourcing in Betracht. AOK-Manager Sascha Porbadnik erklärte, daß man davon aber abgekommen sei, weil man im Haus zu viele speziell auf die AOK zugeschnittenene Anwendungen benutze: "Der Know-how-Transfer zu einer Fremdfirma wäre zu aufwendig."

Gleiches berichtet Karlheinz Eberhardt von der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft: "Einen externen Benutzerservice nur für die paar kaufmännischen Standardanwendungen zu engagieren lohnt sich nicht." Auch die Münchener Rück hat ihre Spezialprogramme, die von Mitarbeitern im Haus betreut werden.

Outsourcing nur bei Projekten

In dem Maße, in dem solche eigenentwickelten Programme durch Software von der Stange abgelöst werden, könnten sich die Dinge ändern. Das erwartet zumindest das Analystenteam von Datamonitor: "Von 1997 bis 2002 wird die Zahl der standardisier- ten Plattformen und Applika- tionen steigen und deshalb unternehmensspezifisches Desktop-Know-how weniger wichtig werden." Schon allein deshalb werde das PC-Outsourcing bei Banken und Versicherungen stark zu- nehmen. Bleibt abzuwarten, ob die Analysten damit recht behalten.

Schon jetzt setzen Finanzunternehmen auf externe Dienstleister, wenn es um Projekte geht. So hat sich die Merkur Versicherung in Hamburg bei der Umstellung ihrer Desktops auf Windows NT von einer Drittfirma helfen lassen. Ebenso will die AOK in Berlin Ende des Jahres ihre 2500 Desktop-Rechner und 80 Server mit NT 5.0 ausstatten. Bei diesem Projekt ist neben Microsoft auch ein externer Dienstleister mit an Bord.

IT-Ressourcen anders einsetzen

Die Landesgirokasse Stuttgart hat sich prinzipiell gegen einen Fremdservice für PCs entschieden und nennt dafür Kostengründe. "Wir haben uns das durchgerechnet und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß ein externer Benutzerservice um 40 Prozent leistungsfähiger sein müßte als der hauseigene", erklärte DV-Manager Andreas Rothe.

Die Analysten von Datamonitor sind davon überzeugt, daß dem Desktop-Outsourcing im Bankwesen die Zukunft gehört. "Die Unternehmen werden ihre IT-Ressourcen für die Entwicklung von fortschrittlichen Office-Anwendungen und nicht länger für den Desktop-Support einsetzen", so Datamonitor.

In Europa wird Deutschland der Markt für Desktop-Outsourcing sein, der am stärksten wächst. Zwischen 1997 und 2002 soll er jährlich um 35 Prozent größer werden. Die Analysten erklären das damit, daß die Akzeptanz von Outsourcing generell steigt. Zudem nutzen deutsche Finanzunternehmen externe Dienste derzeit noch relativ wenig. Es besteht also Nachholbedarf.