Trotz Markenzeichen "Made in Germany" wird der Nahost-Markt für deutsche DV-Hersteller enger:

Finanzstärke Saudi-Arabiens beschleunigt DV-Importe

07.09.1984

Der Export von Datenverarbeitungssystemen in den Nahen Osten verzeichnet jedes Jahr hohe Zuwachsraten. Seit des Mitte der 70er Jahre anhaltenden Finanz- und Wirtschaftswachstums in der Golfregion, von dem auch die benachbarten arabischen Länder in beachtlichem Umfang profitieren, steht diese Region seit Jahren an der Spitze des Importzuwachses von Computertechnologie. Die Importeuphorie ist aber auch insofern verständlich, als Regierungen und Wirtschaft der Nahost-Länder in der Vergangenheit sehr zurückhaltend bei der Anwendung der Informationstechnologie waren und nunmehr den entstandenen Nachholbedarf wettzumachen versuchen.

Im Jahr 1982 belief sich das Importvolumen an DV-Hardware in den arabischen Nahost-Ländern auf 238 Millionen Dollar. Hinzu kommen Importe an DV-Software im Wert von 120 Millionen Dollar. Für 1987 beziffert das US Department of Commerce den zu erwartenden Hardwaremarkt in der Region mit 455 Millionen Dollar und den Softwaremarkt mit rund 230 Millionen Dollar.

Saudi-Arabien liegt mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) von über 160 Milliarden Dollar in bezug auf die Finanzstärke weit an der Spitze der arabischen Länder. Ein jährlicher BSP-Zuwachs von 8 Prozent wird dem Königreich auch künftig diese exponierte Position sichern. Im Rahmen der zweiten und dritten Entwicklungspläne (1976/80 und 1981/85) war die saudische Regierung bemüht, einen Teil der riesigen Gewinne aus dem ÖIgeschäft in den Bau von Industrieanlagen zu investieren. Ein ehrgeiziges Industrialisierungsprogramm ist Ende der letzten Dekade aufgestellt worden, dessen Schwerpunkte den Bau von Raffinerien, Petrochemie und metallverarbeitenden Anlagen bilden, die in der Regel in enger Kooperation und mit 50prozentiger Beteiligung von internationalen Konzernen gebaut werden.

Infolge ihrer wirtschaftlichen Stärke und des industriellen Aufschwungs steht Saudi-Arabien bei der Anwendung moderner Technologien ebenfalls an der Spitze der arabischen Länder. So belaufen sich die saudischen Importe an Daten- und Textverarbeitungssystemen nach Schätzungen des US Department of Commerce zur Zeit auf 47 Prozent aller Importe der arabischen Nahost-Länder. Wie Tabelle 1 zeigt, wird sich der Anteil der saudischen Importe 1987 auf 49 Prozent erhöhen. Nach Schätzungen des in London erscheinenden Fachmagazins "Middle East Computing" betrug das Exportvolumen von Computersystemen und Peripheriegeräten nach Saudi-Arabien in 1982 rund 137 Millionen Dollar. Die Anteile der wichtigsten Exportländer in den Jahren1981 und 1982 sind in Tabelle 2 angegeben.

Der anhaltende Importzuwachs in Saudi-Arabien scheint sich seit 1983 infolge der Unsicherheit auf dem Ölmarkt und der gefährlichen Entwicklung im Golfkrieg etwas zu verlangsamen. Viele Regierungsaufträge werden zurückgestellt in der Erwartung, daß die politische und wirtschaftliche Lage sich bald wieder stabilisiert.

Im Jahre 1982 stiegen die DV-Importe in Saudi-Arabien um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 1983 wird das Importvolumen auf 200 Millionen Dollar geschätzt, also "nur" 50 Prozent Steigerung gegenüber 1982. In absoluten Zahlen ausgedrückt, stieg der Import wertmäßig im Zeitraum 1983/82 um 63 Millionen Dollar gegenüber 57 Millionen Dollar im Zeitraum 1982/81.

Die sich verschärfende Wettbewerbssituation auf dem saudischen Markt konnte die dominierende Position der amerikanischen Anbieter im großen und ganzen beeinträchtigen. In einigen Produktgruppen verzeichneten die europäischen Anbieter beachtliche Erfolge, und in der Produktgruppe "Peripherie-Geräte" gelang es den Briten, sich auf dem ersten Platz zu behaupten.

Die "Middle East Computing" veröffentlichte Detailzahlen über DV-Exporte (nur Hardware) nach Saudi-Arabien, bezogen auf die einzelnen Gerätegruppen. Durch uneinheitliche Handhabung solcher Einteilungen weisen die einzelnen Werte Überlappungen und Ungenauigkeiten auf. Ungenauigkeiten ergeben sich auch aus den Schwankungen des Dollar-Kurses gegenüber den einzelnen Währungen, die insbesondere eine Unterbewertung der europäischen Exporte bewirken. Nachstehend sollen die wichtigsten Aussagen der veröffentlichten Tabellen kurz besprochen werden.

Die Exporte der US-Firmen an Rechnersystemen und Peripheriegeräten erreichten 1982 einen Wert von 59 Millionen Dollar gegenüber 40 Millionen Dollar 1981. Dies bedeutet einen Zuwachs von 48 Prozent bei gleichzeitigem Rückgang des Marktanteils von 50 auf 43 Prozent. Der zweitwichtigste Partner Saudi-Arabiens nach den USA ist Großbritannien mit einem Marktanteil von 24,7 Prozent (1981: 24 Prozent), gefolgt von der BRD mit 10 Prozent (1981: 8 Prozent), Japan mit 6 Prozent (1981: 2 Prozent), Frankreich mit 4,5 Prozent (1981: 5,7 Prozent) und Italien mit 4 Prozent (1981: 4 Prozent).

Die britischen Exporte nahmen um 80 Prozent zu und die vorliegenden Zahlen für 1983 deuten darauf hin, daß die britischen Anbieter ihre starke Marktposition weiter ausbauen werden. Beachtliche Erfolge erzielten auch die deutschen Anbieter, die ihr Exportvolumen innerhalb von einem Jahr verdoppelt haben. Besonders eindrucksvoll waren die belgischen Anbieter, die DV-Geräte im Wert von 4,7 Millionen Dollar nach Saudi-Arabien exportierten und damit praktisch auf Anhieb 3,5 Prozent des DV-Marktes erringen konnten.

Nach langjährigen Bemühungen scheint den Japanern der Durchbruch auf dem arabischen DV-Markt zu gelingen. Innerhalb eines Jahres konnten sie ihr Exportvolumen nach Saudi-Arabien von 1,4 auf 7,8 Millionen Dollar mehr als verfünffachen und von Platz acht auf Platz vier vorrücken. Saudische Firmen bemühen sich inzwischen um japanische Kooperationspartner. Sie wollen die japanischen Systeme arabisieren und mit Software ausstatten, die auf die saudischen Verhältnisse zugeschnitten sind. Fachleute weisen auf die IBM-Kompatibilität der japanischen Hardware hin, die den Verkauf der Systeme auch an traditionelle IBM-Kunden ermöglicht.

Auf dem Sektor "digitale Systeme" kletterten die Exporte nach Saudi-Arabien von 5,5 Millionen Dollar 1981 auf 18 Millionen Dollar 1982. Auf diesem Gebiet bekamen die US-Anbieter besonders harte Konkurrenz aus Europa und Japan. Bei einem Exportzuwachs 1982/81 von 60 Prozent ging der Marktanteil der Amerikaner von 88 auf 42 Prozent zurück. An zweiter Stelle lag Japan mit 24 Prozent, gefolgt von der Bundesrepublik Deutschland mit 21 Prozent.

Der saudische Markt an "digitalen Recheneinheiten" nahm um nur 20 Prozent zu und betrug 1983 32 Millionen Dollar. In diesem Sektor konnten sich die US-Firmen mit einem Marktanteil von 56 Prozent behaupten. Die britischen Anbieter haben einen Exportrückgang von 26 Prozent hinnehmen müssen; sie blieben jedoch mit 14,4 Prozent an zweiter Stelle knapp vor den deutschen Anbietern mit 13,7 Prozent. Die deutschen Exporte stiegen um 77 Prozent auf 4,5 Millionen Dollar. An vierter Stelle lagen die Japaner mit einem Exportvolumen von 2,8 Millionen Dollar(1981: 120 000 Dollar).

Die britischen Hersteller führen im stark expandierenden Peripheriegerätesektor in Saudi-Arabien. Sie verdoppelten ihr Exportvolumen auf 27 Millionen Dollar. Die amerikanischen Hersteller verdreifachten ihr Exportvolumen, blieben jedoch an zweiter Stelle hinter Großbritannien. Andere europäische Anbieter aus Deutschland, Frankreich und Italien konnten ihre Exporte zwar auch in diesem Sektor erhöhen, ihre Marktanteile gingen jedoch etwas zurück. Belgien hingegen konnte seinen Marktanteil von 0,6 auf 4,7 Prozent steigern. Bemerkenswert ist, daß die Japaner ihren Markt in Saudi-Arabien im Bereich der Peripheriegeräte vollständig verloren haben.

Für 1983 liegen noch keine Zahlen über den DV-Markt in Saudi-Arabien vor. Tabelle 3 zeigt lediglich die amerikanischen Exporte nach Saudi-Arabien im Zeitraum Januar bis September 1983 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 1982. Wie bereits in den Vorjahren verzeichnet der Peripheriegerätesektor die größte Zuwachsrate. So wurden im genannten Zeitraum Terminals im Wert von 20,7 Millionen Dollar abgesetzt, was eine Vervierfachung des Verkaufsvolumens gegenüber dem gleichen Zeitraum 1982 bedeutet. Der Verkauf von Druckern hat sich im gleichen Zeitraum auf 12,8 Millionen Dollar versechsfacht.

Die Arabisierung von Betriebssystemen und Anwenderprogrammen wird immer mehr zum ausschlaggebenden Kriterium für den Absatz von Datenverarbeitungssystemen in Saudi-Arabien und den übrigen arabischen Ländern der Golfregion. Der hohe Stellenwert, den die Arabisierung in diesen Ländern genießt, läßt sich im wesentlichen auf folgende Gründe zurückführen:

- DV-Systeme werden zunehmend in den öffentlichen Verwaltungen eingesetzt und müssen zwangsläufig von Personen bedient werden, die über keinerlei Fremdsprachenkenntnisse verfügen. So hat die saudische Regierung verfügt, daß alle Korrespondenz mit saudischen Behörden ... arabischer Sprache geführt werden muß, damit solche Korrespondenz allen Regierungsbediensteten zugänglich wird. Gleiches gilt für Arbeitsmittel, wobei Computer keine Ausnahme mehr bilden.

- Die Wettbewerbssituation in der Golfregion erlaubt dem Anwender, Bedingungen an die DV-Systeme und deren Anbieter zu stellen und durchzusetzen. Bereits mehr als 20 Hersteller, darunter IBM, Wang, NCR und Hewlett-Packard, bieten arabisierte Versionen ihrer Systeme an, und die Zahl der arabisierten Systeme wächst praktisch von Tag zu Tag.

- Die "Arab Standardisation and Metrological Organisation" (ASMO) hat im November 1982 eine von allen arabischen Staaten akzeptierte Norm herausgegeben, in der die Verwendung der arabischen Schriftzeichen in der Datenverarbeitung und Datenübertragung geregelt wird. Diese Norm (ASMO 449) wird inzwischen von den meisten DV-Herstellern befolgt und in den neuen arabisierten Systemen mit großem Erfolg implementiert.

Die deutschen Hersteller haben sich offensichtlich nicht auf die neue Situation in den arabischen Ländern und vor allem in der Golfregion, die etwa 80 Prozent des DV-Marktes im arabischen Nahen Osten ausmacht, eingestellt. Abgesehen von wenigen arabisierten Endgeräten von Siemens (in den Bereichen Fernschreiben und Energie) ist dem Autor nur noch ein arabisches Terminal von IBAT bekannt. Es ist daher zu erwarten, daß es die deutschen Anbieter künftig immer schwerer haben werden, ihre Marktposition auf dem arabischen Markt zu behaupten oder gar auszubauen. Die bisherigen Erfolge der deutschen Anbieter lassen sich auf diesem traditionellen Markt nicht zuletzt auf das große Vertrauen zurückführen, das die Araber deutschen Erzeugnissen und deutscher Partnerschaft entgegenbringen. Die Araber haben aber auch Vorleistungen immer hoch geschätzt und als Zeichen des Vertrauens angesehen. Inzwischen darf die Arabisierung nicht mehr als besondere Vorleistung angesehen werden, sondern als eine wichtige Systemkomponente, die zunehmend die Absatzchancen von DV-Systemen in den arabischen Ländern mitentscheidet.

*Dr. Michael Agi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH in Bonn und Nahost-Kenner.