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Finanzminister wollen Fiscus abwickeln

30.06.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach vier Jahren droht der Fiscus GmbH das Ende. Am 23. Juni dieses Jahres beschlossen die Finanzminister der Bundesländer, das Gemeinschaftsunternehmen des Bundes und der Länder aufzulösen und sozialverträglich abzuwickeln. Die bislang entwickelten Produkte sollen in das neu aufgesetzte Projekt Konsens einfließen (Konsens = Koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung). Unter der Federführung von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen soll eine bundesweit einheitliche Steuersoftware für die rund 650 Finanzämter entwickelt werden.

Bei der Fiscus GmbH stoßen diese Pläne auf Unverständnis. Mit einer Protestaktion begleiten die rund 170 Mitarbeiter die Gesellschaftersitzung am 30. Juni, auf der die Auflösung der Gesellschaft vorbereitet werden soll. Die Auftragsbücher seien voll, Produkte könnten rechtzeitig auf den Markt gebracht werden und nach wie vor seien die Kunden an den Lösungen stark interessiert, versichert Fiscus-Geschäftsführer Olaf Bruhn. Der Beschluss, das Unternehmen abzuwickeln, sei überraschend gekommen und nicht nachzuvollziehen.

Bruhn bezweifelt, dass es den Ländern ohne zentrale Steuerung gelingen wird, das Vorhaben zu stemmen. Bereits seit dem Jahr 1991 bemühen sich Vertreter der Finanzverwaltung aus Bund und Ländern eine einheitliche Steuersoftware zu entwickeln - bislang vergebens. Schätzungen zufolge wurden dabei zwischen 250 und 900 Millionen Euro ergebnislos verschwendet.

Nachdem sich die Länder in den ersten Jahren nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, sollte eine eigens für das Projekt gegründete Firma die Sache richten. Im Januar 2001 nahm die Fiscus GmbH ihre Arbeit auf. Doch schon der Start stand unter keinem guten Stern (siehe: "Fiskus-Projekt steht vor dem Scheitern"). So lehnte es Bayern ab, sich an den gemeinsamen Entwicklungen zu beteiligen, und forcierte mit EOSS (EOSS = Evolutionär orientierte Steuersoftware) sein eigenes Projekt - mit im Fahrwasser die neuen Bundesländer und das Saarland. In den folgenden Jahren monierten Rechnungprüfer der Länder wiederholt die schleppenden Entwicklungen, die jedoch weniger der Fiscus GmbH anzulasten seien, als vielmehr der Unfähigkeit der verschiedenen Finanzverwaltungen, Entscheidungen zu treffen.

Im Sommer vergangenen Jahres zogen die politisch Verantwortlichen einen ersten Schlussstrich unter Fiscus (siehe: "Droht dem Fiskus-Projekt nach 13 Jahren und 900 Millionen Euro das Ende?"). In der Finanzministerkonferenz vom 9. Juli 2004 beschlossen die Minister, das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen. Fiscus wurde zum reinen Software-Dienstleister degradiert, der von den einzelnen Ländern mit Teilaufgaben betraut werden sollte. Bereits in einem Jahr könne man die ersten Programme einsetzen, tönte vor Jahresfrist der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser.

Doch davon ist nach einem Jahr keine Rede mehr. Die Länder seien in der Lage, mit dem neuen gemeinsamen Ansatz das Ziel "einheitliche Software in allen Ländern" zu erreichen, heißt es unverbindlich aus dem nordrhein-westfälischen Finanzministerium. Damit scheint sich das Projekt mehr denn je im Kreis zu drehen.

Wie es mit Fiscus weitergehen wird, steht in den Sternen. Nachdem in den vergangenen Monaten bereits rund die Hälfte der 350 Mitarbeiter gehen musste, kämpfen die verbleibenden Angestellten um ihre berufliche Zukunft. Die Fiscus-Führung denkt derweil über ein Management-Buy-Out (MBO) nach. In einer ersten Beratung hat der Aufsichtsrat der Fiscus GmbH, der sich aus Vertretern der Finanzverwaltungen der Länder zusammensetzt, diesem Vorhaben allerdings eine Abfuhr erteilt. Die Fiscus-Verantwortlichen befürchten, dass weitere Beratungen zu spät kommen, da ein baldiges Auseinanderbrechen der Firma zu befürchten sei.

In den kommenden Tagen beraten die verschiedenen Gremien weiter. Die COMPUTERWOCHE wird Sie über die kommenden Entwicklungen auf dem Laufenden halten. (ba)