Parallele Uebertragung komprimierter VSAM-Dateien

Filetransfer alter Schule in neuer RZ-Organisationsform

01.03.1996

Filetransfer von Druckdaten im IBM und Novell-Umfeld - an und fuer sich eine Selbstverstaendlichkeit. Anders sieht dies zweifellos aus, wenn eine im wahrsten Sinne des Wortes grossflaechige Kommunikationsstruktur mit mehreren Rechenzentren gestrafft werden muss. Dieter Bode* schildert diesen Umstellungsprozess am Beispiel der genannten Applikation, fuer die es galt, sich in das "neue Zeitalter" runderneuert und fuer die Belange der Benutzer optimiert hinueber zu retten.

Schon seit 1988 bezeichnet sich die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) bekanntlich als Gesundheitskasse und nicht mehr als Krankenkasse. Damit wurde eine neue Identitaet geschaffen, nach deren Verstaendnis man nicht mehr nur die Krankheiten der Mitglieder verwalten, sondern vor allem bei der Gesundheitserhaltung vorbeugend wirken moechte. Entsprechende Massnahmen zur Gesundheitsfoerderung setzen aber auch ein bestimmtes Mass an Kundennaehe und Betreuung voraus.

Die (auch) in diesem Zusammenhang zu sehende, am 1. Oktober 1993 neu gebildete AOK Hessen, eine aus 21 ehemals eigenstaendigen AOKs mit fuenf selbstaendigen Rechenzentren hervorgegangene Organisation, stellte die Verantwortlichen letztlich auch in puncto DV-Belange - sprich: die Integration der fuenf regionalen Rechenzentren in eine Zentrale mit gemeinsamen Datenbestand - vor grosse Herausforderungen. Immerhin mussten, um nur ein Beispiel zu nennen, den einzelnen Geschaeftsstellen weiterhin grosse Mengen gedruckter Daten in Listenform (Bestands- oder Statistik-Listen) zur Verfuegung gestellt werden.

Das mitten in Hessen gelegene AOK-Rechenzentrum Ziegenhain ist fuer die Betreuung der Regionaldirektionen und Hauptgeschaeftsstellen in Kassel, Korbach, Eschwege, Hoberg, Bad Hersfeld, Marburg, Wetzlar, Giessen, Alsfeld, Buedingen, Fulda, Limburg, Gross-Gerau, Bad Homburg, Hanau, Wiesbaden, Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Bensheim und Erbach zustaendig. Dort stehen nun fuer insgesamt 4800 Mitarbeiter in 170 Geschaeftsstellen rund 9000 LU-Sessions (Bildschirmterminals, PCs und Drukker) bereit, die in einem landesweiten Netz eingebunden sind.

Wie schon erwaehnt, bestand das Hauptproblem der neuen AOK Hessen bei der Rechenzentrumskonzentration in der Auflage, den Geschaeftsstellen auch weiterhin grosse Mengen von Druckausgaben so schnell wie moeglich (und vorher) zur Verfuegung zu stellen. Allein im groessten der bisher betriebenen Stand-alone-Rechenzentren, dem AOK-RZ Frankfurt (auf der Basis von VMS), wurden und werden taeglich rund 12000 Seiten "Druck-Output" produziert. Hier galt es nach der Umstellung sicherzustellen, dass die direkte und individuelle Verfuegbarkeit entsprechender Listen und Formulare weiterhin gewaehrleistet ist. Darueber hinaus war auch die Verteilung der Daten auf verschiedene Standorte zwingend. Dabei sollte allerdings die Durchsatzrate der interaktiven Dialogabfragen an den jeweiligen Arbeitsplaetzen nicht beeintraechtigt und die Belastung der HfD-Leitungen des Auskunftssystems durch Druckverfahren vermieden werden.

Die erste sich in diesem Kontext anbietende Loesungsmoeglichkeit in Form einer Kanalverlaengerung waere jedoch nur fuer das ehemalige Rechenzentrum in Frankfurt anwendbar gewesen. Ferner haette diese Variante den Nachteil hoher Investitionskosten mit sich gebracht und passte daher nicht in das vorhandene Katastophen-Backup- Konzept. Als zweite Loesungsmoeglichkeit stand demzufolge ein Filetransfer der Druckdaten zur Diskussion. Bei dieser Vorgehensweise lagen die Vorteile zum einen in den deutlich geringeren Investitionskosten, zum anderen in der Tatsache, dass die Applikation dann fuer alle AOK-Geschaeftsstellen in Hessen zugaenglich sein wuerde.

Die spezifischen Anforderungen an eine Filetransfer-Loesung wurden in einem Leistungskatalog zusammengefasst und bestanden unter anderem aus folgenden Vorgaben:

- Das Produkt sollte in der Lage sein, innerhalb des vorhandenen Netzes moeglichst viele VSAM-Dateien (Virtual Storage Access Methode) auf Einzel-PCs oder in ein PC-LAN parallel zu uebertragen,

- eine bedienerlose Uebertragung (vorwiegend nachts) sicherzustellen,

- durch ein zuverlaessiges Recovery-Verfahren zu einer groesstmoeglichen Stabilitaet beizutragen,

- durch Datenkomprimierung einen schnellen Transport sicherzustellen sowie

- einen echten "Daten-Austausch" zwischen PC und Host vorzunehmen, um damit die Moeglichkeit der Automatisierung voll auszuschoepfen.

Schon bei frueheren, in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der AOKs durchgefuehrten Testversuchen fuer Filetransfer-Loesungen, kam die Loesung "Network Data Mover" (NDM) auf den Pruefstand, die jetzt unter dem Namen "Connect Direct" von Sterling Software vertrieben wird. Die Connectivity-Software fuehrt den kompletten, operatorlosen Filetransfer als parallele Datentransmissionen durch und bietet dadurch eine Reihe von Vorteilen - zum Beispiel in Sachen Automatisierung des Filetransfers sowie Integration in bestehende Anwendungen durch eine entsprechende Prozess- Ausfuehrungssprache.

Der eigentliche Dateientransfer erfolgt dabei via SNA- Kommunikation auf Basis der Betriebssysteme MVS und VSE (ueber VTAM) zu einer Reihe anderer Computersysteme, die unter VM, VSE, Tandem, VMS, AS/400, Unix, OS/2 oder DOS betrieben werden koennen. Gleichzeitig wird eine Reihe von Uebertragungsprotokollem unterstuetzt, darunter SNA (LU6.2, LU0, LU1, LU2), TCP/IP und X.25. Last, but not least steht eine Checkpoint/Restart-Routine fuer den automatischen Wiederstart nach Uebertragungsfehlern zur Verfuegung, die noch durch eine vollstaendige Ausfuehrungsueberwachung fuer eine komplette und kundenspezifische Berichterstellung ergaenzt wird.

Aufgrund dieses Kataloges an Features machte schliesslich das Produkt von Stirling Software das Rennen. Anders formuliert: Fuer den sogenannten ersten Loesungsabschnitt (siehe Abbildung 1) wurde die Realisierung des Filetransfers der Druckdaten mit Connect Direct auf der Basis LU 0 oder LU 2 (Einzel-PC-Variante) beschlossen. Anfang Juli 1995 begann dann die Ueberfuehrung in den praktischen Betrieb, naemlich die naechtliche Uebertragung der Druckdaten unter dem Betriebssystem MVS. Hierbei handelt es sich ausschliesslich um mit einem Scanner erstellte Dateien (mit dem AFP-Qualitaets-Druckverfahren fuer Formulare, Grafiken und individuelle Briefe an Kunden, zum Teil mit Original- Unterschriften).

Im Rahmen dieses ersten Loesungsabschnittes wurden die AOK- Geschaeftsstellen Wetzlar, Giessen, Marburg und Fulda eingebunden.

Auf den dort installierten File-Servern laeuft die Connect-Direct- Version 1.1.0, die PC-Programme vor Ort wurden von AOK- Programmierern in Visual-Basic beziehungsweise unter Windows entwickelt.

Die in den betreffenden Geschaeftsstellen installierten Hochleistungs-Laserdrucker "Lexmark" und "Optra LX" sind zudem in der Lage, AFP-Drucke mit einer Aufloesung bis 1200 Bit/s auszudrucken. Bis Ende 1995 war vorgesehen, die Druckaufbereitung fuer die anderen Geschaeftsstellen, die jetzt noch mit Hilfe von VSE/ESA 1.3 unter VM/ESA bewerkstelligt wird, ebenfalls auf MVS umzustellen.

Damit wird gleichzeitig der zweite Loesungsabschnitt (siehe Abbildung 2) in die Praxis umgesetzt, der den Filetransfer der Druckdaten mit "Connect Direct for Netware" auf der Basis LU 6.2 vorsieht. Diese spezielle Netzvariante der Connectivity-Software laeuft als Netware-Anwendung und ermoeglicht erstmals die Hochleistungs-Filetransfer-Kommunikation in der Novell-Umgebung. Sie erlaubt eine flexible Automation und den Support fuer multiplen simultanen Filetransfer mit Multitasking- und Background- Aktivitaeten. Dabei wird ein Netware Loadable Module (NLM) zur Verfuegung gestellt, das die Ausfuehrung der Kommunikation und Filetransfer-Anfragen zwischen Novell-LANs und anderen Connect- Direct-Nodes im Netz, beispielsweise unter MVS, Unix, OS/400 oder in anderen Netware-LANs, realisiert.

Im Rahmen der taeglichen Verarbeitung der Batch-Programme im Rechenzentrum der AOK Hessen wird nun also durch Automations- und Job-Scheduling-Systeme mit Zugriff auf die IMS-Datenbank der Filetransfer gesteuert. Die Druckausgaben der einzelnen Batch-VA- Abschnitte werden dabei pro Geschaeftsstelle in VSAM-Dateien zur Verfuegung gestellt. Am Ende des jeweiligen Batch-VA-Abschnittes wird der vordefinierte Filetransfer-Prozess (Zieldefinition: VTAM- Adresse des PCs und Verzeichnis auf der Festplatte des PCs) automatisch initiiert. Connect Direct laeuft dabei als VTAM- Applikation unter VSE oder MVS und kann mehrere Prozesse parallel bearbeiten.

Auf der Gegenseite, also in der Geschaeftsstelle, ist die Software im jeweiligen LAN-File-Server ebenfalls implementiert, wobei sich das Produkt hier in einer Empfangsstellung befindet. Das heisst, waehrend der Uebertragung werden die Daten komprimiert und auf der Festplatte der Empfangsseite wieder dekomprimiert zur Verfuegung gestellt. Nach der Uebertragung erfolgt die Selektion der uebertragenen Daten nach Listenarten, Verwaltungsstellen etc. Anschliessend wird der File-Server wieder in Empfangsstellung gebracht. Sind jedoch in der Zwischenzeit erneut Dateien zur Uebertragung aufgelaufen, werden diese Host-seitig in eine Warteschlange gestellt und - sobald die Empfangsbereitschaft auf PC-Seite wiederhergestellt ist - an diese uebergeben.

Download von Daten fuer den Aussendienst

Gerhard Peter, Technischer Leiter im AOK-Rechenzentrum in Schwalstadt, ist von seinen Praxiserfahrungen mit Connect Direct angetan. Die an das Produkt gestellten Anforderungen wurden seiner Meinung nach erfuellt - mit entsprechenden Auswirkungen auf die weiteren Planungsschritte. Sein Fazit: "Wir haben die Software in den vergangenen Monaten in weiteren Bezirksdirektionen implementiert und sind damit zufrieden." Seinen Angaben zufolge ist in der Endausbaustufe, die demnaechst erreicht werden soll, der Transport von bis zu 50000 Seiten pro Nacht zu den einzelnen AOK- Geschaeftsstellen vorgesehen.

Innovatives von der Anwendungsfront weiss der DV-Manager aber auch noch in Sachen mobiler Kommunikation zu berichten. Immerhin benoetigen die AOK-Aussendienstmitarbeiter zur optimalen Betreuung der Mitglieder moeglichst direkten Zugriff auf das Datenmaterial. Die hierzu notwendigen PC-Anwendungen werden auf Notebooks zur Verfuegung gestellt. Hierzu erfolgt nachts mit Hilfe von Connect Direct for Netware ein Download der relativ grossen Datenmengen vom Host zum jeweiligen Fileserver im LAN. Auf diese Weise ist es den Aussendienstmitarbeitern in den einzelnen Geschaeftsstellen moeglich, sich auf ihr Notebook oder ihren Laptop die fuer die Mitgliederbetreuung notwendigen Daten vom Fileserver zu laden.

Kurz & buendig

Nach den bundesweiten FTAM-Erfahrungen der Allgemeinen Ortskrankenkasse (siehe "Heterogene Umgebung der AOK integriert FTAM-Uebertragung" in CW. Nr. 7 vom 16. Februar 1996, Seite 37) geht es dieses Mal bei der regionalen AOK Hessen um die Neuimplementierung einer fast schon traditionellen Filetransfer- Anwendung - naemlich der Uebertragung von Druckdaten. Mit Hilfe der Connectivity-Software "Connect Direct" gelang es dabei, den parallelen Transport von VSAM-Dateien in einer stark konzentrierten RZ-Landschaft zu optimieren.

*Dieter Bode ist freier Journalist und Berater in Schwerte.