Filenet stärkt IBMs Softwaregeschäft

14.08.2006
Mit der Übernahme kauft sich Big Blue Anteile im ECM-Markt.

Der Markt für Enterprise-Content-Management (ECM) ist im Aufwind. Nachdem Open Text angekündigt hatte, sich Hummingbird einzuverleiben, legte IBM mit dem Kaufangebot für Filenet nach. Das Angebot von 1,6 Milliarden Dollar oder 35 Dollar je Aktie lag mit 35 Cent allerdings nur einen Punkt über dem Schlusskurs (34,65 Dollar) von Filenet. Sofort gab es daher Spekulationen, die bescheidene Offerte könnte Mitbieter wie etwa Oracle auf den Plan rufen. Laut IBM und Filenet sei aber bereits eine endgültige Vereinbarung getroffen worden. Allerdings müssen die Aktionäre und Aufsichtsbehörden noch zustimmen.

Filenet mit Sitz im kalifornischen Costa Mesa hat sich seit seiner Gründung 1982 durch Zukäufe und Eigenentwicklung ein umfangreiches Portfolio für ECM aufgebaut. Der Hersteller zählt zu den fünf größten Anbietern im Markt und betreut nach eigenen Angaben 4300 Kunden weltweit. Die rund 1700 Beschäftigten erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 421,8 Millionen Dollar bei einem Nettogewinn von 40 Millionen Dollar, wobei insbesondere das Wartungsgeschäft eine wichtige Einnahmequelle bildete.

Für IBM wäre es die 56. Übernahme seit 1995, die viertgrößte in der Unternehmensgeschichte und die dritte in einer Woche. Der Kauf stärkt die eigene Softwaresparte.

Diese wird für IBM immer wichtiger, da sie wesentlich höhere Margen abwirft als das Hardware- und das Servicegeschäft. Der ECM-Markt generierte laut Gartner im vergangenen Jahr weltweite Lizenzumsätze von 1,4 Milliarden Dollar. Hinzu kommen Serviceeinnahmen in mindestens gleicher Höhe.

Hinter EMC/Documentum und Open Text rangiert Big Blue derzeit mit einem Marktanteil von 12,5 Prozent auf Platz drei, dicht gefolgt von Filenet mit 12,4 Prozent. Obwohl die IBM bereits einen ganzen Bauchladen an Tools und Datenbanken unterhält, argumentiert sie damit, die Technik von Filenet zu brauchen. So bietet Filenet Branchenlösungen beispielsweise für Banken, das Gesundheitswesen und Versicherungen. Ferner ist Filenet IBMs größter Konkurrent auf dem Gebiet des Dokument-Imagings. Ambuj Goyal, Chef der IBM-Softwaresparte Information Management, sprach auch von technischen Gründen für den Kauf: So ermögliche die ECM-Suite "Filenet P8" ein Content-getriebenes Management von Geschäftsprozessen, während IBM nur die Dokumentenverwaltung in Transaktionsprozessen unterstütze. Künftig werde man beide Konzepte vereinen und so der IBM-Strategie eines "Information on Demand" einen Schritt näher kommen - erklärte Goyal.

Große Überschneidungen

Tatsächlich zeigen sich zwischen den Produkten beider Hersteller große Überschneidungen. Wie Open Text in Bezug auf Hummingbird muss auch IBM den Kunden erläutern, wie es die Portfolios ordnen und integrieren will. Marktkenner erwarten allerdings, dass nach außen zunächst alles beim Alten bleibt, um die Umsätze nicht zu gefährden, intern allerdings ein schleichender Umbau stattfinden wird. Da der Deal voraussichtlich erst im vierten Quartal abgeschlossen sein wird, wollte Goyal noch keine Details nennen. Filenet soll Teil der Information-Management-Division von IBM werden. Lee Roberts, President und Chief Executive Officer von Filenet, sowie alle Mitarbeiter wechseln zu Big Blue. Rätselraten herrscht hingegen über die Vorteile, die Filenet von der Übernahme hat. Marktbeobachter behaupten, dass es dem Unternehmen an Wachstumsstrategien gefehlt habe und es angesichts der beginnenden Konsolidierung im Markt die Flucht nach vorn angetreten habe. (as)