IBMs Virtualisierungskonzept

"File-Sharing ist das Nirwana der Datenverarbeitung"

06.04.2001
HANNOVER (kk) - Mit Walter Raizner, General Manager von IBMs Storage Products Division, sprach CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstätter.

CW: Was sind derzeit die bevorzugten Interfaces für Speicher, SCSI oder Fibre Channel?

Raizner: Bei großen Kunden ist der Fibre Channel für Storage Area Networks (SANs) die Technik, die gewünscht wird.

CW: Wie steht es mit neuen Ansätzen etwa IP über Gigabit Ethernet?

Raizner: Nein, das ist noch zu früh. Aber NAS (Network Attached Storage) ist ein großes Thema, weil das IP-Environment genutzt wird. Allerdings sind das derzeit noch relativ begrenzte Bereiche, etwa für Arbeitsgruppen, Abteilungen oder Internet-basierende Anwendungen.

CW: Aber die Unternehmen verfügen bereits über Ethernet-Umgebungen.

Raizner: Die großen Kunden müssen wegen der Management-Probleme auf den Fibre Channel setzen. IP hat heute noch zu viele Nachteile und hinkt bezüglich der Performance oder Skalierbarkeit hinterher. Allerdings erwarten wir, dass IP und FC in den nächsten zwei bis drei Jahren zusammenwachsen wird. Das war auch für uns der Grund, weshalb wir mit iSCSI auf den Markt kommen wollten. Wir gehen aber nicht davon aus, dass in absehbarer Zeit, iSCSI den Fibre Channel ersetzen wird.

CW: Wie ist das Linux-Engagement der IBM im Speicherbereich einzuordnen?

Raizner: Das ergänzt unsere Server-Strategie. Linux-Server ohne passende Speichersysteme sind nur eine halbe Sache.

CW: Linux alleine hilft aber nicht, die Inkompatibilitäten zwischen den SAN-Komponenten zu bereinigen.

Raizner: Unsere Aussage ist die, dass all die Versprechungen über Storage Networking - die Verwaltbarkeit und der Zugriff auf alle Daten etc. - nur erfüllt werden können, wenn offene Standards da sind. Sonst entstehen Inseln, mit denen der Kunde zwar ein NAS oder SAN implementieren kann, aber trotzdem keine Transparenz und keinen Zugriff von verschiedenen Ressourcen aus hat. Das gilt gleichermaßen für Speicher und für Linux: Die Zeiten der proprietären Systeme sind zwar noch nicht vorbei, die wird es noch einige Zeit geben. Aber der Druck der Kunden steigt, über die Herstellergrenzen hinwegzukommen.

CW: Wie macht die IBM ihre Speichersysteme Linux-fähig?

Raizner: Es muss relativ wenig geändert werden, lediglich ein Stück Softwarecode, das auf dem Subsystem läuft. Allerdings ist das nicht trivial, weil der Mikrocode verstehen muss, was dieser General Linux Layer sagt. Für uns ist das im Prinzip nur eine neue Schnittstelle, die auf dem Server angesprochen wird. Bei klassischen Systemen, etwa bei EMC oder Hitachi, muss der ganze Mikrocode angefasst werden, und das ist relativ komplex. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass wir auch die Leistung schnell erhöhen können.

CW: Wie ist die Kooperation mit Compaq zu bewerten?

Raizner: Generell gilt, dass IBM sehr aktiv ist, in der Industrie die Standards voranzutreiben. So bemühen wir uns etwa zusammen mit Cisco darum, die Vereinheitlichung von iSCSI zu fördern. Die Vereinbarung mit Compaq im Vorjahr war nicht nur ein OEM-Abkommen. Natürlich ging es auch darum, unsere Angebotslücke im mittleren Leistungsbereich zu schließen. Aber der Hauptgrund war das gemeinsame Verständnis von Open Storage Networking.

CW: Das war und ist doch das Bestreben aller Hersteller. Bislang waren SANs gar nicht anders möglich.

Raizner: Compaq und IBM wollen ihre Systeme kompatibel machen. Der nächste Schritt ist, andere Hersteller an den Tisch zu bekommen.

CW: Die Anbieter der noch fehlenden Komponenten, zum Beispiel der Switches?

Raizner: Andere Hersteller von Servern und Speichersystemen. Die Idee ist, dass sich alle auf bestimmte Schnittstellen einigen.

CW: Wird IBM auch Compaqs zukünftige Speicherarchitektur Versastor unterstützen?

Raizner: Ja. Im Gegenzug will Compaq das Virtualisierungskonzept unseres Storage Tank unterstützen.

CW: Was kann man darunter verstehen?

Raizner: Der Storage Tank ist ein File-basierendes Virtualisierungskonzept. Er erlaubt dem Kunden echtes Datasharing, zumindest in der zweiten oder dritten Version: Egal ob Unix- oder NT-System, es soll ein File existieren, auf den gemeinsam gelesen und geschrieben werden kann. Das ist das Nirwana für einen, der Datenverarbeitung macht.

CW: Muss ich dafür nicht Zugang zu den File-Systemen der Betriebssysteme erhalten? Veritas arbeitet daran doch schon seit langem.

Raizner: Bei Storage Tank ist ein File-System in jedem Server implementiert. Dieses File-System spricht mit dem Meta-Server, der die Speicheranfragen regelt. Problematisch kann sein, wie der virtuelle Layer gestrickt ist und wie sich die Anfragen synchronisieren lassen.

CW: Derzeit arbeiten Virtualisierungskonzepte meist auf Block-Level.

Raizner: Das große Thema wird sein, wie bringen wir die beiden Konzepte zusammen? Ich glaube, dass dem File-Level-Sharing die Zukunft gehört, weil nur damit echtes Data-Sharing möglich ist.