Die Linux- und Unix-Gemeinden sind verunsichert und empört

FiaSCO nach Klage gegen IBM absehbar

28.03.2003
MÜNCHEN (CW) - Was vielen zuerst als Witz erschien, könnte sowohl für die Linux-Community als auch für SCO tragisch enden. Nach der Milliardenklage gegen IBM erlebt SCO einen Sturm der Entrüstung.

Die Unix-Gemeinde ist nach der Klage von SCO wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung und unlauteren Wettbewerbs gegen IBM (siehe CW 11/03, Seite 7) zusammengezuckt. Zwar erklären HP und Sun, sie fühlten sich von SCO nicht bedroht, aber anscheinend macht sich Verunsicherung breit. So hat John Loiacono, Chef der Operating Systems Group bei Sun, angemerkt: "Wir ändern unsere Linux-Strategie. Wir legen eine Pause ein, um zu überlegen, was die Implikationen dieses Vorgangs sein könnten."

Es könnte auch darauf hinauslaufen, dass Sun nicht weniger, sondern eher stärker auf Linux setzt. George Weiss, Forschungsdirektor bei Gartner, glaubt, die Klage werde SCOs Geschäft nicht gut tun, denn sie beschädige das Vertrauen der Partner. Weiss geht noch weiter: "Ich würde SCO-Anwendern empfehlen, einen Plan für alle Fälle oder zur Migration auf eine andere Plattform aufzustellen."

Warten auf den Gegenangriff

Unverändert gibt IBM keine Stellungnahme zur SCO-Klage ab. Aus der auffälligen Zurückhaltung leiten Beobachter den Schluss ab, Big Blue bringe hinter den Kulissen eine Armada eigener Rechtsanwälte in Stellung. SCO könnte sich alsbald mit einer massiven Gegenklage von IBM konfrontiert sehen, zumal SCO damit gedroht hat, IBMs Unix-Lizenz für AIX zum 13. Juni 2003 zu kündigen. Der noch mit AT&T im Jahre 1985 geschlossene Lizenzvertrag gibt in einem Zusatz IBM "unwiderrufliche" und "fortdauernde" Rechte an Unix. Ein weiterer Zusatz schränkt diese Rechte bei grober Vertragsverletzung aber wieder ein. Verschiedene auf Lizenzrechte spezialisierte US-Anwälte gehen unter solchen Umständen von einem jahrelangen Gerichtsverfahren mit unwägbarem Ausgang aus.

Die Anwälte weisen darauf hin, dass SCO materielle Beweise für den Vorwurf erbringen muss, IBM habe Unix-Quellcode an andere Personen weitergegeben. Genau dieser Beleg wird in der Klage nicht geliefert, obwohl SCO den offenen Linux-Quellcode als Distributor seit Jahren kennt und mit Leichtigkeit auf Übereinstimmungen mit Unix-Code untersuchen könnte. SCO glaubt stattdessen, Erklärungen verschiedener IBM-Manager, irgendwann AIX-Quellcode allgemein verfügbar machen zu wollen, seien ein Beweis der Tat.

Der für Urheberrechtsfragen zuständige Vice President von SCO, Chris Sontag, bekundete inzwischen, die Klage habe "mit einzelnen Codezeilen nichts zu tun", vielmehr gehe es um "Methoden, Konzepte und abgeleitete Arbeiten". Ob sich selbst dieser weit gefasste Eigentumsbegriff gegen IBM verwenden lässt, bezweifelt Joe Barr, ein freier Journalist und regelmäßiger Kolumnist für die "Linuxworld". Schließlich habe IBM aus seiner Entwicklung diverser Betriebssysteme genug Wissen um Techniken gewonnen, die SCO jetzt für Unix reklamiert. Auch Intel-basierende Systeme seien keine SCO-Domäne gewesen, immerhin hat IBM einst zusammen mit Microsoft OS/2 entwickelt.

Wer hat Urheberrechte an Unix?

Peter Salus, Chief Knowledge Officer bei Matrix Netsystems und Kenner der Unix-Geschichte, stellt in Frage, wie viel geistiges Eigentum an Unix SCO für sich beanspruchen kann. Der Unix-Historiker führt beispielsweise aus, dass der gängige Unix-Editor "vi" von einem Studenten namens Bill Joy entwickelt wurde, dem späteren Mitbegründer von Sun. Der Open-Source-Evangelist Eric Raymond hat in einer umfangreichen Ana-lyse (www.opensource.org/sco-vs-ibm.html) dargestellt, dass Unix in einer Open-Source-ähnlichen Arbeitsweise vor allem im universitären Umfeld entwickelt wurde. Er weist nach, wo sich in der SCO-Klageschrift zahlreiche Fehler in der Darstellung der Unix-Geschichte finden.

Derweil hat sich Alan Cox, ein Linux-Kernel-Spezialist und Vertrauter von Linus Torvalds, zu Wort gemeldet: "Ich empfinde die SCO-Erklärung als beleidigend, dass wir Linux-Leute ohne fremdes Wissen kein qualitativ hochstehendes Betriebssystem entwickeln könnten." Auch Linus Torvalds weist die SCO-Interpretation zurück, erst IBMs Unix-Wissen habe Linux zu einem respektierlichen Betriebssystem gemacht. Das Gegenteil sei der Fall: "Die IBM hat Linux ernst genommen, weil sie bemerkte, dass es sich für Geschäftsanwendungen eignet."

Im Übrigen reagierte Torvalds deutlich gelassener als ein großer Teil der Open-Source-Gemeinde. In diversen Internet-Foren hagelte es Stellungnahmen, die zum Boykott von SCO aufriefen und der Firma ein baldiges Ende wünschten. Open-Source-Evangelist Bruce Perence: "Wir werden niemals mehr irgendwelche Produkte von SCO oder Caldera empfehlen."

Das Ende von SCO könnte nach Ansicht vieler Beobachter tatsächlich kommen - und zwar gewollt. SCO ist mit einer Marktkapitalisierung von 25 Millionen Dollar deutlich billiger als der Klagewert. IBM würde mit einer Übernahme die Klage aus der Welt schaffen. SCO könnte sich aber, so Perens, auch Microsoft andienen. Mit den Unix-Rechten in der Hand vermöchte Microsoft seine FUD-Kampagne (fear, uncertainty and doubt) gegen Linux viel effektiver fortzusetzen. Doch statt ein Preisrennen mit Microsoft anzufangen, werde IBM SCO mit Gegenklagen überziehen, um Bill Gates vor dem vermeintlichen Schnäppchen zurückschrecken zu lasssen. Am Ende würden die Unix-Rechte dann doch bei IBM landen - und womöglich als Open Source allgemein verfügbar gemacht. (ls)