Fernmeldebenutzer legen Stellungnahme zum FMG-Entwurf vor: PTT soll alle Teilnehmeranlagen freigeben

09.01.1987

BERN (CW) - Die Schweizerische Vereinigung von Fernmelde-Benutzern (Asut) fordert ein "liberales" und "fortschrittliches" Fernmeldegesetz (FMG). Das heißt: Die Asut verlangt die Freigabe aller Endgeräte unter Einschluß der Hauszentralen. Eine bloß schrittweise Lockerung des PTT-Monopols, wie es der FMG-Entwurf des Bundesrates vorsieht, wird abgelehnt.

Zwar behält sich die Asut die endgültige Stellungnahme zum FMG-Entwurf noch vor. Doch auf der Asut-Herbsttagung unlängst in Bern hat sich in groben Zügen abgezeichnet, wie diese Stellungnahme ausfallen wird. Mit sieben grundsätzlichen Forderungen ist zu rechnen:

- Mit dem Inkrafttreten des neuen FMG sollen sämtliche Teilnehmeranlagen aus dem Monopolbereich entlassen werden, sofern die Netzsicherheit gewährleistet ist.

- Eine unabhängige Beraterkommission des Bundesrates sei im Gesetzestext zu verankern.

- Festsetzung von marktgerechten und mit dem Ausland konkurrenzfähigen Tarifen.

- Die technische Genehmigung der Teilnehmeranlagen ist einer von den PTT-Betrieben unabhängigen Instanz zu übertragen.

- Differenzierung zwischen Grunddiensten und erweiterten Diensten.

- Keine Unterscheidung zwischen Endgeräten und Hauszentralen.

- Separate PTT-Buchhaltung für Dienstleistungen, die in Konkurrenz zu Privaten erbracht werden.

Alex Fey, stellvertretender Direktor der "Zürich"-Versicherungsgesellschaft, machte in seinem Referat klar, wo es nach Meinung der Fernmelde-Benutzer langgehen soll: "Es ist nicht mehr vorstellbar, daß eine staatliche Stelle entscheidet, was von wem und für wen produziert wird."

Bis zum Inkrafttreten des neuen FMG in frühestens fünf Jahren verbleibt der schweizerischen Fernmeldeindustrie nach Asut-Meinung genügend Zeit, um sich auf die vollständige Liberalisierung des Gerätemarktes einzustellen.

Das vom Bundesrat gewählte Vorgehen, sich im neuen FMG auf Grundsätze zu beschränken und Aufgaben, deren Lösung stark vom Stand der technischen Neuerung abhängt, auf dem Verordnungsweg zu regeln, stößt bei der Asut auf Zustimmung - und Mißtrauen. Dazu Alex Fey: "Der große Interpretationsspielraum, der gezwungenermaßen notwendig ist, überläßt der vollziehenden Behörde sehr viele Freiheiten in der Erstellung der Verordnung. Auf die Gestaltung dieser Verordnung haben weder der Bürger noch das Parlament einen bestimmenden Einfluß. Mit der Verordnung erhält das Gesetz praktisch das Fleisch am Knochen."

Um unliebsame Überraschungen auszuschließen, will die Asut eine unabhängige Beraterkommission im FMG verankert wissen. Diese müsse direkt dem Bundesrat unterstellt sein und ihm als beratendes und antragstellendes Gremium zur Seite stehen. Auch soll die technische Genehmigung der Teilnehmeranlagen nach Asut-Optik einer unabhängigen Instanz übertragen werden. Fey bemerkte gar: "Aus der Vergangenheit sind genügend Fälle bekannt, bei denen Genehmigung bestimmter Produkte gewollt oder durch Überlastung der betreffenden Prüfstelle in unverantwortbarer Weise verzögert wurde." Die PTT habe sich darauf zu beschränken, Pflichtenhefte zu erlassen, damit die Netzsicherheit gewährleistet werden könne. Um eine rasche und bedarfsgerechte Homologierung sicherzustellen, könnten auch neue Wege gewählt werden; dabei sei insbesondere an die Anerkennung von bereits im Ausland durchgeführten Prüfungen, welche eidgenössischen Standards entsprechen, zu denken.

Die Differenzierung zwischen Grunddiensten und erweiterten Diensten stellen sich die Asut-Mitglieder folgendermaßen vor: Als Grunddienste sind die Einrichtungen für den reinen Transport von Informationen zu betrachten. Diese gehörten unter den Monopolbereich. Unter die erweiterten Dienste soll hingegen die Bearbeitung von Daten der Benutzer fallen - sei es durch Erstellen, Speichern, Verändern, Verteilen oder Auswerten von Informationen. Diese erweiterten Dienste müßten in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft angeboten werden. Fey: "Grunddienste und erweiterte Dienste können aufgrund des OSI-Modells (ISO-Standard) genau und eindeutig definiert werden."

Als "nicht mehr zweckmäßig" bezeichnet die Asut eine Unterscheidung in Endgeräte und Hauszentralen. Bedingt durch den technischen Fortschritt würden die Benutzeranforderungen immer vielfältiger. Mit der bereits heute erkennbaren Multifunktionalität der Benutzeranlagen sei eine klare Trennung in Endgeräte und Hauszentralen nicht mehr haltbar. Diese beiden Komponenten sollten unter dem Oberbegriff "Teilnehmeranlagen" zusammengefaßt werden.

Zwar wird den PTT in Asut-Kreisen das Recht zugestanden, auf dem liberalisierten Markt ebenfalls Teilnehmeranlagen sowie erweiterte Dienste in Konkurrenz zur Privatwirtschaft zu kostendeckenden Preisen anzubieten. Doch mißtraut man den "heiklen Situationen" (Fey), die es gebe, wenn Staatsbetrieb und Privatwirtschaft in Konkurrenz um Marktanteile ringen würden. Darum wird von der Asut "klare Kostentransparenz auf allen Bereichen" gefordert.

Hans Rüegsegger, oberster PTT Kundendienstchef, erklärte im an schließenden Podiumsgespräch, es bestehe nicht die Absicht, durch Quersubventionierung Produkte zu verbilligen, die auf dem freien Markt in Konkurrenz zur Privatwirtschaft abgesetzt würden. Doch müsse der PTT zugestanden werden, daß sie auch mal ein Produkt zu nicht kostendeckendem Preis verkauften, "um es auf dem Markt zu lancieren". Rüegsegger: "Wir wollen uns da keine Bremse einbauen lassen."

Als Vertreter der Wissenschaft eingeladen, die in der vorberatenden Kommission für das FMG übergangen worden sei, bemängelte ETH-Professor Peter Leuthold, Vorsteher des Institutes für Kommunikationstechnik, daß man zu sehr das Telefon in den Mittelpunkt gestellt habe. Auch die wissenschaftlich-technische Seite müsse in der Beraterkommission vertreten sein. Ernst Schlenker, beratendes Direktionsmitglied der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft, erwartet vom neuen FMG dies: "Wir wollen so frei wie möglich sein, damit wir beschaffen können, was und wo wir wollen."