Ferndiagnose: Mündige Anwender auf dem Prüfstand?

23.03.1979

Wer glaubt, durch den neuen IBM-Service der Ferndiagnose seine Software-Kosten in den Griff zu bekommen, wird sich sehr bald wundern", warnt Wolfgang Koppmeyer, EDV-Chef bei Schubert & Saltzer in Ingolstadt, die Kollegen. Er will weder mit Hard- noch mit Software-Ferndiagnose ins kalte Wasser springen, sondern lieber mehr Geld ausgeben, "wenn dafür weiterhin ein IBM-Spezialist ins Haus kommt". Koppmeyer ist sich darüber im klaren, daß er arg ins Schwimmen käme, wenn der Marktführer die - wie er (Koppmeyer) glaubt - erforderlichen Spezialisten nicht mehr "life" bereitstellte: Ein freimütiges und deshalb um so sympathischeres Bekenntnis zur eigenen Unmündigkeit. Der von Koppmeyer aufgezeigte Widerspruch ist offenkundig: IBM sprang bisher stets für den Kunden ein und will jetzt glauben machen, es gehe auch ohne Bevormundung. hö

Peter Köhn

Leiter der Datenverarbeitung,

Verbraucherbank AG,

Hamburg

Wir haben ein Modell der 4300-Serie bestellt. Als großen Vorteil sehe ich bei den Systemen die Erweiterung des ECC (Error Checking and Correction). Wenn das Konzept tatsächlich so funktioniert wie versprochen, wäre eine Hardware-Ferndiagnose meiner Ansicht nach fast überflüssig. Ein Techniker kann auch nicht mehr tun, als die ihm angezeigten defekten oder fehlerhaften Teile auszutauschen. Und das dauert - bei einem entsprechenden Wartungsvertrag - meist nie länger als eine Viertelstunde.

Sollte nun - wie für die 4300-Serie geplant - über das ECC ein Fehlercode ausgegeben werden, kann der Techniker durch diese sehr aussagefähige Fehlerdefinition die entsprechenden Teile gleich mitbringen, ohne vorher die Maschine gesehen zu haben.

Bei uns ist derzeit noch eine 370/135 installiert. Wenn hier der Speicher anfängt zu "mucken", merken wir dies bereits sehr viel vorher, da die "Single Errors" gezählt werden. Nimmt die Fehlerhäufigkeit in einem Chip zu, so erhalten wir die Meldung "Storage Maintenance Advice". Wir wissen dann bald sehr genau, welcher der Chips defekt ist.

Sehr begrüßen werde ich die Möglichkeit, auch Softwarefehler per Ferndiagnose beheben zu können. Diese Diagnose könnte später einmal über das Paketvermittlungsnetz erfolgen. Problematisch hierbei ist nur, daß man immer weniger von der Technologie versteht; man weiß nicht mehr genau, wie die Controller arbeiten, wie die Plattenspeicherung vor sich geht. Man kann sich hierbei kaum mehr selbst behelfen.

Hier muß allerdings bemerkt werden, daß wir auch bei der Software in der letzten Zeit kaum noch Fehler hatten: Es gibt neue Releases und das IPO-System, so daß die Software auch hier kaum noch Probleme mit sich bringt. Und wenn, dann werden diese Reklamationen sehr schnell durch das IBM-Labor geklärt.

Einen wesentlichen Vorteil sehe ich auch in der vorgenerierten und vorkonfigurierten Software, die mit der 4300 jetzt offeriert wird. Diese Software muß nur noch geladen werden und der Anwender kann sofort mit der Arbeit beginnen. Man kann so jetzt sehr schnell testen, ob das angebotene Software-System den Erwartungen entspricht.

Wolfgang Koppmeyer

Leiter der Datenverarbeitung, Schubert & Saltzer, Ingolstadt

Wir werden ein System IBM 4341 installieren - allerdings ohne den dazu angebotenen Service der Ferndiagnose. Meiner Ansicht nach können nur simple Zusammenhänge telefonisch geklärt werden, da beide Gesprächspartner über einen oft sehr unterschiedlichen Wissensstand verfügen.

Immer wieder konnte ich in der Vergangenheit bei Gesprächen mit Systemspezialisten der IBM feststellen, daß man von deren Wissen einfach überfahren wird. Ich würde spätestens beim zweiten Versuch einer Ferndiagnose die Hand vom Telefonhörer weglassen, weil ich wahrscheinlich sowieso nichts erfahren könnte - außer, über welch schönes Wissen die Ferndiagnostiker verfügen.

Eine Hardware-Ferndiagnose kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Simpel ausgedrückt: Kann eine Plattenjustage telefonisch durchgeführt werden? Ich bin der Ansicht, daß durch den Versuch auftretende Fehler aus der Ferne beheben zu lassen, die eigentlichen Probleme im Haus nur noch mehr verzögert werden.

Die IBM will durch dieses Verfahren sicherlich von den hohen Kosten für den gesamten Service-Bereich herunterkommen. Mehr als eine "Telefonseelsorge" erwarte ich von dem Service allerdings nicht. Meiner Ansicht nach kann heute der Gesprächspartner auf der Anwenderseite dem IBM-Mann am anderen Ende sein Problem nicht so klar spezifizieren, daß ein Systemspezialist beim Hersteller genau erkennen kann, was zu tun ist. Möglich ist die Ferndiagnose vielleicht dann, wenn ein DE-Techniker im Hause des Anwenders diese Ferndiagnose übernimmt, mit den Spezialisten selber spricht und dann dessen Anweisungen befolgt.

Computer werden doch heute so hergestellt, daß der Anwender gar nicht mehr zu wissen braucht, was darin eigentlich vor sich geht. Auf der anderen Seite setzt man durch die Diskussion um die Ferndiagnose einen mündigen Partner in Sachen Software und Hardware voraus. Meinen persönlichen Erfahrungen nach ist damit heute jeder, der ein Rechenzentrum betreibt, mehr oder weniger überfordert. Er hat sich doch selbst vor Jahren in eine Art Abhängigkeit dadurch begeben, daß von seiten des Herstellers immer ausreichend Hard- und Software-Spezialisten zur Verfügung standen, die ihm bei seinen Problemen geholfen haben. Ich selbst habe oft Schwierigkeiten, das Hersteller-Chinesisch zu verstehen, obwohl ich mich seit nunmehr 14 Jahren mit der EDV beschäftige. Wer glaubt, jetzt durch die Ferndiagnose endlich seine Softwarekosten in den Griff zu bekommen, liegt schief. Wir werden das neue Modell nur mit einem 100prozentigen Softwarewartungsvertrag abschließen und das Angebot der Ferndiagnose dankend ablehnen.

Volker Lowitsch

Leiter der Systemprogrammierung, Karstadt AG, Essen

Die verstärkt angekündigte und für Teilbereiche bereits realisierte Ferndiagnose von Hard- und Softwarefehlern stellt unseres Erachtens einen Kompromiß dar zur schnellen und sicheren Beseitigung erkennbar werdender Probleme.

Optimal ist, für jedes Problem die richtigen Spezialisten zum richtigen Zeitpunkt im Hause zu haben. Der wachsende Komplexitätsgrad der eingesetzten Hard- und Software erfordert den Einsatz hochgradig qualifizierter Spezialisten. Da auch im Datenverarbeitungs-bereich Dienstleistungen immer teurer werden, ist dies - wenn überhaupt, denn es gibt nicht so viele Spezialisten - nur mit einem nicht vertretbaren Aufwand erreichbar. Der wirtschaftlich vertretbare und faktisch mögliche Kompromiß kann daher nur lauten: Zentralisierung von Spezialisten auf verschiedenen qualitativen Hierarchiestufen im nationalen und internationalen Bereich und Zugang zu diesen Spezialisten durch Ferndiagnose.

Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß nur durch solche und ähnlich gelagerte Maßnahmen die Servicekosten in einer akzeptablen Größenordnung gehalten werden können. Die seit November 1978 gesammelten Erfahrungen bestätigen unsere mit Ferndiagnose verknüpften Erwartungen.

Wolfgang Rosenthal

Leiter des DVO Datenverarbeitungs-Service Oberhausen GmbH

Wir haben bereits ausführlich mit IBM über das neue Konzept der Ferndiagnose gesprochen und einen entsprechenden Vertrag für unsere 3033 abgeschlossen. Für dieses System ist die Ferndiagnose auf alle Fälle zu bejahen, da so komplizierte Fehler schneller geklärt und behoben werden können.

Daß die Ferndiagnose nur "aus der Ferne" durchgeführt werden soll, ist bei unseren System nicht richtig. Der Techniker muß auf alle Fälle ins Haus kommen, um mit einem entsprechenden Schlüssel die Ferndiagnose freizugeben. Der Anwender kann diesen Vorgang nicht allein in die Wege leiten.

Wir begrüßen die Ferndiagnose auch deshalb, weil die Schwierigkeiten der Fehlererkennung bei diesen neuen Maschinen immer größer und die dafür erforderlichen Spezialisten immer seltener werden.

Der "normale" Distrikttechniker kann zwar noch eine ganze Menge tun, ganz bestimmte Fehlerdiagnosen können jedoch nur noch von drei bis vier Leuten in ganz Europa durchgeführt werden. Die nun ständig zum Kunden reisen zu lassen, wäre zu aufwendig - in jeder Beziehung.

Wenn dieser Spezialist jetzt aber an einer Stelle sitzt und hier alle Ferndiagnosen zusammenlaufen, kann wahrscheinlich sehr schnell eine Lösung gefunden werden. Vor allem auch deshalb, weil sich hier hochkonzentriertes Know-how anhäuft. Fälle, die bereits einmal aufgetreten sind, lassen sich so wesentlich schneller erkennen und beheben.

Entscheidet man sich nun für diese Ferndiagnose, sollte man den Datenschutzaspekt nicht ganz vergessen. Denn hier geht der Hersteller zwangsläufig an bestimmte Speicherinhalte oder Register heran. Allerdings kann man verhindern, daß auf diese Dateien zugegriffen wird. Eine bestimmte Sicherheit besteht auch schon dadurch, daß der Kunde während der Diagnose anwesend sein muß und die gesamte Übertragung abbrechen kann. Zudem kann der Anwender sich nach Beendigung der Ferndiagnose ein komplettes Protokoll darüber ausdrucken lassen.

Bei der IBM-Konkurrenz läuft die Ferndiagnose bereits rund um die Uhr. Da hier alle Fehler der verschiedenen Rechner zusammenlaufen und so ein Überblick besteht, können Probleme sehr schnell bewältigt werden. Das bisherige Verfahren der IBM, Hard- oder Softwarefehler zu beheben, dauerte doch zumeist sehr lange, da hier erst die Spezialisten in Amerika feststellen mußten, was zu tun ist.

Von Vorteil ist - im Falle eines Fehlers - die Konsoleinheit der 30XX-Modelle, die bereits ein kleiner Rechner für sich ist. Sollte der "Große" tatsächlich einmal ausfallen, können Daten immer noch übertragen werden. Die Konsole ist unabhängig vom Großrechner startbar.