IBM präsentiert neues Verfahren zur Kontaktierung hochkomplexer Logik-Chips:

Feinstleiter-Technik auf drei Gitterebenen

15.01.1982

Moderne Computer-Logik-Chips sind nicht nur intern äußerst komplex aufgebaute Siliziumgebilde, auch zur Kommunikation untereinander benötigen sie mit steigendem On-Chip-lntegrationsgrad immer mehr Signal-Leitungen sowie Stromversorgungs-Pfade. Wie man diese komplizierten Verbindungen optimal aufbaut, wurde auf der "Productronica" in München von Fachleuten intensiv diskutiert. Jetzt stellte auch IBM seine eigene Experimental-Version zukunftsweisender Chip-Verbindungstechniken vor.

Die neue IBM-Verbindungs- und Packungstechnik ist auf die schnellen "bipolaren" Logik-Schaltkreise des Hauses zugeschnitten und stellt eine Weiterentwicklung der bisherigen IBM-Chip-Träger dar; eine Weiterentwicklung, so heißt es in einem Pressetext aus Stuttgart, bei der es die "Mehrlagentechnik" sowie eine selektive Anordnung der Anschlußpunkte gestatten, dem Chip jetzt eine wahre Fülle von Signal- und Stromversorgungsleitungen zuzuführen.

Im Grunde hat dieses neue Verfahren jenen seinerzeit weltweit als sensationell empfundenen, experimentellen Mikroprozessor-Chip zum "Vater", der die gesamte Zentraleinheit eines 370er-Systems auf einem kleinen Schnipsel Silizium vereinte (CW vom 14. 11. 80).

Quadratisches Substrat

Die wichtigsten Daten dieses Versuchs-"Mikroprozessors", für dessen Kontaktierung man bei IBM in den USA auch gleich die neue Packungsmethode schuf:

- 45 000 Transistoren, Dioden Kondensatoren und Widerstände

- rund 5000 Schaltungen

- 354 Anschlußpunkte

- 200 Signalleitungen

- 16 Stromzuführungen.

Um 354 Anschlußpunkte zu kontaktieren kommt man mit der herkömmlichen IBM-Chipträgertechnik nicht weit. Denn sie hat, bei aller Ausgefeiltheit, bestimmte, nicht ohne weiteres überschreitbare Grenzen.

Bekanntlich arbeitet IBM mit keramischen Substraten, auf denen ein oder mehrere Chips Platz finden und bei denen die Signale sowie der zur Rechnerei nötige Strom den Chips mit Hilfe der sogenannten Flip-Chip-Technik zugeführt werden. Dieses ehrwürdige, schon fast zwei Dezennien alte Verfahren bedeutet, daß man die einzelnen Chips auf ihrer Oberfläche mit kleinen Blei-Zinn-Kügelchen, Pads genannt, versieht.

Man legt sie dann mit den Pads nach unten auf den Keramik-Chipträger. Der ist an den entsprechenden Kontaktstellen ebenfalls mit Pads versehen und Pad wird mit Pad verlötet - der Weg für den Strom ist frei.

Schwer erreichbar

Man kann mit dieser Technik ziemlich komplexe Verbindungsstrukturen aufbauen - aber irgendwann ist man mit den Möglichkeiten eben doch am Ende. Immer schwieriger wurde es in letzter Zeit für die Entwerfer neuer Hardware, auf der Oberfläche der Substrate Platz für die elektrische Verdrahtung zu finden; vor allem innerhalb der gitterartigen Pads-Matrix. Pads im Innern des Gitters sind nämlich nur schwer erreichbar, da das enge Pad-Gitter nur Verbindungen zwischen benachbarten Pads zuläßt. Man kann sich vorstellen, wie die Verzweiflung der IBM-Rechnerentwerfer mit der Zeit immer schrecklicher wurde.

Die Lösung indes zeichnet sich aus Richtung East Fishkill und Burlington ab, wo IBM umfangreiche Entwicklungslabors unterhält. Zur Kontaktierung des dort erarbeiteten Versuchs-370er-Chips entfernten die IBM-Ingenieure zunächst einfach einige der Pads vom Rand des Gitterwerks, wodurch neue Verdrahtungswege zu weiter innen liegenden Pads frei wurden. Vor allem bauten sie aber nun drei Lagen Verdrahtung statt bislang nur einer ein. Sie hatten jetzt dreimal soviel Platz für Verbindungsleitungen wie bisher zur Verfügung.

Unerträgliche Enge

Beim Aufbruch aus der schier unerträglichen Enge der herkömmlichen Chipträger gingen die US-IBM-ler übrigens recht raffiniert vor: Damit ihr Arbeitgeber nicht gleich wieder neue teure Maschinen kaufen muß, entwickelten sie ihr neues Raum-Wunder auf der Basis der herkömmlichen Chipsubstrate mit 36 Millimeter Kantenlänge und 187 Kontaktstiften; letztere dienen zur Weiterleitung der Signale an Schaltkarten oder Leiterplatten und von dort wiederum zu anderen Chips oder zu Peripheriesystemen.

Die neuen Keramikträger haben jetzt 216 statt 187 Kontaktstifte. Bei den drei Verdrahtungs-Ebenen hat sich IBM für eine Dünnfilmverdrahtung entschieden, die aus jeweils einer dünn aufgetragenen Chrom-Kupfer-Legierung besteht und bei der die feinsten Leitungen etwa ein Vierzigstel Millimeter breit sind. Fachleute nennen das "Feinstleiter-Technik".

Abfall reduziert

Die einzelnen Verdrahtungsebenen werden durch 0,01 Millimeter dünne Schichten Polyamids gegeneinander isoliert. Eine besondere Variante des neuen Versuchs-Chipträgers verfügt auf der Unterseite über eine zusätzliche Lage Leiterbahnen, die in "Dickfilmtechnik" ausgeführt ist und der Stromzuführung dient. Da von ihr aus der Strom über (von Lasern gebohrte und mit Kupfer verfüllte) Durchgangslöcher hinauf zum Chip gelangt, kann die obere Verdrahtungsebene nun ausschließlich für Signalleitungen reserviert werden. Und überdies reduziert diese Art der Stromzuführung auf der Unterseite des Trägers auch "Induktivität" und "Spannungsabfall"; Größen, die selbst einen gestandenen Hardware-Mann das Gruseln lehren.