Analysten warnen vor Herstellerabhängigkeit

Fehlende Standards machen NT-Cluster proprietär

27.09.1996

Nach Angaben von Industriebeobachtern unterscheiden sich die zugrundeliegenden Verbindungstechniken und die Software der Hersteller für das Koppeln mehrerer Server erheblich. Inkompatibilitäten und Schwierigkeiten beim System-Management seien die Folge.

In den vergangenen Monaten haben verschiedene Hersteller Clustering-Produkte für Windows NT angekündigt unter anderem Digital Equipment, NCR, Compaq, Data General und Tandem. Einige dieser Lieferanten spielen das Kompatibilitätsproblem herunter. Beispielsweise dementiert NCR, daß der von ihnen angebotene Fail-over-Support - die Funktion sorgt dafür, daß bei Ausfall eines Servers ein anderer automatisch die Aufgaben der beschädigten Maschine übernimmt - nur mit NCR-Hardware funktioniert.

Nicht zuviel investieren

Mark Wood, Produkt-Manager bei Microsoft, räumte gegenüber der CW-Schwesterzeitschrift "Computerworld" allerdings ein, daß jedes der Kopplungsprodukte nur mit der Hardware des jeweiligen Anbieters harmoniert. "Das Clustern von NT-Servern funktioniert heute keineswegs besser als in der Mainframe- und Unix-Welt, aber auch nicht schlechter." Jeder Anbieter gehe zur Zeit seinen eigenen Weg, so daß heute weltweit knapp ein Dutzend unterschiedliche Clustering-Produkte für NT-Systeme existierten.

Ursache für diesen Wildwuchs sind nach Analystenmeinung fehlende Standards für die Koppelung von NT-Servern. Außerdem berge das Bemühen der Hersteller um spezifische Funktionen, die ihre Cluster-Produkte von denen des Wettbewerbs unterscheiden, ein großes Potential für Inkompatibilitäten. Eine noch größere Gefahr der Abhängigkeit besteht für den Anwender, wenn die Cluster-Technik zur Leistungsverbesserung eingesetzt wird. In diesem Fall müssen Applikationen und Datenbanken bis aufs letzte ausgereizt werden. Jede Veränderung an derart aufgemotzten Systemen gerate dann zu einem aufwendigen und teuren Unterfangen, warnen die Analysten. "Wer heute gekoppelte NT-Systeme will, sollte nicht allzuviel investieren. Vor allem sollte er sich vertraglich gegen eine zu starke Abhängigkeit von einem Anbieter (O-Ton: vendor lock-in) absichern", rät beispielsweise Morgan Gerhart, Analyst bei der Meta Group.

Da entsprechende Normungsinitiativen Mangelware sind, fürchten Anwender mit geclusterten NT-Systemen, in die gleiche Falle zu tappen, in der sie bereits mit proprietären Midrange-Rechnern und Mainframes gefangen wurden. "Schon aus Sicht der Systemintegration können wir uns Abhängigkeit nicht leisten", erklärt Sean Gilbert, IS-Manager bei der Cardservice International Inc., Kalifornien. "Aufgrund der vielen Akquisitionen in der IT-Industrie benötigen wir die Flexibilität, um Systeme verschiedener Hersteller miteinander zu verbinden", fügt er hinzu. Bislang verhallt der Ruf nach größerer Offenheit der Cluster-Technologien allerdings ungehört.