Muenchner Distributor erwartet steigende Nachfrage im kommerziellen Bereich

Fast ein Jahr Erfahrung mit Unixware befluegelt Hoffnungen

08.10.1993

Vor gut einem Jahr hat die inzwischen in der Novell Inc. aufgegangene Unix System Labora- tories (USL) die auch auf Intel- basierten PCs lauffaehige Version Unix System V, Release 4.2, freigegeben. Als einer der ersten deutschen Distributoren hat das Muenchner Unternehmen Computerlinks GmbH damals den Vertrieb dieses "Unixware" aufgenommen. Trotz bisher maessiger Verkaufserfolge bezeichnet das Unternehmen die bisherigen Erfahrungen aber als vielversprechend.

Dass sich Computerlinks fruehzeitig fuer Unixware interessieren wuerde, lag nahe. Der Distributor hat jahrelange Erfahrungen mit DV-Netzen und mit einer deutschen Implementierung des klassischen Unix System V sowie seit 1990 mit SCO-Unix und Unix-Varianten fuer PCs. So vertreibt das Unternehmen Eurix beziehungsweise dessen deutschen Abkoemmling Generics Unix.

Rundweg gluecklich war das Unternehmen mit diesen Unix-Varianten - trotz des hohen Bekanntheitsgrades von SCO - allerdings nicht. Computerlinks-Geschaeftsfuehrer Stephan Link: "SCO entspricht mit der derzeit verfuegbaren Version 3.2 nicht dem aktuellen Unix- Standard und ist viel zu teuer. Generics Unix war zwar das erste Angebot auf Basis von System V, und zusaetzlich war die deutsche Version ein gutes Marktargument. Aber aufgrund der fehlenden starken Organisation hat die Firma Generics diese Vorteile verloren."

Unixware eroeffnet den PC-Unix-Reigen

Waehrend der Jahrestagung der German Unix Users Group (GUUG) im September 1992 gab es den ersten Kontakt zu Univel, der fuer den Unixware-Vertrieb damals zustaendigen gemeinsamen Tochter von Novell und USL. Die Vertraege waren schnell geschlossen, denn Univel suchte Distributoren mit Erfahrungen im PC-Unix-Bereich.

Noch vor Ende vergangenen Jahres erfolgte die Erstauslieferung von Unixware, "der stabilsten und anwenderfreundlichsten Unix-Version, die uns bis dato begegnet ist", stellt Stephan Link fest.

Erfreulich war fuer den Computerlinks-Geschaeftsfuehrer auch, dass die Freigabe weit vor den wichtigen Konkurrenten Solaris 86 und Windows NT erfolgte. "Dieser Zeitvorsprung wirkt sich bis heute vorteilhaft aus", kommentiert er.

Beide Systeme betrachtet Link nicht als sehr ernste Konkurrenz fuer Unixware: "Windows NT entspricht nicht dem X/Open-Standards XPG3, ist nicht Multiuser-faehig, ist nur eingeschraenkt netzwerkfaehig und wird neu - also unerprobt - auf den Markt kommen." Bevor er sich ueber den Vertrieb von Windows NT ernstere Gedanken mache, sei erst einmal dessen Markterfolg abzuwarten. "Auch bei Solaris koennen wir bisher keine Wettbewerbssituation bemerken. Aus unserer Sicht geht Sunselect damit mehr in den angestammten Sun-Markt und bearbeitet nicht ernsthaft den PC-Unix-Markt."

Die Ende letzten Jahres erfolgte Ankuendigung der Uebernahme von USL durch Novell kam Link gerade recht: "Novell hat eine ausgebuffte Marketing-Mannschaft und den guten Ruf, den Unix im PC-Bereich braucht."

"Enormes Publikumsinteresse" registrierte Link dann auf der CeBIT 1993. Hier demonstrierte das Unternehmen das komplette Unixware- Programm, das heisst die "Personal Edition" fuer Stand-alone-PCs, den "Application Ser- ver" fuer Multiuser-Umgebungen sowie die zugehoerige Entwick- lungsumgebung. Seither haben sich bei Computerlinks neue Geschaeftsziele ergeben.

Da ist auf der einen Seite der traditionelle PC-Unix-Markt mit SCO und anderen Unix-Derivaten. Dieser Markt geriet erst nach und nach ins Blickfeld, naemlich seitdem viele Unix-Softwarehaeuser auf System V, Release 4.2, setzen.

Das zweite Marktsegment ist das Unix-Networking, also die Verbindung von Unix-Systemen mit bestehenden Netware- Installationen.

Fuer Computerlinks geht es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht darum, Unixware massenhaft unter PC-Anwendern zu vertreiben. "Vorher braucht der Markt noch einen anderen Schritt", erlaeutert Link. "Unix- ware eroeffnet weit groessere Dimensionen als DOS, und entsprechend brauchen die Anwender eine moeglichst ortsnahe qualifizierte Beratung und Unterstuetzung." Also besteht der erste Schritt in der Schulung von DOS- beziehungsweise Netware-Haendlern.

Nach den Erfahrungen der letzten Monate freunden sich bisherige DOS- oder Netware-Haendler nur zoegernd mit Unixware an. Der Computerlinks-Chef: "Die Gruende dafuer sind in der Regel im noch zu geringen Know-how dieser Haendler zu finden." Es sei fuer sie zwingend geboten, sich mit Unix zu beschaeftigen, um sich entsprechendes Wissen anzueignen. "Es ist ja bekannt, dass ein Unix-System nicht mit DOS vergleichbar ist. Auch die grafische Benutzeroberflaeche von Unixware kann eine Schulung nicht ersetzen. Unix-Kenntnisse sind unerlaesslich. Durch entsprechende Know-how- Unterstuetzung, das heisst durch Information und Schulung, sind wir dabei, diese Defizite auszugleichen und zu beseitigen."

Das Muenchner Distributionshaus ist einer der von Novell autorisierten Unixware-Trainer. Das Schulungsprogramm richtet sich auch an Firmen, die bisher DOS- oder Windows-Software entwickelt haben. "Diese Unternehmen muessen sich mehr und mehr darauf vorbereiten, dass ihnen der PC-Markt nicht mehr allein zur Verfuegung steht", gibt Link zu bedenken. "Wer im PC-Markt kuenftig Software mit dem Etikett anspruchsvoll verkaufen will, muss auch eine Unix-Version vorweisen koennen."

Auf der Anwenderseite haben die Muenchner bisher wenig Probleme feststellen koennen. Hier sind dem Computerlinks-Support bisher meistens Fragen gestellt worden, die sich telefonisch beantworten liessen. "Vor allen Dingen geht es um System- und Konfigurationsfragen", berichtet Link. Typisch seien Fragen nach idealem Prozessor, Hauptspeicher und Festplatte. "Hinsichtlich der Netzanbindung werden Fragen zur Kommunikations- software wie LAN- Workplace, ftp PC/TCP etc. und zu den verschiedenen Netzwerkkarten gestellt."

Die Installation von Unixware habe sich als ausgesprochen einfach erwiesen - es muessen Fragen zur Maus, Landeskennung und Ethernet- Karte beantwortet werden. Die Installation selber dauert je nach Paketumfang bei voreingestellten Konfigurationswerten zwischen 45 Minuten und drei Stunden. Waehrend fuer Haendler, Software-Entwickler und im begrenzten Umfang auch fuer Systemadministratoren also Unix- Kenntnisse erforderlich sind, ist die Personal Edition von Unixware nahezu selbsterklaerend. "Unsere Erfahrung mit der Personal Edition als Desktop-Betriebssystem zeigt", so Geschaeftsfuehrer Link, "dass ein Endkunde einen Unix-Kompaktkurs zur Bedienung seines Systems nicht benoetigt."

Kritisch setzt sich der Distributor mit den von USL angegebenen minimalen Hardware-Anforderungen fuer Unixware - ein 386er PC mit 25 Megahertz, 8 MB Hauptspeicher und 80 MB freie Plattenkapazitaet - auseinander. "Das Wort minimal muss man unterstreichen", meint Link. Sinnvoller sei schon ein 486er mit 33 Megahertz und 16 MB RAM. Mit hoeherer Taktfrequenz, mehr Speicher, SCSI-Controller sowie schneller und grosser Festplatte "wird die Sache erst richtig interessant". Denn Multiuser- und Multitasking-Faehigkeit von Unix gestatten anspruchsvollere Applikationen als unter DOS. "Fuer private Anwendungen reicht DOS", weist Link auf die Abgrenzung der Betriebssysteme hin, "aber schon bei recht kleinen Netzen oder bei leistungsfressenden Programmen ist Unix von seiner Architektur ueberlegen und ausserdem letztlich preisguenstiger."

Entsprechend der bisherigen Marktorientierung sehen die Unixware- Verkaufszahlen von Computerlinks aus. "Seit Anfang dieses Jahres haben wir rund 500 Pakete der Personal Edition, rund 200mal den Application Server und etwa 150 Developers Bundles verkauft." Der Schwerpunkt des Interesses scheint also bisher auf der Entwicklerseite zu bestehen. "Unsere Kunden", so Link, "sind System- und Softwarehaeuser aus verschiedenen Bereichen. Wir wissen aufgrund zahlreicher Rueckfragen, dass die Entwickler, die mit diesem Paket arbeiten, es intensiv dazu nutzen, um Applikationen von anderen PC-Unix-Systemen auf Unixware zu portieren."

Bewaehrung in verschiedenen Branchen

Link weist aber auch darauf hin, dass "Unixware in Firmen unterschiedlicher Groesse und in verschiedenen Anwendungsbereichen getestet beziehungsweise bereits eingesetzt wird. Unsere Entscheidung fuer Unixware wird - neben dem starken Interesse der Entwickler - durch die verstaerkte Nachfrage im kommerziellen Bereich der Endkunden bestaetigt."

Zum Beleg verweist Link auf drei Beispiele. So habe ein Maschinenbauer ein System mittlerer Datentechnik von Siemens mit Sinix durch PCs ersetzt, die mit Unixware laufen. Ein Softwarehaus, das Programme fuer Automobilhaendler und -werkstaetten schreibt, sei von SCO auf Unixware umgestiegen. Und bei der IHK Dessau sind PCs mit der Personal Edition ueber IPX/SPX mit dem Application Server verbunden. Nach den ersten Erfahrungen erwartet der Geschaeftsfuehrer in naechster Zeit ein besonderes Interesse fuer die Personal Edition von Unixware. "Wir sind fest ueberzeugt, dass Unixware in naeherer Zukunft eine fuehrende Rolle im 32-Bit- Betriebssystem-Bereich spielen wird."