Nicht nur für Online-Händler

FAQs zum Widerrufsrecht

06.06.2011
Von 


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

FAQs 22 bis 27

22. Was hat sich im Widerrufsrecht zum 11.6.2010 geändert?

Die wichtigste Änderung betrifft die Dauer der Widerrufsfrist, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss erfolgt. Bislang war es aus technischen bzw. organisatorischen Gründen etwa bei Ebay unerlässlich, dass Unternehmer Verbrauchern eine Widerrufsfrist von einem Monat gewähren mussten, da dies das Gesetz so vorgesehen hatte. Seit dem 11.6.2010 gilt auch dann noch eine Widerrufsfrist von zwei Wochen, wenn der Unternehmer erst nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht belehrt, wenn diese Belehrung unverzüglich, also spätestens am nächsten Tag, erfolgt.

Weitere wichtige Änderungen betreffen die sog. Musterwiderrufsbelehrung, die nun nicht mehr eine Rechtsverordnung ist, sondern ein formelles Gesetz, was bedeutet, dass sie nun eine höhere Rechtsgültigkeit. Schließlich gab es mit der Gesetzesänderung einige Paragraphenverschiebungen. So sind Inhalte, die bislang in der BGBInfoV geregelt waren, nun im Einführungsgesetz zum BGB (kurz: EGBGB) enthalten.

23. Worin bestand bislang das rechtliche Problem mit der sog. Musterwiderrufsbelehrung?

Die Musterwiderrufsbelehrung hatte bislang nur den Rang einer Rechtsverordnung, nicht eines Gesetzes. Denn nicht der demokratisch legitimierte parlamentarische Gesetzgeber (Bundestag/Bundesrat) hatte sie erlassen, sondern ein Ministerium. Da es sich bislang um kein Gesetz handelte, war die Musterwiderrufsbelehrung mit rechtlichen Mitteln angreifbar. Gerichte stellten fest, dass sie den gesetzlichen Anforderungen, so wie sie vor allem das BGB festlegte, nicht entsprach. Dies führte zu einer großen Rechtsunsicherheit, da viele Unternehmer bis dahin darauf vertraut hatten, dass es mit der Musterwiderrufsbelehrung schon seine Richtigkeit habe. Seit dem 11.6.2010 hat die Musterwiderrufsbelehrung den Rang eines Gesetzes und kann daher nicht mehr von der Rechtsprechung verworfen bzw. als falsch angesehen werden. Das erhöht die Rechtssicherheit für alle Verwender der Musterwiderrufsbelehrung.

24. Wieso bedeutet die neue Musterwiderrufsbelehrung deutlich mehr Rechtssicherheit?

Im Vergleich zur alten Musterwiderrufsbelehrung bedeutet die neue ein Mehr an Rechtssicherheit. Dies hängt damit zusammen, dass die neue Musterwiderrufsbelehrung nun den Rang eines so genannten formellen Gesetzes hat, d.h. eines Gesetzes, das vom Parlament verabschiedet worden ist. Früher war die Musterwiderrufsbelehrung lediglich eine so genannte Rechtsverordnung, d.h. ein Rechtsakt aus einem Ministerium. Da Rechtsverordnungen von Gerichten verworfen werden können, formelle Gesetze jedoch nicht, bringt die neue Musterwiderrufsbelehrung mehr Rechtssicherheit.

25. Was kann ich tun, wenn Konkurrenten von mir ihre Kunden gar nicht oder falsch über das Widerrufsrecht belehren?

Sie können Ihre Konkurrenten abmahnen. Da diese gegen geltendes Verbraucherschutzrecht verstoßen, können Sie als Mitbewerber im Rahmen des Wettbewerbsrechts nach dem UWG (= Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) von ihnen verlangen, dass Sie dies zukünftig unterlassen.

26. Was kann nach der Gesetzesänderung zum 11.6.2010 mit alten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen aus der Zeit davor passieren?

Alte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen, die ein Verkäufer noch unter dem bis zum 11.6.2010 geltenden Verbraucherschutzrecht abgegeben hat, können ein hohes Rechtsrisiko in sich bergen. Der Hintergrund hierzu ist, dass im Einzelfall ein rechtliches Spannungsfeld entstehen kann, da die Gesetzesänderung nicht automatisch zur Anpassung der in der Vergangenheit abgegeben Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen führt. Wenn Sie sich nun im Rahmen einer Unterlassungserklärung verpflichtet haben, etwas zu unterlassen, was sie wegen der Gesetzesänderung nun aber von Gesetzes wegen tun müssen, so befinden Sie sich in einem Dilemma: halten Sie sich an das neue Gesetz, verstoßen Sie gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung; halten Sie sich an Ihre alte Erklärung, so verstoßen Sie gegen das neue Gesetz. Die Lösung: Sie müssen Ihre alten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen, die wegen der Gesetzesänderung nun nicht mehr gültig bleiben können, gegenüber dem Erklärungsgegner mit Hinweis auf die Gesetzesänderung kündigen.

27. Wer muss am Ende die Versandkosten (Hinsendekosten) bezahlen, wenn der Verbraucher wirksam von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht?

Über diese Frage gab es längere Zeit Rechtsunsicherheit. Nun hat in diesem Frühjahr der Europäische Gerichtshof (EuGH) endgültig entschieden, dass die Hinsendekosten, also die Versandkosten für die Hinsendung der bestellten Ware, im Falle des Widerrufs des Fernabsatzgeschäfts nicht dem Käufer auferlegt werden dürfen. Vielmehr muss diese der Verkäufer tragen.