Quartalsbericht

Falscher Alarm - IBM bringt Feuer unter Kontrolle

18.10.2013
Von 
Steve Janata schreibt als Experte zu den Themen Cloud Markt & Wettbewerb, Cloud Security und Cloud Ecosystems. Als IT-Analyst beobachtet und bewertet er seit über 15 Jahren den IT-Markt. Er ist Vorstand bei der  Crisp Research AG und engagiert sich politisch im Managerkreis der Friedrich Ebert Stiftung zum Thema Digitale Wirtschaft und Gesellschaft.
Finanzanalysten haben oft ein sehr eingeschränktes Verständnis des Enterprise-IT-Marktes und sie neigen zu unangenehmen Gewohnheiten wie Herdentrieb, Sippenhaft und panischen Handlungen. Das hat jetzt IBM bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal zu spüren bekommen.

Wenn der Markt das Wort Umsatzrückgang hört, und das bei einem Unternehmen, das unter anderem Hardware herstellt, dann herrscht sofort Alarmstimmung. Das hat häufig auch gute Gründe.

Seit vielen Quartalen sind nämlich sämtliche Nachrichten über die ehemaligen Herrscher des IT-Marktes geprägt von Untergangsstimmung. HP verliert dramatisch an Umsatz, Dell nimmt sich selbst von der Börse und Fujitsu kämpft mit Umsatzrückgängen und zuletzt auch mit hohen Verlusten.

IBM dagegen zeigt allen anderen in der Branche, wie man trotz Krisen und Marktumbrüchen einen Konzern strategisch ausrichtet und lenkt. Denn es soll sich keiner von den heute veröffentlichten Zahlen täuschen lassen. Der Umsatz ist zwar währungsbereinigt im Jahresvergleich um zwei Prozent rückläufig gewesen, allerdings hilft ein genauerer Blick auf das Zahlenmaterial um festzustellen, dass IBM auf einem wirklich guten Weg ist.

Sorgenkind Systems & Technology

Zunächst einmal die Fakten. IBM hat in seiner Sparte Systems & Technology einen heftigen Umsatzrückgang von 16 Prozent zu verkraften. Allerdings macht dieser Bereich mittlerweile nur noch etwa 13 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen gibt es bekanntermaßen einen schon länger anhaltenden Preisverfall und Nachfragerückgang im X86 Server-Geschäft. Die Hoffnung, diesen Rückgang durch Geschäfte mit den großen Cloud-Anbietern kompensieren zu können hat sich für alle Anbieter als Trugschluss erwiesen.

Nicht nur, dass die benötigte Server-Menge den Wegfall im Enterprise-Markt nicht kompensiert. Nein, es kommt noch viel schlimmer. Google, Microsoft & Co. lassen ihre Server mittlerweile genau nach ihren eigenen spezifischen Anforderungen direkt in Asien fertigen. Das verheißt nichts Gutes für diejenigen, deren Abhängigkeit von der Hardware noch sehr groß ist. Und auf den Markt für Unix-Server zu setzen, wäre eine Art Selbstmordkommando. Dieser ist in den letzten Jahren nämlich regelrecht implodiert.

Und trotzdem lässt sich mit Hardware Geld verdienen. Beispiel dafür ist der schon gefühlte tausendmal totgesagte Mainframe. Dort hat IBM den Umsatz um 7 Prozent im Jahresvergleich steigern können.

Es zeigt sich, dass der Server-Markt sich in zwei entgegengesetzte Teile aufgesplittet hat. Auf der einen Seite "Big Iron", der klassische Mainframe. Der Mainframe ist auch heute noch das Arbeitspferd in vielen unternehmenskritischen Anwendungsbereichen, bei denen die transaktionale und sichere Verarbeitung von Massendaten gefragt ist. In der digitalen Welt erschließen sich mittlerweile viele neue Einsatzgebiete, wie beispielsweise Berechnungen bei Online Games oder die Verifikation von Nutzern im Rahmen von eCommerce- und Payment-Transaktionen. Für IBM bleibt der Mainframe auf absehbare Zeit also eine echte Cash-Cow.

Auf der anderen Seite des Marktes stehen die x86-Architekturen. Standardisiert, zuverlässig und günstig lauten hier die Anforderungen. Keiner der Wettbewerber verdient damit derzeit ernsthaft Geld. Kein Wunder, dass es schon länger Gerüchte gibt, dass IBM diese Sparte losschlagen möchte. Warum IBM das noch nicht getan hat? Die Vermutung liegt nahe, dass die Sparte, als Trojanisches Pferd - im positiven Sinne- beim Kundenangang genutzt wird. Einfach zu kommunizieren, Bedarf bei nahezu jedem Anwender vorhanden, und man muss als Vertriebler nicht sofort mit sechsstelligen Beträgen um sich werfen.

Profitabel, profitabler, IBM

IBM wird also an diesem Geschäft kurzfristig festhalten, außer die Margen stürzen ab und gefährden die Gesamt-Performance. Denn eines hat IBM mit der Vorlage der Zahlen des dritten Geschäftsquartals wieder eindrucksvoll bewiesen: Die Margen sind nichts anderes als Traumrenditen. Beispiele gefällig? Die Rohertragsmarge über alle Segmente hinweg liegt bei fast 50 Prozent - das ist Porsche-Niveau. Die Rohertragsmarge der Sparte Software beträgt unglaubliche 88,8 Prozent. Und Software ist zudem eine der Wachstumssäulen. Der Blick auf Teilsegmente innerhalb dieser Sparte lohnt. IBM kann in allen wichtigen Zukunftssegmenten wie Social-Software oder Entwicklungstools zulegen.

Vor allem die Zahlen im Bereich Cloud Computing sind eindrucksvoll. So hat IBM in diesem Segment im letzten Quartal die eine-Milliarden-Dollar-Grenze beim Umsatz überschritten. Und zwar nicht nur durch Technologie-Verkauf, sondern fast die Hälfte davon wurde als Service geliefert. Jetzt muss IBM dem Markt nur noch beweisen, dass dieses Geschäft ebenso profitabel ist wie die anderen Sparten.

Langfristige Strategie statt operativer Hektik

IBM hat sehr vorausschauend und klug in den letzten Jahren in- und devestiert und befindet sich - wie eigentlich fast immer seit der Gründung- in einem tiefgreifenden Wandel. Und zwar, das sei hier noch einmal betont, mit großem Erfolg. Dass der Gewinn wieder gestiegen ist- geschenkt. In einem Konzern solcher Größe lässt sich immer über Einsparungen an dieser Kenngröße drehen. Nein, das wirklich Beeindruckende ist die Konsequenz mit der zukünftige Geschäftsfelder aufgebaut werden. IBM macht nicht den Fehler sich nur auf die eigene Innovationskraft zu verlassen, daran sind schon viele große Unternehmen gescheitert.

Wenn IBM einen Markt wie beispielsweise den für Analytics (plus acht Prozent Umsatz im Jahresvergleich) als Zukunftssegment identifiziert hat, dann gibt es einen Investitionsplan und kurze Zeit später ist kein Start-Up im Silicon Valley oder anderswo mehr sicher. Natürlich funktioniert das nicht mit jedem Unternehmen und bei der Integration geht viel Know-How und Innovationsgeist einzelner Unternehmen verloren, aber im Großen und Ganzen geht die Strategie auf.

Die schlechte Stimmung an den Aktienmärkten ist also unverständlich, wird doch an der Börse angeblich die Zukunft gehandelt. (jha)