Wieder gelesen, neu besprochen:

"Falsch programmiert" noch aktuell

11.06.1982

Ein Bestseller aus dem Jahr 1968 reizte den Autor* der folgenden Buchbesprechung zum nochmaligen Lesen. "Nach wie vor aktuell" befand er und empftehlt den Oldtimer den Lesern der COMPUTERWOCHE zur Lektüre. "Falsch programmiert" war der einprägsame Titel des Buches. Karl Steinbuch hat es geschrieben, und er gibt, wie sein Buch von "damals" immer noch Grund zur Widerrede (siehe Fundstelle, Seite 6).

"Die Frage, ob wir in Zukunft noch konkurrenzfähig sein werden, sei durch die folgende Bestandsaufnahme beantwortet. Wir werden hierbei kaum die Einsicht vermeiden können: Wenn wir so weitermachen wie bisher, sind wir nicht mehr konkurrenzfähig." Das ist einer der ersten Sätze des damals aufsehenerregenden Titels, der sich mit dem Versagen unserer Gesellschaft in der Gegenwart und vor der Zukunft beschäftigt.

Steinbuch stellte die These auf, wenn nicht etwas Entscheidendes, und zwar rasch, geschehe, würden unsere Nachkommen mehr als eine Generation brauchen, um Versäumtes nachzuholen.

Seine Kritik richtet sich gegen Denkmodelle, Moral und Wertsystem, nicht gegen die Intelligenz der Gesellschaft. Er nennt das deutsche Problem die "falsch programmierte Intelligenz".

Steinbuch zeigt auf, wer für diese Programmierung verantwortlich ist. Er greift die "Hinterwelt" an, ist dabei jedoch nicht polemisch, sondern grenzt zwischen Wissenschaft und Glauben ab. Dabei definiert er die "informierte Gesellschaft", die sich zur Aufklärung bekennt, statt zur "Vernebelung".

In seinem letzten Kapitel gibt Steinbuch jedoch schließlich, nachdem er klargestellt hat, warum unsere Gesellschaft falsch programmiert sei, klare Hinweise darauf, wie man es besser machen könnte, zum Beispiel: "Grundlagen für das Zurechtfinden in der zukünftigen, nicht vorausdenkbaren Welt bietet eine Erziehung, die auf Logik, Semantik, Kybernetik aufgebaut ist und Denkmodelle liefert, die nicht schon heute unbrauchbar sind, sondern Vert ständnis unbekannter Umwelten ermöglichen."

Dabei tritt er an anderer Stelle für die gesellschaftliche Kontrolle der Kommunikationsmittel ein, schlägt eine beträchtliche Verschiebung des angebotenen Lehrstoffes in den Schulen in Richtung auf das Verständnis der modernen Industriegesellschaft vor.

Aber auch die Gesellschaft muß sich ändern, denn "die Anwendung modernster Techniken im gesellschaftlichen Bereich2 setzt eine psychische Veränderung der Menschen voraus: Er fordert die unvoreingenommene Benutzung der Technik. Es sei offensichtlich, daß große Teile unserer Gesellschaft - als Folge einer extrem rückwärts gewandten Erziehung - die Technik als "schlecht ansehen, mindestens aber die moderne Technik".

Auch mit der "Grundlagenforschung" setzt er sich auseinander, denn "gegenwärtig hängt die Entscheidung, ob ein Forschungsvorhaben betrieben wird oder nicht, hauptsächlich davon ab, ob es zufällig das Hobby eines Professors ist oder nicht".

Ein Buch, das von erstaunlicher Aktualität ist, noch fünfzehn Jahre nach seiner Veröffentlichung.

*Prof. Klaus Jamin, Fachhochschule, München