IT im Gesundheitswesen/Adabas und Natural sind die Grundlage

Fallpauschalen: Freiburg mit eigenem System

27.08.2004

Der Kostendruck im Gesundheitswesen zwingt Krankenhäuser, ihre Geschäftsabläufe zu straffen und die Ausgaben zu senken. Verschärfend ist, dass die Bundesregierung den Kliniken ein neues Abrechnungssystem verschrieben hat: Ab 2004 zahlen die Kassen für Krankenhausaufenthalte jeweils nur noch eine Pauschale. Deren Höhe wird in der derzeitigen Konvergenzphase jedes Jahr neu ermittelt - aktuell sind mehr als 800 Pauschalen für Fälle wie Transplantationen oder Blinddarmoperationen definiert.

Künftig sind daher IT-Lösungen gefragt, die alle Prozesse abbilden, die in einem Krankenhaus ablaufen. Zudem erschwert es die dynamische Gesetzgebung zusehends, eine Klinik medizinisch und wirtschaftlich effizient zu steuern. Erst die vollständige Integration aller Applikationen in einem Krankenhaus-Informations-System (KIS) trägt dazu bei, die neuen Fallpauschalen effizient und fehlerfrei abzurechnen.

In der Universitätsklinik Freiburg arbeitet ein abteilungsübergreifendes Team aus Mitarbeitern des Klinikrechenzentrums, der Abteilung Medizinische Informatik und der EDV-Gruppe Medizin an der IT-Unterstützung für den Patientenbereich. Grundlage bilden die zahlreichen Fachanwendungen, die seit 1991 auf Basis der Entwicklungsumgebung "Natural" sowie der Datenbank "Adabas" entwickelt wurden. Nach dem Motto "Software aus dem Krankenhaus für das Krankenhaus" entstanden auf dieser Basis spezialisierte Eigenentwicklungen, die heute Grundlage des Krankenhaus-Informations-Systems in Freiburg sind.

Zentrale Komponente ist das "Patienten-Daten-Verwaltungssystem Freiburg", kurz PDV-FR. Die Anwendung unterstützt die administrativen, pflegerischen und medizinischen Tätigkeiten im Bereich des stationären Patienten-Managements. Das umfasst von der Patientenaufnahme über die Dokumentation bis hin zur Fakturierung nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben alle wichtigen administrativen Aufgaben.

Damit die Fallpauschalen effizient abgerechnet werden können, unterstützt die Software den Anwender mit detaillierten Online-Hilfen und prüft auf Plausibilität. Das muss sehr präzise geschehen, um die ständigen Gesetzesänderungen im Gesundheitswesen jederzeit korrekt nachvollziehen zu können. Die Lösung führt den Anwender zu allen Schritten und prüft sofort alle Eingaben. Nur der Erfassende hat die notwendigen Informationen, um auf Fehlerhinweise sofort korrekt reagieren zu können.

Eine zertifizierte Grouper-Software ordnet die Patienten den ihnen entsprechenden Fallpauschalen zu. Die Logik dieser Software wird in Deutschland vom Inek (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH, Siegburg) vorgegeben und jedes Jahr angepasst, so dass regelmäßig eine neue Version notwendig wird. In den Anwendungssystemen der Uniklinik Freiburg besteht auch für die Client-Systeme jederzeit die Möglichkeit, zentral die aktuellen Grouper-Details abzurufen und optional grafisch darzustellen. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass bei jeder Fallabfrage mit den aktuellsten Daten "gegroupt" wird. Hierfür wurde über eine C-Schnittstelle die Grouper-Software "Get DRG" von Geos, Nürnberg, integriert.

Verlässt ein Patient das Universitätsklinikum, erfasst die Pflegeabteilung die Entlassdaten zeitnah über eine entsprechende Client-Lösung. Das löst einen Prozess aus, der erst mit der korrekten Abrechnung endet. Zunächst bekommt der Arzt den Fall auf seine Arbeitsliste, damit er die Entlassdokumentation ergänzen kann. Danach wird der zuständige Sachgebietsmitarbeiter oder bei komplizierten Fällen das medizinische Controlling informiert, um die Datenübermittlung der Entlassmeldung an die Kasse freizugeben. So entsteht rasch eine vollständige Dokumentation des Falles, was für die korrekte Abrechnung nach DRG unumgänglich ist.

Änderungen schnell umsetzbar

Durch die zentrale Business-Logik der Anwendung PDV-FR, die Integration der Grouping-Software sowie das Vermeiden von redundanten dezentralen Datenbanken sind Inkonsistenzen ausgeschlossen. Das Ergebnis: bei der Abrechnung fallen keine Fehlerprotokolle mehr an. Die wären in einem großen Krankenhaus nicht mehr effizient zu verarbeiten.

Die komplette Geschäftslogik haben die Freiburger mit Natural entwickelt. Die detaillierten Plausibilitätskontrollen schon während der Dateneingabe schützen einerseits den Anwender vor Fehleingaben, andererseits lassen sich damit auch die zentralen Datenbanken vor fehlerhaften Zugriffen abschirmen. Gesetzliche Änderungen sind mit Natural ebenfalls sehr schnell umsetzbar.

Das zweite wichtige Standbein der Uniklinik ist die Anwendung "Mira Plus". Das Medizinische Informations-, Retrieval- und Archivsystem speichert die Daten der elektronischen Patientenakte (EPA). Befunde und Arztbriefe lassen sich abteilungsübergreifend verarbeiten und werden durch Client-Lösungen den Anwendern in den behandelnden Stationen oder Ambulanzen präsentiert.

Auf Client-Seite setzen die Entwickler Lösungen wie Java, Delphi oder Visual Basic ein, um individuelle Benutzeroberflächen zu realisieren. Als ein Client-System ist in der Uniklinik Freiburg die so genannte elektronische Pendel- liste vorhanden, die Tätigkeiten der Pflege auf den Stationen unterstützt. So lässt sich hier unter anderem der Pflegeaufwand pro Patient sehr leicht und präzise erfassen, was auch für die spätere Kalku- lation der Gesamtkosten über das ebenfalls eigenentwickelte Data Warehouse (Leipool) relevant ist.

Das Arztarbeitsplatzsystem "Medoc" versorgt die an der Behandlung eines Patienten beteiligten Personen mit allen notwendigen Informationen. Außerdem unterstützt Medoc beispielsweise den Arzt bei der gesetzlich vorgeschriebenen und medizinisch notwendigen Dokumentation, visualisiert Befunde oder organisiert Besprechungen. Im chirurgischen Bereich schließlich wird "Prometheus" eingesetzt.

Die Kommunikation zwischen den Clients und den Natural- basierenden Server-Applikationen, also die eigentliche Anwendungsintegration, geschieht über das Kommunikationsprotokoll Health Level 7 (HL7). (bi)

*Stefan Bucher ist Abteilungsleiter des Rechenzentrums der Universitätsklink Freiburg.

Hier lesen Sie ...

- warum die vollständige Integration aller Applikationen in einem Krankenhaus-Informations-System (KIS) dazu beiträgt, Fallpauschalen effizient und fehlerfrei abzurechnen;

- welche Entwicklungsumgebung und Datenbank für die "Software aus dem Krankenhaus für das Krankenhaus" in Freiburg verwendet wurde;

- welche Tools das Umsetzen der ständigen gesetzlichen Änderungen erleichtern;

- warum in Freiburg mit dem Kommunikationsprotokoll HL7 gearbeitet wird.

Health Level 7 (HL7)

Health Level 7 (HL7) ist das Ansi-Standardprotokoll für die Kommunikation im Gesundheitswesen. HL7 funktioniert ähnlich wie Edifact im Handel als ein Standard, um Daten und Dokumente zwischen Applikationen auszutauschen. XML ist eine Option, die von HL7 bereits unterstützt wird.

Weitere Details unter www.hl7.de oder www.hl7.org.

Fallpauschale statt Tagessatz

Nach dem neuen Abrechnungssystem zahlen die Kassen für eine Behandlung nur noch eine Fallpauschale. Diese ist unabhängig davon, wie lange der Patient im Krankenhaus bleiben muss und wie aufwändig seine medizinische Versorgung tatsächlich ist. Ergeben sich bei der Heilung Komplikationen, zahlt das Krankenhaus dies aus eigener Tasche.

Ab dem Jahr 2007 sind die Pauschalen festgeschrieben. Bundesweit gelten dann die gleichen Preise für eine stationäre Behandlung wie beispielsweise eine Blinddarmoperation. Die Bundesregierung will so Kosten senken und den Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern forcieren.

Für die Krankenhauswirtschaft, die jährlich mit rund 57 Milliarden Euro auch volkswirtschaftlich ein wichtiger Faktor ist, steht damit das effiziente Handeln ganz oben auf der Tagesordnung.

Das Klinik-RZ

Hardware:

30 Sun-Solaris-Server;

10 Linux-Server;

14 Windows-2000-Terminal-Server;

6500 vernetzte PCs (Fat und Thin Clients).

Zentrale Datenbanken:

Adabas PDV-FR: 34 GB, zirka 3600 Named User;

Adabas Mira Plus: 86 GB;

Auslastung PDV-FR (Stand: 19. bis 26.Juli 2004):

Adabas-Calls: 142805046/ 168 h = 236 Calls/sec;

Logical Reads: 2549796694/ 168 h = 4215 Logical Reads/sec.

Weitere Anwendungen:

SAP (FI, MM, CO und andere); MAX-DB: 134 GB;

SAP (HR) MAX-DB: 38 GB;

Data Warehouse Leipool MAX-DB: 78 GB.

Sonstige technologische Besonderheiten:

kein Kommunikations-Server, Anwendungsintegration über HL7.

Weitere Details und Ansprechpartner: www.uniklinik-freiburg.de/z/krz/apdv/de/mit/index.xml.

Die Uniklinik Freiburg

Das Universitätsklinikum (www.uniklinik-freiburg.de) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und vereinigt in seinen Gebäuden Krankenversorgung, Forschung und Lehre. Mit rund 8000 Mitarbeitern ist es außerdem der größte Arbeitgeber in der Region. Der Bettenbestand liegt bei rund 1750 Planbetten in 110 Stationen. Neben 54000 Patientenaufnahmen erfolgen pro Jahr 280000 ambulante Patientenbesuche.

Die Freiburger Lösung PDV-FR sowie weitere Komponenten sind bereits in drei anderen Krankenhäusern im Einsatz. Für ein 200-Betten-Haus lässt sich das Basissystem innerhalb von einer Woche installieren. Die Grundparametrisierung erfolgt in der Regel begleitend zur Schulung in drei weiteren Tagen.