IT-Ausbildung bei der Allianz

Fachinformatiker lernen in Projekten

06.06.2003
MÜNCHEN (CW) - Neue Wege in der Ausbildung hat Allianz mit Siemens beschritten: Die Firmen entwarfen eine Ausbildung zum "Fachinformatiker Anwendungsentwicklung", die nur zwei Jahre dauert und ohne Berufsschule auskommt. Stattdessen lernen die Teilnehmer in weitgehend selbst organisierten Projektteams an realen Aufgaben.

Sie kennen die eigenen Systeme so gut, dass sie sofort einsetzbar sind - gleichzeitig verfügen sie über ein breites Basiswissen. Sie sind teamfähig und können jede Rolle innerhalb eines Projektteams annehmen.

So oder ähnlich sieht das Idealbild der Auszubildenden in der IT aus - aber kann es sie wirklich geben? Auf jeden Fall, erklären die Bildungsexperten von Siemens und Allianz, die auf der Basis des anerkannten Ausbildungsberufs "Fachinformatiker/in Anwendungsentwicklung" ein neues Modell entwickelten. "Wir suchten ein Konzept, das nicht nur unsere Anforderungen abdeckt, sondern auch für Partner interessant ist, die vor ähnlichen Anforderungen stehen wie wir", beschreibt der Education Manager der Allianz Versicherungs-AG, Michael Skala, die Ausgangssituation 1999. Unter den Ausbildungsdienstleistern erhielt Siemens den Zuschlag. "Wir sollten unseren handlungsorientierten Trainingsansatz umsetzen", sagt Projektleiter Wolfgang Kohnle von Siemens Business Services. "Dazu kam als Vorteil unsere langjährige Erfahrung in der Erstausbildung", ergänzt Konrad Maierhofer, bei Siemens Professional Education für die Ausbildung des eigenen IT-Nachwuchses zuständig.

Die IT-Ausbildung durfte, so die Vorgaben der Allianz, nicht länger als zwei Jahre dauern. Die Teilnehmer mussten Abitur oder Fachabitur haben, technische Vorkenntnisse waren nicht zwingend erforderlich - dafür aber ein Interesse an der Softwareentwicklung.

Nachdem die Grundkenntnisse vermittelt worden waren, lernten die Azubis in Projektteams, die sie zum großen Teil selbst organisierten: Die Aufgabenverteilung mit Projektleiter, Programmierung, Testen und Dokumentation entsprach bereits der Realität. Die Aufgaben verlangten Zusatzwissen, das sich die Projektleiter in Workshops aneigneten und ihrem Team weitergaben.

Breite Basisausbildung

Als Produktionsumgebung standen IBM-Standards (Mainframe) und Web-Technologien wie Java Enterprise Beans (J2EE) zur Verfügung. Besonderheiten des ausbildenden Unternehmens blieben in der Basisausbildung bewusst unberücksichtigt und wurden erst in der Praxis vermittelt. Das soll garantieren, dass die Teilnehmer nach Abschluss der Berufsausbildung breiter einsetzbar sind.

Eine Schlüsselrolle in der Ausbildung spielten die Projekte, die die Teams zum Abschluss ihren künftigen Chefs vorstellen. Spätestens hier zeigte sich der Erfolg des Konzepts: "Praktisch schon vollwertige Mitarbeiter", "wirklich an den realen Problemen orientiert", "sofort einsetzbar" - so beurteilten die IT-Abteilungsleiter der Allianz die Auszubildenden. Da die Lehre nur auf zwei Jahre angelegt sein sollte, verzichtete man darauf, den IT-Nachwuchs an die Berufsschule zu schicken. "Die Rechtslage in Bayern erlaubt es, dass wir Abiturienten den Berufsschulstoff selbst vermitteln", sagt Siemens-Ausbilder Maierhofer. "Wir konnten dadurch auch diesen Anteil praxisnäher gestalten."

"Unsere Ausbilder waren praktisch 24 Stunden erreichbar - ich kam mir vor wie ein Kunde, der Forderungen stellen kann", berichtet der 23-jährige Manuel Klostermeier aus dem bayerischen Hohenthann, der im September 2000 begann und zu den ersten 18 Teilnehmern gehörte. Er arbeitet inzwischen in einem Referat der Allianz-Informationssysteme und erzählt vom "starken Zusammenhalt", der sich in den Projektgruppen während der Ausbildung entwickelt habe. "Man ist auf die anderen angewiesen, um Resultate zu erzielen. Jede Lösung sieht etwas anders aus - aber der Stolz ist groß, wenn man etwas selbst Entwickeltes vorstellen kann."

Wissenstransfer unter Azubis

Die Ausbildung zum "Fachinformatiker Anwendungsentwicklung" bezeichnet er als idealen Weg in den Beruf - das Informatikstudium verschreckte ihn durch "zu viel Theorie und Mathematik". Die Allianz hat er als Arbeitgeber schätzen gelernt, aber er weiß auch, was er anderswo wert wäre. "Java Enterprise Beans ist der neueste Schrei im E-Commerce", sagt er. "Nennen Sie mir mal einen anderen Azubi, der da-rin schon ausgebildet ist."

Das Selbstbewusstsein ist begründet. "Mit dieser Ausbildung hat die Allianz Maßstäbe gesetzt", sagt Projektleiter Kohnle. "In einer Zeit, in der die Halbwertszeit des IT-Wissens zum Teil gerade noch sechs Monate beträgt, liegt der Erfolgsfaktor in der Fähigkeit, sich schnell neues Wissen anzueignen. Besonders effektiv geschieht das, wenn der Wissenstransfer unter den Auszubildenden und nicht zwischen Trainer und Azubis erfolgt." (am)