Wenn die Fachabteilungen gegenüber der DV ein Wörtchen mitreden wollen:

Fachbereich kennt seine Probleme am besten

11.09.1981

Die Arbeit mit Bildschirmen betrifft völlig neue Gruppen. Der Unterschied zu Operatoren oder Programmierern beispielsweise liegt darin, daß der Beruf der jetzt Betroffenen nicht die Benutzung des Rechners ist. Der Rechner ist Mittel zum Zweck. Mit Problemen, die in Fachbereichen beziehungsweise in Fachabteilungen entstanden sind, befassen sich Hans Augst* und Dr. Ahmet Cakir*.

Eines dieser Probleme betrifft die Zusammenarbeit der DV-Abteilung mit den Fachbereichen. Bei vielen Organisationen haben DV-Abteilungen sich im Laufe der Zeit zu Machtkernen entwickelt. Sie fühlen sich kompetent und wollen die künftige Entwicklung der Datenverarbeitung in der Hand behalten. Nicht selten kaufen sie bis zum Tisch alles, was der Sachbearbeiter am Bildschirmarbeitsplatz benutzen soll, dieser kann im Extremfall nur noch darüber entscheiden, welche Farbe sein Tisch haben soll.

Projektgruppe aus Fach- und DV-Abteilung

Diese Vorgehensweise verstößt nicht nur gegen die Prinzipien der Mitbestimmung am Arbeitsplatz, sondern auch gegen die Prinzipien, die sich in der Informatik herauskristallisiert haben.

(1) Der Benutzer sollte in die Entwicklung des Systems einbezogen werden.

(2) Benutzer, die Jahre gebraucht haben, um ihre Berufserfahrung zu sammeln, dürfen nicht gezwungen werden, über einen relativ großen Zeitraum die Benutzung von Rechnern zu erlernen .

(3) Die beste Konfiguration für einen Rechner ist nicht notwendigerweise die beste für die Benutzer.

Das ist jedoch nur ein Extrem, das in der Praxis vorkommt. Aber auch Leiter von Abteilungen schaffen, nach welchen Kriterien auch immer, Bildschirmgeräte an und erwarten, daß die DV-Abteilung sie anschließen möge. Sie berufen sich darauf, daß jedes Gerät eine V.24-Schnittstelle besitzt und somit überall anschließbar wäre. Schön wär's!

Zwischen diesen Extremen gibt es einen Mittelweg, der viel Schweiß und Tränen kostet, aber sich im Endeffekt auszahlt: Die Fachbereiche formulieren ihre Vorstellungen und bilden mit der DV-Abteilung zusammen eine Projektgruppe. Innerhalb dieser Projektgruppe lernt jede Partei von der anderen. Die Fachbereiche lernen die technischen Möglichkeiten beziehungsweise Einschränkungen, die DV-Abteilung erfährt, welche Anforderungen die Arbeit in den Fachbereichen an das System stellt. So trägt man weiteren drei Prinzipien Rechnung:

(4) Die Effizienz einer Schnittstelle wird an der Schnittstelle selbst gemessen.

(5) Die Benutzer müssen einen einfachen Zugriff zum System haben.

(6) Die Benutzer sollen nicht mit Problemen konfrontiert werden, die mit ihrer Arbeit nichts zu tun haben.

Wer kann diese Probleme besser beurteilen als der Fachbereich?

Auswahl der Bildschirmgeräte

Die Zeit, in der DV-Abteilungen abgeschlossene Einheiten waren, die ihre Arbeit selbst organisieren konnten, ist wahrscheinlich endgültig vorbei. Anstelle der Abarbeitung geplant anfallender Aufträge von Fachabteilungen an die DV-Abteilung, die im Stapelbetrieb erledigt wurden, ist ein Auftrag getreten: Den Zugriff der Fachbereiche zu bestimmten Zeiten zur Rechnerleistung möglichst leicht und völlig zuverlässig zu gewährleisten. Durch diese Verschiebung ist die Bedeutung der DV-Abteilungen nicht geschmälert worden. Vielmehr sind ihre Aufgaben jetzt anspruchsvoller als zuvor.

In den letzten Jahren haben wesentliche Entwicklungen stattgefunden, die die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsablaufs in den Fachbereichen stark beeinflussen. Zum einen sind die "Sicherheitsregeln für Bildschirm-Arbeitsplätze im Bürobereich" in Kraft getreten, die nicht nur die vorteilhaften technischen Eigenschaften der Geräte behandeln, sondern auch den Arbeitsplatz mit Bildschirmgerät und den Betrieb

dieses Arbeitsplatzes regeln. Viele Betriebe haben diese Regeln als verbindlich für ihre künftigen Beschaffungsmaßnahmen vereinbart und ihre Sicherheitsfachkräfte an der Entscheidung beteiligt.

Nicht zum teuersten Tisch

Die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter werden über die gesetzlich geregelten Rechte ihrer Vertretungen hinaus an der Gestaltung ihrer künftigen Arbeitsplätze beteiligt. Sie berücksichtigen naturgemäß nicht nur den Teil ihrer Arbeit, die am Bildschirmgerät verrichtet wird, sondern auch die restlichen Anforderungen ihrer Tätigkeit.

Diese Vorgehensweise hat sich als äußerst effektiv erwiesen, da niemand die Arbeit der Mitarbeiter besser kennt als diese selbst. Die anfängliche Sorge, die Mitarbeiter würden zum teuersten Tisch greifen, weil dieser vermeintlich auch der beste ist, hat sich nicht bewahrheitet. Bildschirmgeräte, die den Sicherheitsregeln genügen, benötigen keine komplizierten Tische sondern, ganz im Gegenteil, möglichst einfache. An dieses Stelle können wir Prinzip Nr. (2) modifiziert anwenden:

Benutzer, die Jahre gebraucht haben, um ihre Berufserfahrungen zu sammeln, wollen nicht auch noch die Bedienung von ergonomischen Tischmaschinen lernen.

Als Beispiel sei das Tandberg-Gerät TDV 2200 angeführt, bei dessen Entwurf die Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft berücksichtigt worden sind. In diesem Gerät sind die Verstellungsmöglichkeiten, die notwendig sind, in dem Gerätefuß integriert. Man braucht weder motorisierte Tische, noch motorisierte Stühle, um anständig zu sitzen.

Schnittstelle in die Fachbereiche

Die zweite wichtige Veränderung, die sich in den letzten Jahren vollzogen hat, ist die Abkehr von einem Konzept, das große zentrale Rechner und "dumme" Terminals bevorzugte. Die Dezentralisierung der "Intelligenz" ist bereits so weit fortgeschritten, daß die zentrale Rechenanlage nur noch einen "Manager" der dezentralen Stationen darstellt.

Diese sind nicht mehr nur Ein- und Ausgabegeräte, sondern flexibel einsetzbare Datenstationen, oft mit beachtlicher Peripherie. Die Fachabteilungen sind jetzt schon in der Lage, mit Hilfe der dezentralen Intelligenz den Ablauf ihrer Arbeit selber zu modifizieren. Die in den sechziger Jahren noch notwendige Kontrolle des Maschineneinsatzes und der Auslastung ist durch die Möglichkeiten moderner Terminals weitgehend überflüssig geworden.

Die Dezentralisierung der Rechnerleistung durch Verlegung der Schnittstelle in die Fachbereiche erfordert auch die Dezentralisierung der Verantwortung über diese Schnittstelle. Es ist daher folgerichtig, wenn bei der Auswahl der Arbeitsmittel einschließlich der Bildschirmgeräte die Fachbereiche mit den DV-Abteilungen verantwortlich zusammenarbeiten.

*Hans Augst, Geschäftsführer Tandberg Data GmbH, Dortmund, und Dr. Ahmet Cakir, Ergonomic Institut für Arbeit- und Sozialforschung, Forschungsgesellschaft mbH, Berlin.