Domestiziert Gates auch den Server-Markt?

Experten von SPA schießen scharf gegen Microsoft

26.06.1998

Microsofts Chief Operating Officer (COO) Bob Herbold retournierte die SPA-Breitseite umgehend mit einem geharnischten Brief an SPA-President Ken Wasch. Dem Schreiben lag ein White Paper zu NT bei.

Die Brisanz des Papiers resultiert aus der Tatsache, daß es sich bei dem Absender nicht um technologisch wenig beschlagene Streiter wider das Microsoft-Imperium handelt, sondern um einen Industrieverband mit über 1200 Mitgliedern aus der Softwarebranche.

Im einzelnen wirft die SPA Microsoft vor, sie wolle NT zum Nachfolgesystem von Windows 95 und 98 und damit als konsolidierte Plattform nicht nur im Server-Umfeld, sondern auch auf dem Desktop etablieren. Dies hätte aber fatale Folgen für die gesamte Branche. So würde das Unternehmen der Industrie Server- und Netzprotokolle diktieren und damit auch die gesamte Entwicklung im Netzbereich bevormunden.

Microsoft manipuliere durch seine Marktmacht Standards. Unter anderem am Beispiel des Component Object Model (COM) argumentiert die SPA im Detail, wie Gates eine ganze Branche zum Nachteil der Anwender in den Schwitzkasten nimmt.

SPA bezichtigt die Redmonder regelrechter Strafaktionen gegen Kunden: Benutzten diese andere als Microsoft-Produkte, kappe der Softwaregigant die Unterstützung für seine eigenen Erzeugnisse. Außerdem integriere Microsoft immer mehr Produkte in seine Software. So sei die Zahl der mittlerweile in NT eingebundenen, früher aber gesonderten Werkzeuge dramatisch gestiegen. Heute gehörten ein Web-, Transaction-, Messaging-Queue-, Certificate- und ein Index-Server zum Betriebssystem. Diese Produkte seien entgegen Microsofts Verlautbarungen aber eben kein untrennbarer Bestandteil von NT.

Darüber hinaus kündige Microsoft immer wieder Erzeugnisse an, die sich schlicht als noch nicht vorhanden erwiesen oder nie das Licht der DV-Welt erblicken - die Branche bezeichnet solche nur in der Imagination des Herstellers existierenden Entwicklungen als Vaporware, Dampfplauderei also. Mit dieser Taktik blockiere Microsoft Entwicklungen Dritter. Erkläre Gates erst einmal öffentlich, er liebäugle mit einer bestimmten Produktkategorie, habe kein Unternehmen mehr Lust, gegen die erdrückende Marktmacht von Microsoft zu konkurrieren und Entwicklungsgelder aus dem Fenster zu werfen.

Die SPA-Experten ziehen den Schluß, Microsoft habe zunächst die Kontrolle des Desktops dazu benutzt, sich ein Monopol bei Office-Applikationen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulationen, Präsentationssoftware, Desktop-Datenbanken) zu erzwingen. Der wachsende Einfluß auf dem Markt der Server-Betriebssysteme erlaube es dem Unternehmen nun, auch das Geschäft mit "Datenbanken, Transaktionen, mit Kommunikation, Messaging und darüber hinaus den Markt für E-Commerce-Server zu monopolisieren".

Microsofts eiserne Hand im Geschäft mit Desktop-Applikationen habe durch die Verbreitung der Office-Suite Innovationen und Wettbewerb in diesem Marktsegment zum Erliegen gebracht. Genau dies drohe nun auch im Enterprise-Software-Umfeld.

Internet-Quelle

Der SPA-Report ist im Internet zu finden unter: http://www.spa.org/gvmnt/ comp/Herbolds Brief: http://www.microsoft.com/ corpinfo/features/6-19her boldltr.htm

White Paper zu NT: http://www.microsoft.com/ corpinfo/features/6-19winntpaper.htm