Soll der Konzern aufgespaltet werden?

Experten streiten über Sanktionen gegen Microsoft

19.11.1999
MÜNCHEN (CW/IDG) - Nach der Vorentscheidung im Antitrust-Prozeß gegen Microsoft streiten sich Experten über mögliche Sanktionen gegen die Gates-Company. Die Forderungen nach einer Aufspaltung des Konzerns sind lauter geworden.

Die Anklagevertreter im Washingtoner Verfahren dürften nach den jüngsten Einschätzungen von Richter Thomas Jackson wenig Mühe haben, nachzuweisen, daß Microsoft Antitrust-Gesetze gebrochen hat. Darin sind sich Experten einig. Weitaus schwieriger erscheint dagegen die Frage, wie der Konzern künftig daran gehindert werden soll, seine Marktmacht zu mißbrauchen.

Die Diskussion um mögliche Sanktionen gegen den Softwarekonzern entbrannte unmittelbar, nachdem Jackson seine Zusammenfassung der Beweisaufnahme (Findings of Fact) vorgelegt hatte. Amerikanische Verbraucherverbände wie die Consumer Federation of America und der prominente Verbraucherschützer Ralph Nader fordern nun vehement, das Unternehmen aufzuspalten.

US-Juristen teilen die möglichen Maßnahmen gegen die Gates-Company in zwei Kategorien ein: Sogenannte Conduct Remedies (oder Behavioral Remedies) zielen auf eine Verhaltensänderung des Unternehmens ab, um künftige Rechtsbrüche zu verhindern. Strukturelle Maßnahmen dagegen würden tiefgreifende organisatorische Veränderungen beinhalten, die die Marktposition des Unternehmens komplett verändern könnten. Zu letzterer Kategorie gehören eine Aufspaltung Microsofts in mehrere voneinander unabhängige Unternehmen oder die erzwungene Freigabe des Windows-Quellcodes.

Robert Lande, Rechtswissenschaftler an der Universität Baltimore, hält die Sachlage für relativ klar: Würden Gesetze nur an wenigen Punkten gebrochen, könnten auch die Sanktionen milde ausfallen, so der Jurist. "Im Falle von schwerwiegenden Verstößen, in dem ein Unternehmen viele Male die Grenzen des Erlaubten überschreitet", sind nach seiner Auffassung strukturelle Maßnahmen erforderlich. Nach den Einlassungen Jacksons trifft für Microsoft wohl letztere Option zu.

Gegen die milderen Conduct Remedies sprechen nach Auffassung von Microsoft-Kritikern mehrere Faktoren. Zum einen hat die US-Justiz mit dem 1994 ausgehandelten Consent Decree schon einmal versucht, Microsoft zu bestimmten Verhaltensänderungen zu bewegen. Der Konzern verpflichtete sich seinerzeit, PC-Hersteller beim Erwerb von Windows-Lizenzen nicht gleichzeitig zur Installation weiterer Microsoft-Produkte zu zwingen. Mit der Bündelung von Windows 95 mit dem "Internet Explorer" im Jahr 1997 verstieß Microsoft prompt gegen diese Vereinbarung. Eine einstweilige Verfügung von Richter Jackson mit dem Ziel, dieses Vorgehen zu unterbinden, wurde im Juni 1998 von einem Appellationsgericht kassiert. Insofern habe diese Maßnahme nichts bewirkt, so die Kritiker.

Szenarien für eine Zerschlagung Microsofts

Gegen eine milde Bestrafung spricht nach Auffassung von Joel Klein, Chef der Antitrust-Behörde im US-Justizministerium, zudem, daß Auflagen für eine Verhaltensänderung permanent von der Regierung überwacht werden müßten. Im Falle eines Verstoßes wären Behörden gezwungen, einzugreifen. Der dafür notwendige Aufwand sei extrem hoch und deshalb nicht wünschenswert. Für Klein stehen Überlegungen zu einer Aufspaltung des Konzerns im Mittelpunkt.

Doch auch an diesem Punkt scheiden sich die Geister. Wie könnte eine Aufteilung aussehen? Was würde sie bewirken? Zur Diskussion steht eine vertikale wie auch eine horizontale Trennung. Die erste Variante sieht etwa eine Aufspaltung Microsofts in ein Betriebssystem-Geschäft und ein Unternehmen für Anwendungssoftware vor. Letzteres hätte ein natürliches Interesse daran, seine Produkte nicht nur an Windows-Anwender zu verkaufen, und würde deshalb auch andere Betriebssystem-Plattformen unterstützen, argumentieren die Befürworter.

Eine vertikale Aufspaltung ließe dagegen mehrere unabhängige Unternehmen ("Baby Bills") entstehen. Diese würden untereinander konkurrieren. Kritiker dieses Konzepts weisen unter anderem auf den hohen logistischen Aufwand hin, den eine solche Teilung verursachen würde. Zudem sei zu befürchten, daß damit verschiedene, untereinander nicht kompatible Windows-Versionen entstünden, was letztlich wieder den Verbrauchern schaden könne.

Novell-Chef Eric Schmidt etwa hält wenig von einer Aufspaltung Microsofts. "Die wahrscheinliche Konsequenz wäre eine große Konfusion im Markt", so der Manager. Statt dessen solle die Justiz Microsoft zwingen, alle Application Programming Interfaces (APIs) zu veröffentlichen. Auch die Preise und Lizenzierungsbedingungen für die Redmonder Softwareprodukte sollten für die Öffentlichkeit stets transparent sein, fordert Schmidt.

Der US-Staatsanwalt Sam Miller schlägt vor, Microsoft solle sich selbst aufteilen. "Ich bin kein Befürworter einer staatlich verordneten Zerschlagung", so Miller gegenüber dem "Wall Street Journal". "Wenn aber Gates entscheiden würde, es zu tun, wäre das etwas anderes." Miller, der in einem früheren Verfahren gegen Microsoft schon einmal als Staatsanwalt vorgesehen war, kann sich für diesen Fall eine Dreiteilung vorstellen: Eine Windows-Division, eine Applikations-Software-Gruppe und eine Einheit für Microsofts Internet-Services.

Eine von dem Konzern selbst initiierte Aufspaltung hält auch der McKinsey-Berater Reed Hunt für realistisch. Eine "verhandelte Aufspaltung", so der ehemalige Vorsitzende der Federal Communications Commission (FCC), könnte sich durchaus mit Microsofts eigenen Zielen decken, die internen Prozesse zu verschlanken. Dies könne letztlich sogar zum Vorteil der Aktionäre sein, so Miller. "Ich kann mir vorstellen, daß Microsoft solche Pläne vorschlägt."

Der ehemalige Netscape-Chef James Barksdale bläst in das gleiche Horn. Zwar trete er nach wie vor für staatliche verhängte strukturelle Maßnahmen gegen die Gates-Company ein. Andererseits verweist er aber auf die Beispiele von US-Ölkonzernen oder den 1982 zerschlagenen Telecom-Konzern AT&T, deren Aktienkurse sich in der Folge positiv entwickelt hätten.

Der Fall Microsoft hat sich unterdessen auch auf den alten Kontinent ausgeweitet. Die Europäische Kommission prüft derzeit Kartellbeschwerden gegen den Hersteller. Sie beinhalten nach Aussagen von Michael Tscherny, Sprecher des EU-Wettbewerbs-Kommissars Mario Monti, "den Vorwurf des Mißbrauchs einer dominierenden Position in den Märkten für Betriebssysteme für PCs und Server".