Überraschende Personalentscheidung

Ex-SAP-Chef Léo Apotheker übernimmt Zügel bei Hewlett Packard

01.10.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Eine Nummer zu groß für Apotheker?

Es dürfte schwer werden für Léo Apotheker in die Fussstapfen von Mark Hurd zu treten. Der ehemalige NCR-Chef, der 2005 auf den Chefsessel von HP wechselte, lieferte bis zu seinem unglücklichen Abgang im August dieses Jahres eine einzige große Erfolgsstory ab. Hurd brachte den angeschlagenen IT-Riesen wieder auf Kurs. Er senkte massiv die Kosten, trimmte die internen Prozesse auf mehr Effizienz, erweiterte kontinuierlich das Portfolio durch Zukäufe und machte HP so zum größten IT-Konzern der Welt - vor dem Erzrivalen IBM. Allerdings hatte der Ruhm auch seine Schattenseiten: Hurd sparte auch massiv bei den Investitionen für Forschung und Entwicklung und musste sich dafür erst vor wenigen Tagen nachträglich öffentliche Schelte durch IBM-Chef Samuel Palmisano anhören. Auch die Stimmung innerhalb der HP-Belegschaft soll angesichts des strikten Sparkurses und der zahlreichen Stellenstreichungen in den vergangenen Jahren nicht die beste sein.

Ob das Apotheker ändern kann, ist fraglich. Bei SAP war der Manager für seinen bisweilen rüden Umgangston gegenüber Kunden und den eigenen Mitarbeitern bekannt. Seinen Rausschmiss haben unter anderem auch miserable interne Umfragewerte befeuert. Es ist eine schwere Hypothek, die Apotheker bei HP schultern muss. Als CEO-Erfahrung kann der 57-jährige Manager lediglich neun Monate vorweisen - vom Mai 2009 bis Anfang Februar 2010. Davor musste er sich den Chefsessel bei SAP mit Henning Kagermann teilen. Auch seine Branchenerfahrung ist begrenzt. Apotheker arbeitete seit 1988 durchgehend bei SAP. Sein Knowhow beschränkt sich auf Business-Software und hier in erster Linie auf das direkte Geschäft mit Großkunden.

Sein Abgang bei SAP im Frühjahr 2010 war alles andere als glorreich. Auch wenn man ihm sicher nicht allein den Ärger um die Erhöhung der Wartungsgebühren ankreiden konnte - die Entscheidung haben auch Manager wie Kagermann oder SAP-Gründer Hasso Plattner mit getragen - musste Apotheker als Sündenbock herhalten. Der Ärger mit den Kunden, Widerstände und Unzufriedenheit in der eigenen Belegschaft und die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten haben Plattner - die graue Emminenz bei SAP, die immer noch die Fäden zieht - dazu veranlasst, die Notbremse zu ziehen und Apotheker zu feuern.

Bei Hewlett-Packard wird Apotheker erst einmal viel lernen müssen. Er wird eine wesentlich breitere Produktpalette kontrollieren müssen, die vom Tintenstrahldrucker über Netzequipment bis zum Highend-Unix-Server, von brachenspezifischen Serviceleistungen bis hin zu System-Management-Tools reicht. Darüber hinaus wird der gebürtige Aachener seinen Vertriebshorizont deutlich erweitern müssen. Neben dem Großkundengeschäft gilt es, ein breites Partnernetz für den Mittelstand und das globale Consumer-Geschäft zu steuern.