US versus IBM:

Ex-RCA-DP-Boss mißbilligt den Exitus

05.03.1976

NEW YORK - RCA's Entscheidung im September 1971, keine eigenen Rechner mehr zu entwickeln und zu vertreiben, kam selbst für den damaligen Präsidenten der Computer-Division des Elektronik-Giganten "völlig überraschend". Das erklärte, Joseph William Rooney als Zeuge im Antitrust-Prozeß der US-Regierung gegen IBM - er war seinerzeit die besagte "Nummer Eins". Rooney, heute Vizepräsident der Itel Data Service, Group, fügte hinzu, daß mit der Rückzugsentscheidung keiner seiner leitenden Mitarbeiter einverstanden war: "Wir wurden an dem Tage informiert, an dem die Entscheidung des RCA-Board auch der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurde", verriet jetzt Rooney.

"Überlebens-Minimum" zehn Prozent Marktanteil

Als er 1969 nach 19 Jahren IBM-Zugehörigkeit zu RCA wechselte, sei ihm versichert worden, daß die RCA-Spitze nicht an ein Aussteigen aus dem Computer-Business denke, obwohl die DP-Division zum damaligen Zeitpunkt bei einem US-Marktanteil von 3,5 Prozent bereits in den "roten Zahlen" war. Im Gegenteil: 500 Millionen Dollar sollten bis 1975 ins Computergeschäft investiert werden. Erklärtes RCA-Ziel war - so Rooney - zehn Prozent Marktanteil. Man sei der (...)wesen, daß ein EDV-Hersteller diese Schwelle überschreiten müsse, um lebensfähig zu sein. Daraus wurde eine gegen den Marktführer IBM gerichtete Offensiv-Strategie abgeleitet und alle RCA-Produkte mit Blick auf vergleichbare IBM-Maschinen entwickelt.

Auf die 370-Ankündigung warf RCA das Handtuch

Heute sei er allerdings überzeugt, daß die Annahme, das "Überlebens-Minimum" liege bei zehn Prozent Marktanteil, durch die Realität nicht bestätigt werde. So gesehen, stehe die RCA-Entscheidung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit irgendwelchen Aktionen der IBM gegen RCA.

Was jedoch keineswegs heißen solle, daß es sie nicht gegeben habe. Rooney nannte ein Beispiel: RCA kündigte im September 1970 als "IBM-Ablösemodell" das System RCA 6 an - 10 bis 15 Prozent unter IBM's 360-Preisen. Bereits eine Woche Später brachte der Marktführer das System 370/145 heraus - RCA's Wettbewerbsvorsprung war dahin, ehe er überhaupt zum Tragen kam. Und bereits 12 Monate später präsentierte IBM mit den Modellen 370/155 und 370/165 weitere 370-Systeme - in Abweichung vom gewohnten Ankündigungsrythmus von 18 Monaten und sogar fünf bis zehn Prozent billiger als es die RCA-Marketing-Strategen vorausberechnet hatten. Das war im September 1971. Kurz darauf warf RCA das Handtuch.

Dem seinerzeit völlig konsternierten Siemens-DV-Management mag Rooney's Schicksal nachträglich ein Trost sein. de