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Ex-Freundin von Gates vernichtete Akten

08.02.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wegen unfairen Wettbewerbs, Produkt-Bundlings und Dumpings hatte DR-DOS-Anbieter Caldera im Jahr 1996 Microsoft vor den Kadi gezerrt. Der Rechtsstreit ist seit Mitte Januar 2000 beigelegt (CW Infonet berichtete), doch nun scheinen einige zuvor versiegelte eidesstattliche Aussagen der verhörten Zeugen öffentlich geworden zu sein. Die US-Publikation "Salt Lake Tribune" berichtet, die ehemals bei Microsoft Deutschland angestellte Stefanie Reichel habe zugegeben, auf Weisung ihres Vorgesetzten Dateien und andere Informationen vernichtet zu haben, die als Beweismaterial gegen ihren Arbeitgeber im Caldera-Verfahren hätten verwendet werden können. Sie habe E-Mails gelöscht, die "in einer Untersuchung hätten problematisch sein

können". Eventuell habe sie auch wichtige Papiere vernichtet, erklärte sie weiter. Einem Buch der IT-Fachjournalistin Wendy Goldman Rohm zufolge handelt es sich bei Reichel um eine ehemalige Freundin von Bill Gates. Sie soll auch mit dem Justiziar der Softwareschmiede, William Neukom, liiert gewesen sein.

Die zuvor unter Verschluss gehaltenen Reichel-Aussagen befanden sich in zwei Dokumentenkisten, die aufgrund einer Klage der Publikationen "Salt Lake Tribune", "San Jose Mercury News" und "Bloomberg News" geöffnet wurden. Darin befinden sich angeblich noch weitere versiegelte Aussagen von Reichel. Zu den noch nicht geöffneten Dokumenten gehören OEM-Preisinformationen (Original Equipment Manufacturer) und über 30 Zeugenaussagen, darunter eidesstattliche Erklärungen von Gates, Microsoft OEM-Chef (Original Equipment Manufacturer) Joachim Kempin sowie von der ehemaligen Microsoft-Führungskraft Patty Stonesifer.

Bereits 1998 hatte Reichel ausgesagt, Informationen aus erster Hand über die Zerstörung von potentiellen Beweisen gegen Microsoft zu besitzen. Damals wollten sich weder Kläger noch Beklagter dazu äußern. Reichels Aussagen wurden bislang auch nicht zum derzeit laufenden Kartellverfahren des US-Justizministeriums gegen Microsoft zugelassen.