Erste Ergebnisse der Akquisitions-Politik

Ex-Cullinet-Produkte öffnen CA den Zugang zum VAX-Markt

16.02.1990

MÜNCHEN (CW) - Den zahlreichen Firmenaufkäufen des vergangenen Jahres läßt Computer Associates jetzt einen Produktregen folgen. Die Ankündigungen betreffen jedoch nicht den angestammten IBM-Bereich, sondern vor allem Ex-Cullinet-Software für den VAX-Markt.

Konkret kündigt CA die Version 1.3 des PPS-Logistik-Systems CAS an, das auf der Münchner Systems noch unter der Cullinet-Bezeichnung MSG/CMS vermarktet wurde. Während diese Software unter allen gängigen IBM-Großrechner-Betriebssystemen ab OS/VS 1 läuft, drängt das Unternehmen mit seinen anderen Produkten vor allem in den VAX-Markt.

Für Digitals VAX-Rechner bietet CA künftig das Cullinet-Datenbanksystem Enterprise, Version 1.4 (jetzt CA-DB/VMS), und die Anwendungs-Entwicklungs-Tools DB-Builder, DB-Generator und DB-Expert an. Frühere Ankündigungen betreffen Software von Cullinet für die Finanzplanung, das Projektmanagement und die Datensicherheit.

Ein von CA erhoffter Effekt dieses Produktregens liegt in der Beruhigung von mißtrauischen Cullinet-Kunden. Die Art der Übernahme - inklusive der vielen Entlassungen - hatte im vergangen Jahr viel böses Blut erzeugt. Eine Reihe Anwender befürchtete, daß CA die Weiterentwicklung der bei ihnen installierten Systeme vernachlässigen könnte.

Die Häufung von Ankündigungen für Ex-Cullinet-Software sei purer Zufall, meint Heike Gutschalk, eine CA-Sprecherin. Gleichzeitig räumt sie jedoch ein, daß ihr Unternehmen sich mit der Akquisition von Cullinet den Zugang zur Nicht-lBM-Welt verschaffen wollte. Daher sei die VAX-Erfahrung des Unternehmens ein entscheidendes Kaufkriterium gewesen.

Auf die Frage, ob diese Hinwendung zur DEC-Welt eine Abwendung vom IBM-Markt zur Folge habe, antwortete Gutschalk: "Wir sind ein unabhängiger Software-Anbieter mit Betonung auf unabhängig". In diesem Zusammenhang verweist sie auf die hauseigene

Application-Construction -Environment-Strategie (ACE), Software vom PC bis zum Mainframe anzubieten. Wie beim SAA-Konzept der IBM sei auch hier die "Connectivity" der Anwendungen auf allen Hardware-Ebenen geplant, trotzdem habe ACF nichts mit der proprietären IBM-Variante zu tun.

Demnächst soll es auf der CeBIT im Rahmen dieses Konzepts einige "innovative"

Ankündigungen für den Mikrocomputer-Bereich geben. Für PC's hat CA erst kürzlich eine Sicherheits-Software mit der Bezeichnung "Cortana" vorgestellt, die unter MS-DOS läuft. Mit "ACF2" und "Top Secret" hat CA darüber hinaus Produkte für die Zugriffskontrolle auf IBMs Mainframe-Datenbanksystem DB2 angekündigt. Für VAX-Rechner wird Top Secret bereits

ausgeliefert. +

CA, Independent Software Vendor

Die Zeit der Eroberungen scheint - zumindest vorübergehend - vorbei. Nun muß das frisch zusammengekaufte Imperium konsolidieren, hat doch die aggressive Übernahmepolitik nicht nur zu partiellen Gewinneinbrüchen, sondern darüber hinaus zu einer tiefen Verunsicherung in der Branche geführt. Vertrauensbildende Maßnahmen sind angesagt - besonders bei der arg dezimierten Cullinet-Mannschaft und deren Kunden.

So soll denn die Flut der nun angekündigten Cullinet-Software mit CA-Logo all jene Anwender beruhigen, die befürchtet hatten, der Software-Großhändler würde diese Produkte nicht mehr weiterpflegen. "Außerdem", so hofiert Birgit Bamberg, Marketingleiterin von CA, die immer noch lebendige Cullinet-Gemeinde, "war die Übernahme von Cullinet die Voraussetzung, um das SAA-ähnliche AGE-Konzept zu starten."

Hier zeigt sich, daß hinter der harten Kaufpolitik von CA eine langfristige Strategie steckt: Die Abkehr von der strikten IBM-Linie. Denn im Gegensatz zu SAA zielt ACE - zumindest unterhalb der Mainframe-Ebene - auf Hersteller-Unabhängigkeit. Der Software-vendor hat sich vorgenommen, künftig das Attribut " independent " ernster zu nehmen als die meisten seiner Mitbewerber. Cullinets VAX-Erfahrungmacht macht's möglich. gfh