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Europas Online-Broker werden abheben

25.01.2000
Persönliche Beratung ist erfolgsentscheidend

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Immer mehr Europäer werden in den kommenden Jahren ihr Geld in Aktien und Investmentfonds anlegen, um sich beispielsweise Alternativen zur staatlichen Altersversorgung zu schaffen. Die Kundenzahl der europäischen Online-Broker für Wertpapierhandel soll im Jahr 2004 auf bis zu 14 Millionen ansteigen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Online Trading Skyrockets in Europe" des Marktforschungsunternehmens Forrester. Viele Broker und Banken bieten bereits informative und funktionale Maklerdienste im Internet an, müssen diese jedoch künftig weiter ausbauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Zauberwort heißt hier laut Forrester "persönliche Beratung", sonst drohe ein reiner Preiskrieg.

Die Auguren befragten in ihrer Untersuchung 24 Wertpapiermakler und 26 Banken in Europa, die bereits Online-Handel anbieten oder ihn innerhalb der nächsten sechs Monate planen. Online-Brokerage ist in der Alten Welt im Gegensatz zu den USA eine eher junge Entwicklung. Nur 20 Prozent der befragten Unternehmen bieten ihren Kunden seit mehr als zwei Jahren die Möglichkeit, im Web Wertanlagen zu kaufen; 65 Prozent führten dieses Angebot erst vor kurzem ein. Derzeit verzeichnen 67 Prozent der Online-Anbieter mit weniger als 50 000 Konten noch niedrige Kundenzahlen; über 70 Prozent führen monatlich weniger als 50 000 Transaktionen durch. Allerdings rechnen 23 Prozent damit, in den nächsten drei Jahren um mehr als das Dreifache zu wachsen.

Auch wenn die europäischen Online-Broker im US-amerikanischen Vergleich noch in den Kinderschuhen stecken, so lassen sich ihre Web-Angebote durchaus sehen, so die Auguren. Die Websites bieten zu 98 Prozent kostenlose Aktienkurse, zu 90 Prozent Finanznachrichten, zu 62 Prozent Firmeninformationen sowie historische Marktzahlen und zu 50 Prozent Statistiken. 60 Prozent der Anbieter offerieren nachbörslichen Handel und 49 Prozent Zugang zu internationalen Börsen.

Mit der persönlichen Kundenberatung hapert es allerdings diesseits des Atlantiks. 70 Prozent der befragten Online-Broker bieten keine Individualberatung und nur 17 Prozent planen einen solchen Service. Diejenigen, die persönliches Consulting im Programm haben, offerieren lediglich statische Portfolio-Planer und Werkzeuge zur Risiko-Analyse. "Um die Kosten niedrig zu halten, bieten wir keine individuelle Beratung an," erklärt ein Broker aus Großbritannien. Auch in Zukunft sind derartige Angebotserweiterungen nicht geplant. Statt dessen wollen sich die europäischen Broker durch neue technologische Entwicklungen und breitere Anlagemöglichkeiten von der Konkurrenz differenzieren.

Bis zum Jahr 2004 soll die Zahl der Kunden im Online-Wertpapierhandel in Europa von derzeit 1,3 Millionen um das Zwölffache wachsen. Das liegt laut Forrester vor allem daran, dass die europäischen Regierungen zunehmend Steuererleichterungen für Investmentfonds gewähren werden, um ihre Bürger zu privaten Absicherungen zu animieren. Des weiteren werden durch die fortschreitende Privatisierung der staatlichen Betriebe immer mehr Anteile in private Hände übergehen. Als in Großbritannien vor einigen Jahren ehemals staatliche Versorgungsbetriebe an die Börse gingen, stieg die Zahl der Investoren um 400 Prozent auf 15 Millionen. Zudem werden europäische High-Tech-Börsen wie der Neue Markt in Frankfurt und der italienische Nuovo Mercato sowie die steigende Zahl der Börsengänge weitere Investoren anlocken.

Deutschland ist mit 550 000 Kunden der derzeit größte Markt im europäischen Online-Wertpapiergeschäft und soll diese Position den Auguren zufolge auch künftig beibehalten. Im Jahr 2004 werden deutsche Online-Broker rund 3,5 Millionen Kundenkonten aufweisen, gefolgt von den Briten mit 1,8 Millionen Konten, den Schweden auf Platz drei (1,78 Millionen) und den Franzosen auf Platz vier (1,56 Millionen). Die Deutschen Discount-Broker sollen dabei die technologische Innovation in der Alten Welt anführen, allen voran die drei größten Online-Broker Comdirect, Consors und Direkt Anlage Bank. Forrester geht davon aus, dass die drei Unternehmen bereits diesen Sommer WAP-Dienste (Wireless Access Protocol) in ihr Angebot aufnehmen werden.

Die Zukunft scheint rosig für Europa, doch die Analysten warnen vor zwei Gefahren. Durch die zunehmende Konkurrenz wird es zu Preiskämpfen kommen, die die Transaktionsgebühren pro Wertpapierhandel im Jahr 2002 auf unter zehn Euro drücken werden. Große Player werden kleinere Anbieter schlucken. Online-Broker, die lediglich die Kaufaufträge ausführen und keine weiteren Services bieten wie persönliche Beratung, werden im Markt keine Chance haben. Forrester rät daher zu folgendem Erfolgsrezept:

Online-Broker müssen zunächst dafür sorgen, dass ihre Back-end-Lösungen effizient arbeiten, also alle Transaktionen elektronisch abgewickelt werden. Werden entsprechende Anwendungen nicht innerhalb der nächsten 18 Monate eingeführt, ist es zu spät.

Online-Beratung von Kunden ist ein Muss.

Firmen sollten die Preise für die Ausführung der Transaktionen von den Beratungskosten trennen. Kunden sind eher bereit, für individuelle Betreuung höhere Gebühren zu zahlen als für die reine Abwicklung ihrer Aufträge. In den USA kassieren Charles Schwab und American Express bereits für Beratung.

Um den Kundenkontakt zu intensivieren und jederzeit erreichbar zu sein, sollten Online-Broker so schnell wie möglich WAP-Dienste einführen.

Wertpapierhändler sollten spezielle Investmentfonds für diejenigen schaffen, die sich zusätzlich zur gesetzlichen Alters- oder Krankenversorgung durch Anlagen absichern wollen. Die Anbieter müssen dafür den richtigen Mix aus sicheren und riskanten Anlagen sowie gewisse Garantien schaffen. Ein Beispiel hierfür ist der "Happy Age Fund" der Direkt Anlage Bank.