Absatzmarkt ist doppelt so groß wie das Produktionsvolumen:

Europas DV-Handelsbilanz weiter im Defizit

14.07.1989

MÜNCHEN (CW) - Nur vier bundesdeutsche Unternehmen finden sich unter den 100 größten DV-Unternehmen der Welt. Der Umsatz dieses kleinen Zirkels reichte im Jahr 1988 zwar aus, die Bundesrepublik bezogen auf Computerprodukte zum größten europäischen Herstellerland werden zu lassen. Gegen die Giganten aus den USA und Japan sind Europas DV-Anbieter auf dem Weltmarkt jedoch Zwerge.

Die Vormachtstellung der amerikanischen Industrie in der Computerwelt bleibt unangefochten. Der US-Fachzeitschrift "Datamation" zufolge stammen mehr als 60 Prozent der von den 100 größten DV-Unternehmen der Welt erzeugten Waren und Dienstleistungen - Gesamtwert 243,1 Milliarden Dollar - aus Nordamerika. Ein Fünftel der Produktion kommt aus dem fernen Osten; europäische Hersteller steuerten nur knapp 17 Prozent des Umsatzes der Top 100 bei. Ganz anders das Bild auf der Käuferseite: Nordamerika nahm gut 40 Prozent der Produkte ab, während Europas Anwender 34 Prozent des Warenangebots aufsogen. Mit 25 Prozent waren die Länder des fernen Ostens dagegen fast bescheiden repräsentiert; freilich stellt mit Japan ein einziges Land den Löwenanteil.

In der Bundesrepublik Deutschland reichten die Umsätze von Siemens, Nixdorf, Mannesmann-Kienzle und Comparex aus, um in den erleuchten Kreis der 100 DV-umsatzstärksten Unternehmen aufgenommen zu werden. Mit 10,5 Milliarden Mark DV- und Telekom-Umsatz langte es bei der Siemens AG für den achten Platz, Nixdorf fiel auf Rang 18 mit knapp 5,4 Milliarden Mark zurück, Mannesmann-Kienzle belegte mit 1,4 Milliarden Mark Umsatz Platz 63, und schließlich gelang es der BASF-Siemens-Gründung Comparex bei einem Umsatz von etwas über einer Milliarde Mark, Platz 73 zu erklimmen.

Datamation zufolge macht der Siemens-Konzern sein Geschäft mit Informationstechnik zu fast 90 Prozent in Europa. Hauptumsatzträger sind Peripheriegeräte (26 Prozent), gefolgt von Kommunikationsprodukten (22 Prozent), Wartung (16 Prozent) und Mainframes (11 Prozent). Die Nixdorf Computer AG verkauft ebenfalls runde 90 Prozent ihrer Produktion in Europa. Und auch hier dominiert das Peripheriegeschäft - mit einem Anteil am Umsatz von 42 Prozent. Minicomputer (16 Prozent), Software (14 Prozent) und Wartung (10 Prozent) folgen. Daß Nixdorf sich gern als Kommunikationsspezialist sieht, hat indes in der alljährlichen Statistik der DV-Welt noch keinen Niederschlag gefunden: Die Telecom-Produkte schlagen erst mit sechs Prozent zu Buche - nicht mehr, als nach Datamation-Schätzung die (inzwischen nicht mehr aktiv vermarkteten) Mainframes den Paderborner Computerbauern brachten.

Ein Blick auf Europa: Neben den vier bundesdeutschen Unternehmen zählen weitere 18 Gesellschaften aus der Alten Welt zu den 100 weltgrößten Computer-Companies. Von den 40,1 Milliarden Dollar Umsatz, die die 22 Europäer im vergangenen Jahr erwirtschaftet haben, entfielen 26 Prozent auf die Bundesrepublik, 23 Prozent auf Frankreich, je 15 Prozent auf Italien und Großbritannien sowie 14 Prozent auf die Niederlande. Den Rest teilen sich Skandinavien und die Schweiz.

Einige Schlaglichter am Rande: Am meisten zugelegt hat im vergangenen Jahr das finnische Unternehmen Nokia Data - wenn auch nur durch Akquisitionen wie die der DV-Sparte von Ericsson in Schweden. Der Umsatz der Skandinavier wuchs um fast 166 Prozent. Verlierer des Jahres ist AT&T mit einem Verlust von 1,7 Milliarden Dollar. Die höchste Umsatzrendite erzielte Microsoft mit 21 Prozent.

Die höchsten Umsätze pro Mitarbeiter fuhren Leasinggesellschaften ein: Atlantic Computers mit 938 000 Dollar und Econocom mit 607 000 Dollar. Daß ein hoher Pro-Kopf-Umsatz allein nichts nützt, zeigt indes das Beispiel Wyse: Trotz 153 000 Dollar Umsatz pro Nase (damit Rang 14) findet sich das Terminal- und PC-Unternehmen auf Rang 9 der Unternehmen wieder, die Verluste zu beklagen hatten.

Bleiben noch die Unternehmen, die sich im Jahr 1988 einer Abmagerungskur unterziehen mußten: Der Telekommunikationskonzern Alcatel schrumpfte um 19 Umsatzprozente, gefolgt von Tandon (Rückgang 17 Prozent) und dem weltweit operierenden Netzbetreiber General Electric (minus zehn Prozent).