Thomson und Stet gründen gemeinsame Halbleiter-Gesellschaft:

Europas Chip-Industrie träumt vom Aufschwung

15.05.1987

PARIS/SUNNYVALE (bk) - Konzentrationstendenzen in der europäischen und amerikanischen Halbleiter-Industrie nehmen im neue Konturen an. Unter Dach Fach ist jetzt die Gründung einer gemeinsamen Chip-Holding Thomson und Stet. In den USA hatte unlängst Advanced Micro Devices bekanntgegeben, die Monolit Memories Inc. zu übernehmen.

Aufbruchsstimmung herrscht dem angeschlagenen europäischen Chip-Markt. Nach dem Motto "Gemeinsamkeit macht stark" wer die französische Thomson-CSF die italienische Stet-Tochter SGS croelettronica S.p.A. künftig zusammen versuchen, in Europa an Boden zu gewinnen und auch der übermächtigen Konkurrenz aus USA Japan die Stirn zu bieten. Die französische und die italienische Regie stimmten jetzt der schon länger planten Chip-Fusion zwischen Thomson-Tochter Thomson Semiconducteur und SGS zu.

Beide Unternehmen sollen in eine Holding eingebracht werden, deren Standort aus finanziellen und steuerlichen Gründungen die Niederlande sein wird. Für die Position des Chairman ist Henri Starck, Executive President der Thomson-CSF, vorgesehen, leiten soll das Unternehmen SGS-Chef Pasquale Pistorio als Chief Executive.

Umsatz-Milliarde schon im Visier

Die Thomson-SGS wird mit einem Marktanteil von 10,9 Prozent das zweitgrößte europäische Halbleiter-Unternehmen nach der niederländischen Philips sein, Weltweit gesehen rangiert die neue Holding auf Platz 12 mit einem Marktanteil von 3 Prozent. Der kombinierte Umsatz beider Unternehmen beläuft sich derzeit auf 821 Millionen Dollar. Davon entfallen rund 546 Millionen Dollar auf das Europa-Geschäft. Bis 1990 jedoch, so hofft Alain Gomez, Chairman der Thomson S.A., werde die Thomson-SGS die Umsatz-Milliarde durchbrechen und in der Top Ten der weltweit größten Chip-Hersteller zu finden sein.

Natürlich, so Gomez, müßten beide Unternehmen jetzt erst einmal ihre Chip-Aktivitäten konzentrieren und Restrukturierungs- beziehungsweise Rationalisierungsmaßnahmen in Angriff nehmen. Möglicherweise würden Werke geschlossen, was einen Abbau von Arbeitsplätzen wahrscheinlich mache. Andererseits, betonte der Thomson-Chairman, überschnitten sich die Produkte der beiden Unternehmen glücklicherweise nur zu 25 Prozent, so daß sich alle Maßnahmen in Grenzen halten könnten.

Werkschließungen und Arbeitsplatzabbau

Thomson Semiconducteur verfügt über sechs Produktionsstätten in Frankreich. Darüber hinaus ist das Unternehmen mit Werken in Marokko, Singapur und Penang/Malaysia vertreten. SGS unterhält Werke in Italien, Frankreich, Malta, Singapur und Penang. 1985 hatte Thomson schon einmal versucht, sein Halbleiter-Geschäft anzukurbeln, indem es die amerikanische Mostek Corp. aufkaufte. Doch diese Transaktion hatte sich schnell als, ein Schlag ins Wasser herausgestellt, da am Chipmarkt bereits kurze Zeit später katastrophale Zustände herrschten. Thomson mußte 1985 in der Halbleiter-Division einen Verlust von 50,1 Millionen Dollar einstecken. Im vergangenen Jahr sah es nicht viel besser aus: Bei der Endabrechnung ergab sich ein Minus von 39,6 Millionen Dollar.

In Europa ist die Fusion zwischen Thomson Semiconducteur und SGS auf ein positives Echo gestoßen. Nicht nur Marktforscher geben der neuen Company gute Chancen wegen der Zusammenarbeit, der neuen Produkt-Strategie und wegen des stärken Managements. Für viele Halbleiter-Hersteller ist diese Transaktion Zeichen einer wiedererwachten europäischen Chip-Industrie. Zwar, so Douglas Dunn, Managing Director der Halbleiter-Division von der britischen Plessey Co., sei nicht zu erwarten, daß die europäischen Hersteller ihre großen Konkurrenten je einholen könnten. Doch die Talfahrt der europäischen Chip-Industrie habe ein Ende gefunden.

Europäische Marktanalysten warnen hingegen schon vor allzu großer Euphorie. Zum einen richteten viele amerikanische Halbleiter-Hersteller in ihren europäischen Niederlassungen ihre Chip-Produktion immer mehr auf kundenspezifische Anforderungen aus. Zum anderen bauten japanische Hersteller, wie zum Beispiel Toshiba oder NEC, laufend neue europäische Produktionsstätten und verstärkten zunehmend ihre Vertriebsaktivitäten in Europa. Vor allem die Amerikaner geben sich unbeeindruckt angesichts der Aufbruchsstimmung der europäischen Halbleiter-Industrie. Auf die Frage, ob man sich durch irgendeinen europäischen Hersteller bedroht fühle, antwortete Wilfred Corrigan, Chairman der LSI Logic Corp., einem kleinen kalifornischen Chip-Producer, mit einem verächtlichen Nein.

Dennoch sind inzwischen auch in den Vereinigten Staaten Konzentrationstendenzen im Halbleiter-Geschäft zu erkennen. So kündigte unlängst die Advanced Micro Devices Inc. (AMD) an, die Monolithic Memories Inc. (MMI) zu übernehmen. Dabei wird Monolithics vorerst als eine AMD-Niederlassung operieren. Längerfristig soll MMI jedoch vollständig in die Advanced Micro Devices integriert werden. Den Wert der Transaktion schätzen US-Marktforscher auf 430 Millionen Dollar. Zusammen mit Monolithic Memories kommt AMD auf einen Umsatz von mehr als eine Milliarde Dollar, was dem Unternehmen einen Platz unter den weltweit zehn größten Halbleiter-Herstellern beschert. In der amerikanischen Rangliste wird AMD nach der Übernahme den dritten Platz hinter Texas Instruments und Motorola einnehmen.

Amerikanische Marktanalysten bewerten diesen Schritt als eine Möglichkeit, um der heimischen Chip-Industrie wieder auf die Beine zu helfen. So glaubt Andrew Rappaport, Chef der Technology Research Group Inc., Boston, daß die amerikanische Halbleiter-Industrie solche Transaktionen benötigt, um in Zukunft bestehen zu können. Rappaport wörtlich: "Es ist schwer für eine derart angeschlagene Industrie, die erforderlichen Investitionen zu tätigen und die richtige Strategie zu ergreifen."

AMD und Monolithic, so Rappaport weiter, sollten sich jetzt bemühen, ihre Produkte noch kundenspezifischer zu gestalten. Die Produktlinien beider Unternehmen umfassen überwiegend programmierbare integrierte Schaltungen. Auch der New Yorker Halbleiter-Experte Stuart Johnson sagt den beiden Unternehmen gute Chancen nach, sich im Chip-Geschäft zu behaupten. Zwar hätten AMD und MMI die gleichen Stärken und Schwächen, doch würden die beiden Gesellschaften gut zusammenpassen - und die Produkte seien auch nicht schlecht.

Aufgelistet wird hier ein ernüchternder Ist-Zustand:

- unter den 118 Studenten der sechs ersten Kurse der im August 1983 gegründeten Wirtschaftsinformatikschule Schweiz (WISS) waren bloß neun Frauen (acht Prozent);

- an der Software-Schule Schweiz in Bern sind in vier Jahren 400 Männer und nur sechs Frauen ausgebildet worden;

- 90 Prozent des leitenden Personals in der EDV sind Männer. Dort jedoch, wo routinemäßig Daten eingetippt werden, sitzen zu 97 Prozent Frauen am Bildschirm.

Diesen Zahlen könnten ohne Mühe weitere hinzugefügt werden, zum Beispiel von der ETH Zürich: Im Dezember 1986 verloren sich in der Elektrotechnik unter 1369 Studenten gerade 14 Frauen (im Jahre 1980 waren unter 1144 Elektrotechnikstudenten deren 18); in der Informatik waren Ende letzten Jahres unter 786 Studenten 30 Frauen zu finden.

So wie die Dinge sich jetzt abspielten, dürfte sich nach Meinung der Frauen-Kommission das "Wunder der Schreibmaschine" wohl kaum wiederholen. Dank dieses Gerätes hätten Frauen seit dem Ende des letzten Jahrhunderts zuerst zu Büroangestellten, dann zum mittleren kaufmännischen Kader aufsteigen und als Sekretärin zudem eine einflußreiche, geachtete und angemessen entlohnte Position erringen können.

In diesem Zusammenhang scheint der Kommission der Hinweis von Bedeutung, daß viele Bemühungen der Büroautomation einer Beschäftigungsgruppe gelten würden, die kostenmäßig nicht sehr stark ins Gewicht falle und beinahe ausschließlich aus Frauen bestehe. Der auf Sekretärinnen und Schreibkräfte entfallende Anteil an Personalkosten im Bereich Büro und Verwaltung mache etwa sechs Prozent aus. Durch Mikroelektronik seien rund 40 Prozent der Tätigkeiten dieser Gruppe beeinflußbar. Werde mit Umstellung auf Textverarbeitungssysteme die Schreibleistung beispielsweise verdoppelt, so spare man gerade 1,2 Prozent der Personalkosten im Büro.

Mit Vorsicht aufzunehmen ist nach Kommissions-Meinung die in den USA schon recht fortgeschrittene Tendenz von "telecommuting oder "flexiplace": Bereits über sieben Millionen Arbeitnehmer/innen arbeiten in den USA zu Hause am Bildschirm. Die Auslagerung von Bildschirm-Arbeitsplätzen bringe den Unternehmungen Gewinn in Form niedriger Gehälter und höherer Produktivität, da zu Hause konzentrierter gearbeitet werde. Den Arbeitnehmern, zumeist Frauen, bringe "telecommuting" mehr Flexibilität bei der Einteilung der Arbeitszeit, die Einheit von Wohnen und Arbeiten, allerdings auch den Verlust des Platzes im "sichtbaren" Arbeitsleben und vor allem den Verlust von Kontakten zu Kolleginnen und Kollegen.

Die Weltfrauenkonferenz vom Juli 1985, hatte in ihren Strategien für eine bessere Stellung der Frau unter anderem festgehalten: "Es sollte dafür gesorgt werden, daß Frauen einen gerechten Anteil der Stellen erhalten, die es auf allen Ebenen in Wissenschaft und Technologie zu besetzen gibt."