Prognosen weisen bei Mobiltelefon und Funkruf in rosige Zukunft:

Europäischer Gedanke macht PTTs mobil

03.02.1989

MÜNCHEN (CW) - Der europäische Binnenmarkt wird Katalysator für die Verbreitung der Mobil-Kommunikation in Europa sein. Auf einer Pressekonferenz des Zentralverbands Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) in München zum Thema "Europäische Mobilkommunikation in den 90er Jahren" wagten Experten diese Prognose für das Mobiltelefon und den Funkruf.

"Die Mobilkommunikation wird sich zu einer neuen Dimension in der Nachrichtentechnik entwickeln", prognostizierte Karl-Fritz Becker, Abteilungsdirektor des Fachbereichs Bewegliche Funkanlagen bei der Siemens AG in München. Als modernes Funksystem werde dem Mobiltelefon mit der Realisierung des Binnenmarktes 1993 ein hoher Stellenwert mit gewaltigem Marktpotential zufallen, meinte Becker.

Der Experte und Sprecher des ZVEI strich insbesondere die technischen Merkmale des zukünftigen digitalen Mobilfunknetzes heraus. Durch die Anwendung modernster Sprachcodiertechnik, so Becker, könne der Bedarf an Frequenzbandbreite pro Kanal verkleinert und damit die Teilnehmerkapazität erhöht werden. Allerdings sind die von Becker gepriesenen Features

- Steigerung der Teilnehmerkapazität,

- digitale Sprachverschlüsselung,

- ISDN-Fähigkeit und

- paneuropäische Luftschnittstelle noch Zukunftsmusik.

Momentan sind laut ZVEI nur analoge Systeme in Betrieb, wobei das deutsche C-Netz den Vorteil der Abhörsicherheit der Funkkanäle habe. Mit dem D-Netz und der sogenannten GSM-Norm soll jedoch das Zeitalter der Digitalisierung eingeläutet werden. Darauf einigten sich inzwischen die Postverwaltungen von 18 europäischen Ländern. Zur Realisierung der genannten Leistungsmerkmale in einem paneuropäischen D-Netz, haben die Techniker nach einer Lösung gesucht und laut Becker in der Kombination Frequenz-/Zeitmultiplex auch gefunden.

Allerdings könne das europäische Mobilfunknetz nach Meinung des ZVFI 1991 vorerst nur als Inselnetz in bestimmten Ballungsgebieten Europas in Betrieb genommen werden. Es müsse dann sukzessiv ausgebaut werden. Mit einer Flächendeckung sei jedoch nicht vor Anfang 1995 zu rechnen. Grund: Der höhere Frequenzbereich des 900 Megahertz-GMS-Netzes erfordert im Vergleich zu den 450 Megahertz-Netzen wesentlich mehr Basisstationen. In der Bundesrepublik wurde zum Beispiel die Flächendeckung für das C-Netz mit 200 Basisstationen erreicht -für das D-Netz werden rund 1000 Basisstationen benötigt.

Trotz der zeitlichen Verzögerung ist die Deutsche Bundespost in Sachen Mobilfunk optimistisch. Eine Statistik, herausgegeben vom BPM,

besagt, daß die Teilnehmerzahl des C-Netzes von derzeit 100 000 auf

300 000 bis zur Jahrtausendwende steigen wird. Für das D-Netz erwartet der gelbe Riese im Jahr 2000 gar zwischen anderthalb und zwei Millionen Teilnehmer. Europaweit sollen dann laut BPM-Kalkulation bereits 16 Millionen Mobilfunk-Nutzer auf Europas Straßen unterwegs sein.

Ähnlich rosig sieht Hans Kerler, Leiter des Fachbereichs Mobilfunk + Audiotechnik bei ANT, die Zukunft des Funkrufs. "In Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Holland und Schweden erwarten wir bis 1991 eine Steigerung der Teilnehmerzahlen von über 70 Prozent, von gegenwärtig 1,4 auf 2,5 Millionen," erklärte Kerler in seiner Funktion als Sprecher des ZVEI.

Für noch mehr Attraktivität des Funkrufs soll das jüngste Kind des Eurosignaldienstes - der Cityrufdienst - sorgen. Er ging im November 1988 in Frankfurt und Berlin in den öffentlichen Probebetrieb und soll nach den Plänen des BPM Ende des Jahres alle großen Städte und Ballungszentren der Bundesrepublik abdecken. Laut Kerler rechne der ZVEI bis 1992 mit rund 200 000 Teilnehmern, die zwischen drei Funkrufklassen wählen können.

Aber nicht nur in Sachen Mobiltelefon, sondern auch in puncto Funkruf wurden die Postverwaltungen vom europäischen Gedanken beflügelt. So haben die PTTs Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und das BPM am 24. 11. 88 einen Vertrag zum Projekt "Pan European Paging" unterzeichnet, der ab 1990 die nationalen Funkrufgrenzen aufheben und Funkrufe in die Nachbarländer zulassen soll.

Doch damit noch nicht genug! Der geplante europäische Binnenmarkt stand auch schon Pate, als die in der Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunication (CEPT) vertretenen Länder 1986 die Einführung des europaweiten Funkrufdienstes Ermes beschlossen haben. Dieser Dienst soll, geht es nach dem Willen der CEPT, den Funkrufdienst"Eurosignal" ablösen, in allen CEPT-Ländern eingerichtet werden und zusätzliche Leistungsmerkmale wie zum Beispiel Datenübertragung erlauben. Der Zugang zu Ermes wird laut Kerler über Telefon, Telex, Btx und Teletext möglich sein.