Euro-Umstellung / Euro-Umstellung in Steuererklärungen erst ab 2002?

Euro-Umstellung in Steuererklärungen erst ab 2002? Kritik am DM-Solo der Finanzämter

24.04.1998

Vorgeschriebenes Zahlungsmittel, so hat es Brüssel schon vor drei Jahren festgelegt, ist der Euro erst spätestens ab 2002.Und diese Frist wollen die deutschen Bundes- und Landesfinanzbehörden auch ausnutzen.Erst ab diesem letzten Termin werden sie Steuererklärungen, Bilanzvorlagen und Anmeldungen in der Euro-Währung zulassen.

Doch die Interessenverbände der Unternehmen nehmen dies nicht so einfach hin. Bereits am 16.Mai 1997 kommentierte zum Beispiel der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT), Hans Stihl, die Situation mit den Worten: "Wir hätten kein Verständnis dafür, wenn der Staat den Unternehmen Doppelarbeit aufladen würde, nur weil die öffentliche Verwaltung langsamer reagiert als die Wirtschaft."

Stihl sieht kein Problem, wenn die Finanzverwaltungen intern erst im Jahr 2002 mit dem Euro rechneten."Aber die Unternehmen, die schon frühzeitig auf den Euro umstellen, müssen ihre Unterlagen, zum Beispiel die Steuererklärung, ebenso frühzeitig auch in Euro liefern können."

Zahlreiche Proteste gab es auch auf den Internet-Seiten der Unternehmerverbände.Laut Ministerialdirigent Karl Kühn vom Bundesfinanzministerium, der auch Mitglied des Arbeitsstabs der Währungs- und Wirtschaftsunion ist, besteht die Kontroverse bereits seit einem Jahr: "Die Problematisierung seitens der Industrie und der Verbände begann, als der erste Bericht des Arbeitsstabes Anfang 1997 herauskam."Doch trotz andauernder Debatten hat sich die Situation bisher nicht verändert.

Daß dies nur ein Krankheitsbild typisch deutscher Verwaltungsstarre ist, weiß auch Reinhard Kudiß, Referent für Geld, Kredit und Währung beim Bundesverband der Deutschen Industrie: "Wir sind in Europa nahezu die einzigen, deren Behörden derart rückständig sind."

Ganz einig sind sich die verschiedenen Finanzverwaltungen der Länder übrigens nicht.In deren letzter gemeinsamer Sitzung lautete das Abstimmungsverhältnis neun zu sechs zu eins.Sechs Länder waren für eine frühzeitige Anpassung der Finanzverwaltungen an den Euro."Zum Beispiel halten Rheinland Pfalz, Hessen und Thüringen Euro-Steuererklärungen vor 2002 durchaus für möglich", erklärt Kudiß.

Ein Grund für diese Situation ist die Machtlosigkeit der Bundesfinanzverwaltung.Der Bund hat im Steuerbereich keine eigene DV, sondern nutzt die der Länder.Bund und Länder müssen Entscheidungen abstimmen, die Länder setzen diese dann um.

Dazu Günther Albrecht, Abteilungsleiter Volkswirtschaft beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT): "Wir haben den Eindruck, daß unsere Appelle gehört werden."

Doch durch die föderalistische Struktur könne die Bundesregierung die Sachlage nicht durch ein Machtwort klären.Albrecht: "Die Länder sind hier gefordert."

In den Finanzverwaltungen scheint man an einer kurzfristigen Lösung des Problemes nicht sonderlich interessiert zu sein."Eine vollständige Umstellung der Finanzbehörden zum 1.Januar 1999 halte ich aus Kapazitätsgründen für unmöglich", meint Ministerialdirigent Kühn."Ich bezweifle auch, ob die hohen Kosten einer parallelen Verarbeitung von zwei Währungen für einen restlichen Zeitraum ab 2000 oder gar erst ab 2001 den Aufwand überhaupt rechtfertigen."

Es sei, so Kühn, zweifelhaft, ob sich Verwaltungsdienststellen überhaupt an einer vorgezogenen Umstellung, also an einem dualen Währungssystem bis 2002, beteiligen können."Da der Bundeshaushalt mit Sicherheit erst im Jahre 2002 auf Euro umgestellt wird, bereitet das Vorpreschen einzelner Behörden wegen der Vernetzung ihrer DV-Systeme besondere Probleme."

Nach Meinung von Ingo Ruhmann von den Grünen ist das Augenwischerei. Letztendlich passiere in den Ausschüssen der Regierung, die sich mit dem Thema Euro-Umstellung beschäftigen, nicht viel.Wie üblich werde dort weiterhin "viel Papier produziert und mehr oder minder schöne Vorträge gehalten".

Bei den bundesdeutschen Banken sieht es ganz anders aus.Trotz vernetzter Systeme und obwohl noch nicht alle politischen Beschlüsse gefallen sind, steht man hier bereits in den Startlöchern: Ab 1.Januar 1999 ist der Zahlungsverkehr per Euro freigegeben.Dies gilt für alle bestehenden privaten und geschäftlichen Konten bis zum 30.Juni 2002, die in diesem Zeitraum in Mark oder Euro abzurechnen sind.

Warum funktioniert dies nicht auf Ebene der Finanzverwaltungen?Immerhin gibt es ja noch die sogenannte Konverterlösung, die vielerseits vorgeschlagen wurde.Es handelt sich um einen Vorschlag, den die Verbände eingereicht haben. Er bietet einen Kompromiß zur vollständigen Umstellung der Steuerverwaltungen, also zur durchgängig parallelen Verarbeitung der Währungen Euro und Mark bis zum Jahre 2002.

Diese Alternative sieht eine externe Umstellung auf Euro und eine interne Weiterverarbeitung in Mark vor.Die von den Steuerzahlern in Euro vorgelegten Anmeldungen beziehungsweise deren Beträge würden zunächst in Mark umgerechnet und auf die übliche Weise in den Finanzverwaltungen weiterverarbeitet.Die Bescheide kämen dann wieder in Euro.Umgestellt würden nur die Ein- und Ausgänge der Finanzverwaltungen, die interne Verarbeitung und der Kassenstrang im Haushalt könnte nach wie vor auf Mark lauten.

So wollen ab 1999 übrigens fast alle EG-Länder arbeiten.Zwar stellte die EU-Kommision den Ländern frei, ab wann die Behörden, und namentlich die Finanzverwaltungen, auf Euro umstellen, doch wollte sich kaum ein EG-Land eine Blöße geben, nachdem die Gemeinschaft so lautstark propagiert wurde.

Deutschland als Schlußlicht?Albrecht vom Deutschen Industrie und Handelstag: "Die öffentliche Hand fragt sich, warum sie die Umrechnung leisten soll, das könnten doch die Unternehmen tun.Man hat verschiedentlich zu erkennen gegeben, daß in Zeiten des Sparens eine solche unnötige doppelte Arbeit zu vermeiden ist."

Karl Kühn von der Bundesfinanzverwaltung geht davon aus, daß es Teillösungen geben wird."Bei Steuererklärungen und im Sozialversicherungswesen wird man den Euro in Bescheiden ausweisen können.Aber daß Anträge doppelt laufen, also in zwei Währungen eingereicht werden können, das glaube ich nicht."

Auch auf Bundesebene, so lassen sich Bemerkungen aus dem IT-Referat für Automatisierung der Steuerverwaltung interpretieren, erwartet man nicht mehr. Eine ausführliche Stellungnahme mag niemand geben, man läßt aber durchblicken, daß auch hier kein Verständnis für eine Konverterlösung besteht.

Alle sind gleich - der Staat ist gleicher

Der Bund beruft sich zum einen auf die knappe Entscheidung der Länder gegen eine Euro-Verwaltung vor 2002 sowie auf den Grundsatz der EU-Kommission, daß weder für Unternehmen noch für Behörden ein Umstellungszwang besteht.Der Tenor: Konvertierungslösungen bedeuteten für die Finanzbehörden eine lediglich vorübergehend sinnvolle Doppelarbeit.Die Steuerverwaltungen hätten wegen der Personalknappheit ohnehin alle Hände voll zu tun, die Umstellung bis 2002 zu gewährleisten.

Der zweite wichtige Grund: Alle Steuerpflichtigen sind gleich zu behandeln. Aber wenn auch Privatpersonen ihre Erklärungen frühzeitig in Euro abgeben könnten, wäre dies von den Verwaltungen nicht zu bewältigen.

Das Gleichheitsargument wendet der Bundesverband der Deutschen Industrie prompt in Richtung Staat: "Die private Wirtschaft muß sich schließlich auch ab 1.Januar 1999 Gedanken machen, wie sie Eurozahlungen verarbeiten kann.Und das verlangen wir auch von der öffentlichen Verwaltung", erklärt Kudiß."In den nächsten drei Jahren werden viele kleinere und mittelständische Unternehmen auf Druck der Wirtschaft umstellen.Die müßten dann ebenfalls die zusätzliche Belastung mit den Steuerabgaben in Mark auf sich nehmen.Dafür haben wir kein Verständnis."

Verärgert klingen allerdings auch die Worte des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke.Auf die Frage, ob die Behörden die DV-Umstellung verbummelt haben, meint er: "Angesichts der Anforderungen für die Betriebe durch die Euro-Umstellung ist es nur recht und billig, wenn auch die Verwaltung die notwendigen Änderungen mitvollzieht.Meines Erachtens käme ihr dabei sogar eine Vorbildfunktion oder Vorreiterrolle zu."

Einig ist man sich bei den Verbänden auch darüber, daß die Bundesregierung unfähig war (und scheinbar noch ist), mit dem von der EU-Kommission bereitgestellten Handlungsspielraum adäquat umzugehen.So meint DIHT-Abteilungsleiter Albrecht: "Durch den Beschluß des EU-Gipfels in Madrid 1995, die Umstellung der öffentlichen Hand auf spätestens Ende 2001 festzulegen, hat sich für die deutschen Behörden ein so großer Zeitraum ergeben, daß sie an vorbereitende Überlegungen und Prüfungen erst gar nicht herangegangen ist."Und auf diesem Beschluß ruhen sich die Behörden nach wie vor aus.

Wegen der scheinbar unverrückbaren Haltung der öffentlichen Hand bleibt die Frage offen, wie Unternehmen und ihre Interessensverbände gegen den wahrscheinlich späten Termin in Sachen Euro-Steuererklärung vorgehen können. Als europäisches Schlußlicht will keiner der Verbände die deutschen Unternehmen sehen.

Albrecht: "Die Mehrzahl der anderen EG-Länder räumt eine Option ein, Erklärungen in Euro abzugeben und generell mit der öffentlichen Hand in der neuen Währung zu verkehren.Hier sehen wir klare Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen."

Hoffen auf Einsicht der Finanzminister

Bis jetzt hat der DIHT jedenfalls keine Klage erwogen.Auch beim Bundesverband der Deutschen Industrie will man eher defensiv reagieren.Kudiß: "An eine Klage denkt hier niemand.Das sollte man auf einer anderen Basis regeln.Ich baue immer noch auf die Einsicht des Staates.Wir hoffen, daß man das Thema auf der Ebene der Landesfinanzminister noch einmal behandelt."

Auch bei einer negativen Entscheidung auf deren nächsten Konferenz werde man nicht so schnell die Fahnen streichen, sondern versuchen, die Interessen der Unternehmen und der Steuerzahler durchzusetzen.Däke vom Bund der Steuerzahler: "Es darf auf keinem Fall so kommen, daß die Einführung des Euro zu Lasten des Steuerzahlers geht.

Angeklickt

Bereits ab 1999 ist der Euro für bargeldlose Finanztransfers freigegeben.Aber zum Ärger der Unternehmen und deren Interessensverbänden lassen die Finanzbehörden Bilanzen und Steuererklärungen erst ab 2002 in der neuen Währung zu.Die Behörden stehen im Verdacht, die DV-Umstellung verschlafen zu haben oder die Kosten auf die Wirtschaft abwälzen zu wollen.Seitens der Unternehmen und Verbände hagelt es Kritik.

Michael Funk ist freier Journalist in Partenheim.