Französische Softwarehäuser schielen nach Amerika:

Euro-Software im Vormarsch

20.06.1980

PARIS (CW) - Schon 1983 werde der EDV-Dietnstleistungsmarkt Europas wertmäßig mit dem US-Markt gleichziehen, behauptete der Generaldirektor des Pariser Software-Konzerns Sligos-CPP, Christian Bret, auf einer Pressekonferenz in Paris.

Bret sprach aus Anlaß der Verleihung einer Urkunde an den 100. Käufer des Programm-Generators Atos, das neben Adabas von der deutschen Software AG und zwei britischen Produkten zu den 15 erfolgreichsten Programmen am Europamarkt gehört (die elf übrigen sind nach einer Untersuchung des Fachverbandes ECSA amerikanischer Herkunft).

Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE ergänzte Brets Stellvertreter Jean-Claude Gaucher die Voraussage durch den Hinweis, daß die europäischen Standardprogramme wahrscheinlich ein bis zwei Jahre länger brauchen werden, um die amerikanische Konkurrenz einzuholen. Gaucher: "Gleichzeitig dürfte sich der Gesamtmarkt dann ziemlich ausdünnen und eine Reihe bewährter Veteranen aus dem ,Millionärsclub' des amerikanischen Instituts ,International Computer Program' (ICP) ausscheiden." Derzeit umfaßt der Club, eine Liste derjenigen Standardprogramme, die mindestens eine Million Dollar eingespielt haben, rund 460 Mitglieder, davon jedoch nur 60 aus europäischer Entwicklung. Verschwinden sollen nach dem Wunsch der Europäer vor allem wohl einige jener 400 Programme, die bisher nur von US-Firmen in den USA selber vermarktet wurden. Das ICP möchte bei dieser Flurbereinigung helfen, indem es künftig möglicherweise nur noch Mitglieder in den Club aufnimmt, die eine Million Dollar schon im ersten Jahr nach dem Start eingespielt haben.

Das freilich würde für die europäisdhen Software-Anbieter eine gewaltige Herausforderung bedeuten, denn ihre Auslandspositionen sind bisher nur schwach entwickelt, selbst bei den Franzosen, die elf von 25 Plätzen in der Rangliste der größten Software-Dienstleister Europas der Unternehmensberatung Quantum Science innehalten. Sligos zum Beispiel möchte bis 1984 400 Atos-Anwender in ganz Europa finden und verbündete sich deshalb im Vorjahr mit der britischen CAP-CPP, welche die Produkte der beiden Partner außer in England auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Benelux-Ländern vertreibt, während die Franzosen die Briten bei sich vertreten und Italien und Skandinavien über dritte Firmen bedient werden.

In der Bundesrepublik wird Sligos noch durch die Münchner Siclos GmbH vertreten, die das Vertriebsrecht für einige Produkte hat (zum Beispiel Byblos).

1981 will die Gruppe den Schritt auf den US-Markt wagen, wo die französische EDV-Dienstleistungsbranche ab diesem Sommer über eine gemeinsame Repräsentanz in Los Angeles kommerziell aktiv werden möchte. Für deutsche Lizenzgeber dürfte der Hinweis auf die Gründung dieses Brückenkopfes insofern interessant sein, als sie nach Ansicht französischer Software-Experten ohnehin oft gut damit fahren würden, wenn sie ihre Programme oder Packages durch einen der kapitalstarken französischen Soft-Multis unseres westlichen Nachbarlandes vertreiben ließen.