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EU streitet weiter über Galileo - Milliardenloch wird zur Chefsache

02.10.2007
Peinliches Gezerre statt Prestigeprojekt – Europa hat die Entscheidung über die Finanzierung des Navigationssystems Galileo auf Dezember vertagt.

Das Milliardenloch bei der Finanzierung des Satellitennavigationssystems Galileo müssen nun die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf ihrem Gipfel im Dezember stopfen. Bei einem Treffen der EU-Verkehrsminister am Dienstag in Luxemburg ging der Streit weiter, wie das industrielle Prestigeobjekt überleben kann. Deutschland machte Druck gegen den Vorschlag von EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot, die 30 Satelliten und andere technische Ausrüstung ausschließlich aus EU-Haushaltsmitteln zu bezahlen. Nach dem Platzen eines Finanzierungsmodells gemeinsam mit der Industrie fehlen mindestens 2,4 Milliarden Euro, um das System 2013 - fünf Jahre später als geplant - komplett in Betrieb zu nehmen. Insgesamt kommen auf die Steuerzahler Kosten von mindestens 3,4 Milliarden Euro zu.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bekräftigte den Widerstand gegen das Konzept der Kommission, das nach Einschätzung der Regierung in Berlin mit finanziellen Risiken behaftet ist und deutsche Industrieinteressen nur unzureichend berücksichtigt. "Die Bundesregierung ist mit dem Vorschlag der Kommission so nicht einverstanden", sagte er. "Wir sind uns einig in der Sache: Wir wollen, dass Galileo ein Erfolg wird."

Auch Großbritannien und die Niederlande fordern nach Angaben aus den Delegationen Korrekturen am Konzept. Der deutsche Staatssekretär Jörg Hennerkes sagte, die Bundesregierung halte es für gefährlich, das Finanzpaket der EU von 2007 bis 2013 wieder aufzuschnüren. Deshalb sei es wichtig, dass die Verkehrs-, aber auch die Finanzminister über alternative Finanzierungswege diskutierten. "Es war wichtig, dass der Rat die Tür geöffnet hat für eine Entscheidung, die im Europäischen Rat getroffen werden muss."

Verkehrskommissar Barrot hatte vorgeschlagen, die fehlenden 2,4 Milliarden Euro vor allem aus nicht genutzten EU-Töpfen für Landwirtschaft und Verwaltung zu finanzieren. Deutschland macht sich für eine Finanzierung von Galileo auch durch die Europäische Weltraumorganisation (ESA) stark. Der ESA gehören 15 der 27 EU-Staaten sowie die Schweiz und Norwegen an. Nach Angaben der deutschen Delegation könnte sich beispielsweise auch Polen für diesen Plan erwärmen.

Mit Galileo will die EU unabhängig vom US-Navigationssystem GPS (Global Positioning System) werden und dessen Vormachtstellung brechen. Es ist Europas größtes Industrieprojekt. Galileo soll genauer als GPS arbeiten und den Nutzer bis auf wenige Zentimeter genau an den gewünschten Ort führen sowie die Position etwa von Schiffen und Flugzeugen exakt bestimmen. Anders als die zunächst militärisch genutzten Systeme wie GPS oder das russische GLONASS soll Galileo für die zivile Nutzung ausgelegt sein. Die Satelliten kreisen in mehr als 23.000 Kilometer Höhe um die Erde. Der erste Testsatellit startete im Dezember 2005. (dpa/ajf)