EU setzt verstärkt auf E-Learning

12.06.2001
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Big Blue schult nicht nur die eigenen Mitarbeiter per E-Learning, sondern hilft auch der öffentlichen Hand auf die Sprünge. Über das Weiterbildungsportal Global Campus im Intranet nutzen heute rund 100000 IBM-Mitarbeiter weltweit etwa 1400 E-Learning-Angebote, die von Tipps und Tricks für "Lotus Notes" bis zum Führungsentwicklungprogramm "Basic Blue for Managers" reichen.

Dabei lässt es IBM aber nicht bewenden. Allein 50 Millionen Dollar investiert der IT-Multi in das Forschungsprogramm "Reinventing Education" und gibt in zahlreichen PPP-Projekten den Takt vor: In Italien und Ägypten beteiligt sich IBM an der Lehrerausbildung, in Irland organisiert man eine Community für Lehrer, die online über die Verbesserung von Curricula diskutieren, und englischen Schulen hilft Big Blue bei der Entwicklung neuer Lehr- und Lernmethoden. "Europa hat die Chance zur Führung, doch haben wir in Europa auch die richtige Bildung?" sagte Lawrie.

Dass der Schulterschluss mit der öffentlichen Hand zu erstaunlichen Ergebnissen beitragen kann, stellte in Brüssel auch der amerikanische Netzwerkriese Cisco unter Beweis. "Optimal" so Emea-President Rob Lloyd, seien Theorie und Praxis per E-Learning in der Cisco-Netzakademie verknüpft. Bereits 35 226 Teilnehmer an insgesamt 1633 europäischen Institutionen büffelten für ihr Examen.

Die vier Semester und rund 280 Stunden langen Kurse zum zertifizierten Netzwerkprofi sind heiß begehrt: Das schwedische Telekommunikationsunternehmen Telia stellte gleich eine komplette Absolventenklasse ein. Gegenwärtig werden 300 Cisco-Akademien in Polen eingerichtet, und zahlreiche Kirchengemeinden bieten die Ausbildung in sozialen Brennpunkten an. Schweden hat das Programm sogar für alle Schulen vorgesehen.

Doch nicht überall herrscht eitel Sonnenschein. Auch Cisco ist mit Widerständen konfrontiert, zum Beispiel in Kanada. Wie Lloyd mitteilte, argwöhnten dort Behörden, Cisco wolle die Bildungkanäle nur für eigene Zwecke missbrauchen. Kein Einzelfall, eher ein weitverbreitetes Phänomen, wie eine Studie der Europäischen Kommission belegt. Demnach werden seitens der Industrie übertriebene Erwartungen an technische Systeme geknüpft, auf der anderen Seite reagieren viele Lehrer mit Misstrauen, den Vormarsch der Technik nicht aufhalten zu können. Ihr Credo: "Education" ist nicht nur Wissensvermittlung, sondern vor allem Erziehung.

Schulen mit Computer, Software und Internet-Anschluss auszustatten, ist für Kommissarin Reding allerdings eine Investition in ein schwarzes Loch, sofern nicht Lehrer und Schulleiter mit ins Boot genommen würden: "Sie sind die größten Barrieren für den Durchbruch von E-Learning." Wenn der Schulleiter sich sperre, resignierten auch die Lehrer: "Ihre Karriere ist vom Wohlwollen der Direktoren abhängig." Gelingt es nicht, Lehrer und Direktoren für die vernetzte Lernzukunft zu gewinnen, bleibt auch die "IT-Literacy" auf der Strecke.