EU-Telekom-Gesetz

EU-Parlament will "Agentur" für Regulierung

17.09.2008
Im Ringen um einen neuen europäischen Rechtsrahmen für den Telekommunikationssektor zeichnen sich in mehreren Streitpunkten Kompromisse ab.

Das Europaparlament werde am Dienstag (23.9.) voraussichtlich dafür stimmen, in Brüssel eine neue "Agentur" mit der Koordinierung der nationalen Regulierungsbehörden zu beauftragen, teilten die Europaabgeordneten Erika Mann und Norbert Glante (beide SPD) am Mittwoch in Brüssel mit. Damit werde es eine "schlanke Institution" geben, die lediglich beraten und koordinieren solle, während die EU-Kommission ursprünglich den direkten Zugriff auf die nationalen Märkte durchsetzen wollte. "Das ist alles gekappt worden", sagte Mann. Dagegen gibt es in der Frage der Verteilung der durch die Umstellung vom analogen auf digitales Fernsehen frei werdenden Frequenzen weiter Streit.

Am 27. November müssen noch die für Telekommunikation zuständigen Minister dem Gesetzespaket zustimmen. Damit sollen der Rechtsrahmen für Mobilfunk, Festnetze und Internet erneuert und die Verbraucherrechte gestärkt werden. Mehr Wettbewerb soll die Auswahl an Telekom-Anbietern erhöhen und die Preise senken. Mobilfunk- und Festnetz-Kunden sollen ihren Anbieter schneller wechseln können. Um das neue "Telekom-Paket" ringen EU-Kommission, die 27 Mitgliedstaaten und das EU-Parlament seit langem. Medienkommissarin Viviane Reding wollte anfangs eine eigene EU-Regulierungsbehörde einrichten und die großen Konzerne in Netz-Betreiber und Dienste-Anbieter zerschlagen.

Streit gebe es noch mit Blick auf die Finanzierung und die Möglichkeit eines "Veto-Rechts" der neuen Agentur bei bestimmten Entscheidungen der nationalen Aufsichtsbehörden, sagte Mann. Der aktuelle Vorschlag des Parlaments laute, dass die Agentur mittels des Veto-Rechts in einen nationalen Markt zwar eingreifen, der dortige Regulierer das Veto aber zurückweisen könne. "Das ist eine sehr komplizierte Lösung." Bis zur 2. Lesung des Parlamentsplenums Anfang 2009 müsse gemeinsam mit EU-Kommission und Mitgliedstaaten eine "glattere und logischere" Lösung gefunden werden.

Die nationalen Regulierer sollen nach Worten von Mann mehr Macht bekommen. Sie hätten künftig die Möglichkeit, mit einer "funktionalen Trennung" zu drohen, sagte sie. Dies könnte ähnlich wie im Energiesektor die Zerschlagung eines Telekomunternehmens in getrennte Anbieter von Netzen und Inhalten bedeuten. "Diese neue Option einer Drohgebärde bedeutet eine große Machtverlagerung hin zur nationalen Regulierung", sagte Mann. "Das werden die auch nutzen."

Eine Linie zeichnet sich auch beim Gesetzesrahmen für den milliardenschweren Aufbau von neuen Hochgeschwindigkeitsnetzen ab. Das vom Parlament erwogene Modell sehe eine Risikoteilung zwischen den Investoren einerseits und den Wettbewerbern andererseits vor, die die neuen Netze nutzen wollten, hieß es. "Man darf den Telekom-Unternehmen bei Investitionen nicht von Anfang an den Wettbewerbsvorteil nehmen", sagte Mann. Es soll nach Auffassung des Parlaments einen "kleinen Vorteil" geben, jedoch keine "Regulierungsferien" wie im umstrittenen Fall der Deutschen Telekom.

Das von Kritikern "Lex Telekom" genannte Gesetz sieht vor, das superschnelle Internet-Netz der Deutschen Telekom (VDSL) zunächst von der Überwachung durch die Wettbewerbshüter auszuschließen. Derzeit ist eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig.

Uneinigkeit herrscht weiterhin bei der Verteilung der durch die Umstellung vom analogen auf digitales Fernsehen frei werdenden Frequenzen. Hier ringen Telekommunikationsunternehmen einerseits und der Rundfunk andererseits um die Zuteilung möglichst vieler Frequenzen. Der Streit soll laut Mann auf einem "Spektrum-Gipfel" der EU-Staats- und Regierungschefs 2010 geklärt werden. (dpa/tc)