EU droht Microsoft mit Vista-Verkaufsverbot

29.03.2006
Die EU wird langsam zum Albtraum für Microsoft: Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes droht jetzt mit einem Verkaufsverbot für das kommende Windows Vista, falls dieses mit bestimmten Features ausgeliefert wird.

"Wir erwarten, dass Microsoft Vista so designt, dass es dem europäischen Wettbewerbsrecht entspricht", zitiert das "Wall Street Journal" die oberste Brüsseler Wettbewerbshüterin aus einem Interview. "Es wäre ausgesprochen dumm, etwas anzubieten, das dies nicht tut." Kroes erklärte weiter, sie habe Microsoft-Chef Steve Ballmer in der vergangenen Woche einen Brief geschrieben und darin ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht.

Microsoft-Sprecher Tom Brookes erklärte, ihm sei dieses Schreiben vom 20. März nicht bekannt und er könne die spezifischen Bedenken der Europäer daher auch nicht kommentieren. "Jedoch fordern die Verbraucher ein sichereres und funktionaleres Betriebssystem. Microsoft hat Vista diesen Bedürfnissen entsprechend entwickelt und dabei seine rechtliche Verantwortung berücksichtigt", so der Microsoft-Mann.

Jonathan Tood, Sprecher von Kroes, erklärte, die EU sorge sich unter anderem um Microsofts Pläne für die Internet-Suche. Er führte das nicht weiter aus; zuvor hatten aber bereits Google und andere Suchanbieter Bedenken geäußert, Microsoft könne seinen Browser Internet Explorer 7 dazu missbrauchen, Nutzer vornehmlich auf seinen eigenen Suchdienst zu lotsen. Microsoft hatte bereits erklärt, es werde den Browser so gestalten, dass sich auch konkurrierende Suchdienste voreinstellen lassen.

EU-Regulierer hätten Microsoft auch gewarnt, bestimmte Sicherheitsfunktionen in das Betriebssystem zu integrieren. Symantec befürchtet etwa, Microsoft könnte Vista ab Werk mit einem Virenscanner bestücken und so Symantecs Produkte benachteiligen. Microsoft hat bereits erklärt, Vista werde keinen Virenschutz enthalten. Es kommt aber mit dem Anti-Spyware-Tool "Windows Defender".

Im Februar hatte eine Gruppe von Microsoft-Wettbewerbern, darunter IBM, Sun und Oracle, bei der EU eine Beschwerde eingereicht mit dem Ziel, bestimmte Funktionen in Vista zu verhindern. Insidern zufolge geht es dabei unter anderem um Digitales Rechte-Management (DRM). Dieses würde unter anderem Nutzern gestatten, Bürodokumente so zu verschlüsseln, dass nur andere Microsoft-Nutzer sie öffnen könnten - zum Nachteil von Anbietern alternativer Office-Pakete wie Sun.

Morgen beginnt die Europäische Kommission hinter verschlossenen Türen ihre Anhörungen, um zu entscheiden, ob Microsoft ihren bisherigen Auflagen aus dem langjährigen Kartellprozess hinreichend nachgekommen ist. Dabei geht es insbesondere um Details des Urteils vom Märze 2004.

Die EU hatte Microsoft seinerzeit zu einer Rekordgeldstrafe verurteilt und ihm auferlegt, alternativ ein Windows ohne Media Player zu verkaufen und die Kommunikationsschnittstellen von Windows so offenzulegen, dass Wettbewerber ihre Produkte damit interoperabel gestalten können. Letzterer Punkt ist weiterhin umstritten, obwohl Microsoft immer wieder neue Konzessionen in dieser Richtung gemacht hatte.

Nach Abschluss der Hearings am Freitag könnte die Kommission zu weitere Geldstrafen von 100 Millionen Dollar oder mehr verdonnern. Im April hört dann der Europäische Berufungsgerichtshof in Brüssel die Berufung Microsofts gegen das Urteil von 2004.

Kroes erklärte in dem Interview außerdem, dass sie noch keine Entscheidung bezüglich einer neuen, formellen Ermittlung zu Microsoft und Vista gefällt habe. (tc)